Kleidung und andere Stilfragen (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Monday, 16.06.2003, 11:48 (vor 7776 Tagen) @ der Joe

Hi Joe!

es ist ja spannend, wie sich dieser Thread entwickelt hat.
Es fällt mir auf, dass das Thema "Toleranz" in diesem Forum immer wieder angesprochen, und diese eingefordert wird. Ebenso fällt mir auf, dass es im Gegenzug nicht so einfach zu sein scheint, Toleranz auch zu leben.

Ich lebe Toleranz, indem ich im Alltage eines jeden Menschen Äußeres kommentarlos hinnehme und meine Meinung nur bekunde, wenn ich ausdrücklih darum gefragt werde. Dieses generelle Stillschweigen bei persönlichen Begegnungen bedeutet freilich nicht, daß ich den sich mir bietenden Anblick auch billige. Die Kommentare finden dann in meinem Kopf statt. Hier im Forum darf man aber seine Meinung sagen, sofern das in halbwegs zivilisierter Form geschieht, und das nehme ich für mich in Anspruch.

Barfusslaufen ist also kein allein gesundheitlicher Aspekt, sondern mindestens zu gleichen Teilen auch eine Frage des persönlichen Stils, der Abgrenzung vom "Establishement" oder dem Ausleben persönlicher Bedürfnisse.

Für mich haben beim Barfußlaufen gesundheitliche Aspekte stets allenfalls eine marginale Rolle gespielt (wenn es "obendrein auch noch gesund" ist, um so besser); es gefällt mir vielmehr einfach und ist in meinem Falle sowohl ein Bedürfnis als auch eine Stilfrage. Ich trage meine Kleidung niemals "zufällig", sondern wähle stets mit Bedacht aus, was ich anziehe. Manchmal sieht es bei mir wie zufällig aus, aber auch das ist dann mit Bedacht geschehen. Auf diese Weise habe ich meinen Stil bzw. meine Stile gefunden (in meinem Kleiderschranke hängen Anzüge friedlich neben Hippieklamotten), und ich habe durchaus das Bedürfnis, meine Stilansichten von Zeit zu Zeit zu äußern in der Hoffnung, vielleicht den einen oder anderen ein Stückweit von meinen Ansichten zu überzeugen, weil ich meinen Kleidungsstil gut finde (sonst tät ich ihn nicht pflegen) und insbesondere meine, daß die von mir favorisierte Kleidung besonders gut zu barfuß paßt.

Und natürlich muss es im Zusammenhang mit Kleidung gesehen werden.
Erfrischend menschlich finde ich die Commitments, was tragbar ist und was nicht. Herrje, ist das nicht völlig egal?

Da wir in einer Demokratie leben, darf jeder machen, was er kann und will, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen das Sittengesetz verstößt (frei nach Art. 2 Abs. 1 GG). Dazu gehört natürlich auch die freie Wahl der Kleidung. Andererseits ist dieses Forum aber auch dazu da, sich über alle Aspekte des Barfußlaufens frei auszutauschen, und dazu gehört auch die frage, welche Art von kleidung als passend zu barfuß angesehen und getragen wird. Und bei einer derart offenen Diskussion gehört es dazu, Empfehlungen auszusprechen und Hinweise zu sogenanntan "Don'ts" (Hinweise, welche Kleidung im allgemeinen nicht gut aussieht und insbesondere zu barfuß nicht paßt). Dabei habe ich auch bereits häufig die Erfahrung gemacht, daß es den Teilnehmern im allgemeinen gefällt, wenn sie sich durch einen Beitrag in ihrer bereits feststehenden Meinung bestätigt sehen, sie jedoch oft gereizt und beleidigt (und manchmal auch beleidigend) reagieren, wenn die in einem Beitrage geäußerte Meinung ihnen "gegen den Strich geht." Ein sachlicher Austausch hinsichtlich des Für und Wider geäußerter Stilfragen fällt so manchem Teilnehmer halt schwer, und der Vorwurf "mangelnder Toleranz" wird dann gern als "Totschlagargument" gebraucht.

