Barfuß in der Kirche (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Tuesday, 13.02.2001, 22:53 (vor 8687 Tagen) @ Lotsi

Hi Lotsi,
da ich mir insgeheim schon seit einiger Zeit Gedanken über das Thema "Barfuß in der Kirche" mache, finde ich es gut, daß es hier mal aufs Tapet kommt.

Am weitesten sind wir wohl nur in der Frage der Konfession entfernt: Als echte Mittelfränkin bin ich natürlich lutherisch bis ins Mark; Du als Unterfranke bist wohl eher katholisch (ach ja, Du sprachst ja gerade von Kommunion/Firmung Deiner Töchter) - aber dies ist hier natürlich völlig unerheblich.

Ich bin russisch-orthodox - somit sind jetzt alle drei großen Konfessionen vertreten.

Die biblische Überlieferung ist sicher - um es so banal zu sagen - nicht barfußfeindlich. Gut, dass darin soviele Barfüße vorkommen ist - ebenfalls banal festgestellt - auch eine Frage des Raums und der Zeit (Naher Osten vor 2000 Jahren). Wir aber haben uns - auch - mit der kirchlichen Realität in Mitteleuropa 2000 Jahre später auseinander zu setzen.
Du nennst den Schlüsselbegriff ja selbst: "Dresscode". Das ist es. Den hat die Kirche (oder haben die Gläubigen) entwickelt; dieser bildet eine gesellschaftliche Norm (naja, eher ein Dogma).

Bezüglich der gesellschaftlichen Norm stimme ich Dir zu; um ein Dogma im kirchlichen Sinne einer verbindlichen Glaubenslehre handelt es sich auf keinen Fall! Auch das Kirchenrecht gibt zu diesem Thema nichts her.

Es ist schlicht provokant, barfuß in Kirchen zu laufen. Auch wenn die Argumente sozusagen durch Gottes Wort gesprochen auf Seiten der Barfüßer sind - so ist es doch eine Provokation der meisten anderen Gläubigen.

Da hast Du leider recht! Die orthodoxe Kirche kommt mir leider besonders barfußfeindlich vor. Ich würde mich einfach nicht trauen, barfuß zur Liturgie zu gehen, weil dies als provokant aufgefaßt würde. Ich trage zwar so gut wie nie Socken in der Kirche, aber bereits das wirkt, obwohl es zumeist toleriert wird, sogar im Sommer exotisch. Zumeist bin ich der einzige sockenlose Gottesdienstbesucher. Seit einiger Zeit wirke ich gelegentlich als Altardiener. Bis zum Dezember trug ich zum Altardienst sandalen ohne Socken, bis mir der Priester eines Tages sagte, daß einige Gottesdienstbesucher Anstoß genommen hätten. Als Kompromiß einigten wir uns schließlich darauf, daß ich geschlossene Schuhe oder Slipper zum Altardienst trage, obgleich ich angesichts des Herrn Jesus und seiner Aposteln nicht nachvollziehen kann, inwiefern der anblick nackter Zehen anstößig sein könnte.

Noch bis ins vergangene (also das 20.) Jahrhundert hinein haben die Leute in (ländlichen) Regionen, wo sonst alle fast das ganze Jahr barfuß liefen, Sonntags die Schuhe bis vor die Kirche getragen und (um sie zu schonen) und erst dann angezogen (und nachher gleich wieder aus; noch meine Oma hat das so gemacht). Schuhe in der Kirche zu tragen ist also nicht erst eine Degeneration in Zeiten der Moderne, es war wohl schon immer so.
Also: Wir dürfen uns nicht nur auf die biblische Überlieferung berufen, sondern müssen auch die kirchliche Tradition im Alltag in Betracht ziehen, wenn wir über "Normen" des Kirchenbesuchs reden.

Der Norm, in der Kirche Schuhe zu tragen liegt vermutlich der gedanke zugrunde, daß wir Gott unser Bestes anbieten sollten (und da barfuß traditionell als armselig und lumpig gilt, gehören auch Schuhe und Strümpfe zu einer im beschriebenen Sinne "guten", nämlich vollständigen Ausstattung.

Wer es aber sich traut, selbstbewusst barfuß in die Kirche zu gehen, der hat meine Anerkennung, nicht meine Geringschätzung! Ich persönlich mache es nicht, aber ich bin keinesfalls beleidigt, wenn es einer tut; im Gegenteil.

In diesem Punkte bin ich derselben Meinung!

Barefoot forever!

Jawoll!

Herzliche Barfußgrüße,
Markus U.


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