Mir geht es genauso wie allen anderen, dass ich Menschen sehe und deren Outfit unmöglich finde. Bei anderen fällt es mir gar nicht auf. Na und? Es ist mir auch herrlich egal, was Dritte von meinem Outfit halten. Schliesslich will ich doch MEIN Ding machen.

Dem kann ich mich anschließen. Andererseits möchte ich aber andere Menschen nach Möglichkeit von "meinem Ding" überzeugen, weil ich selbst davon überzeugt bin. Schließlich heißt es ja: "Kleider machen Leute". Das gilt auch für Barfußläufer, denn auch wir Barfüßer sind ja in der Öffentlichkeit außer an den Füßen allermeist bekleidet.

Mir stellt sich dann sofort die Frage, wie das Barfusslaufen unter diesen Umständen für den Einzelnen zu einer Selbstverständlichkeit werden soll. Eigentlich erwarte ich von Leuten, die dem Teeny-Alter entwachsen sind, dass sie über solchen Dingen stehen. Das hat auch etwas mit Ernstnehmen zu tun.

Gerade weil und damit das Barfußlaufen zu einer Selbstverständlichkeit werden soll, verwende ich eine solche Sorgfalt auf die Frage der richtigen Bekleidung. Vom Barfußlaufen bekommt man bisweilen schwarze, also schmutzige Fußsohlen. Das ist unvermeidbar; manchem von den hier schreibenden Barfußläufern gefällt das sogar. Ich habe jedoch berechtigte Bedenken, daß ich, wenn ich mit schmutzigen Fußsohlen UND nachlässiger, stilloser, schmuddeliger oder schlampiger Kleidung gesehen werde, für verwahrlost, schlampig, verlottert oder so gehalten und daraus folgend von den Menschen, die mir real begegnen, nicht ernstgenommen zu werden. deshalb achte ich, seit ich vorwiegend barfuß gehe, noch mehr als zuvor auf stilvolle und saubere Kleidung. Auf diese Weise merken doch die meisten meiner Mitmenschen, daß ich weder aus Armut noch aus Nachlässigkeit, sondern mit Absicht barfuß gehe, was bei den aufgeschlosseneren unter den Zeitgenossen Anlaß zu manch nettem Gespräch (mit dezenter Werbung für barfuß) gibt!

Ob jemand nun beim New Yorker einkauft oder sich seine Sachen massschneidern lässt, who cares?

Mich kümmert es ebenfalls nicht, woher jemand seine Sachen hat, sofern sie gut aussehen. Es veranlaßt mich eher zu einer entsprechenden Nachfrage. Als ich mich am Samstag mit Dominik traf, fand ich seine Jeans toll und fragte ihn, woher er sie hat. danach sind wir gleich zu New Yorker, damit ich mir auch so eine kaufen konnte.

Aber die Haltung, dass ich etwas nur für eine Saison tragen soll, finde ich überkommen und (wem stimme ich gerade zu?) ökologisch und ökonomisch schlicht dumm.

Ich habe meine Sachen viel zu gern, um sie nach einer saison wegzuschmeißen, und so verbrenne ich sie erst, wenn sie kaputtgehen und es sich auch nicht mehr lohnt, sie auszubessern. Insofern trifft mich diese kritik nicht persönlich. Gleichwohl findeich diese Argumentation inkonsequent: Einerseits ist es Dir egal, welche Sachen jemand trägt, während Du es andererseits hingegen dumm findest, daß jemand seine Sachen nur für eine Saison trägt (was ich auf der Straße nicht sehen kann, da ich nur sehe, welche Kleidung jemand augenblicklich garade anhat).

Hmm, wenn ich recht überlege, gehört das jetzt eigentlich ja schon ins Stammtisch-Forum - nur Stammtisch klingt so nach "dummes Zeug schwätzen" und ich hoffe, dass mir das jetzt nicht passiert ist ;-)

Du hast keineswegs dummes Zeug geschwätzt, wenngleich ich Dir nicht in allen Punkten zustimme.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U. (der momentan mit einer langen leichten weiten rostfarbenen Sommerhose und einem weißem T- Shirt bekleidet ist)

Jedenfalls grüsst herzlichst
der JOE


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