Barfuß in der Kirche (Hobby? Barfuß! 2)
Lieber Lorenz!
Deine Argumentation ist - wie gewohnt - sehr überzeugend und treffend. Wir beide sind gar nicht weit voneinander entfernt, deshalb möchte ich meinen Standpunkt genauer erläutern:
Am weitesten sind wir wohl nur in der Frage der Konfession entfernt: Als echte Mittelfränkin bin ich natürlich lutherisch bis ins Mark; Du als Unterfranke bist wohl eher katholisch (ach ja, Du sprachst ja gerade von Kommunion/Firmung Deiner Töchter) - aber dies ist hier natürlich völlig unerheblich.
Die biblische Überlieferung ist sicher - um es so banal zu sagen - nicht barfußfeindlich. Gut, dass darin soviele Barfüße vorkommen ist - ebenfalls banal festgestellt - auch eine Frage des Raums und der Zeit (Naher Osten vor 2000 Jahren). Wir aber haben uns - auch - mit der kirchlichen Realität in Mitteleuropa 2000 Jahre später auseinander zu setzen.
Du nennst den Schlüsselbegriff ja selbst: "Dresscode". Das ist es. Den hat die Kirche (oder haben die Gläubigen) entwickelt; dieser bildet eine gesellschaftliche Norm (naja, eher ein Dogma).
Es ist schlicht provokant, barfuß in Kirchen zu laufen. Ich möchte dies einfach nicht. Auch wenn - wie Du richtig sagst, Lorenz - die Argumente sozusagen durch Gottes Wort gesprochen auf Seiten der Barfüßer sind - so ist es doch eine Provokation der meisten anderen Gläubigen, eine Unhöflichkeit, derer ich mich irgendwie schämen würde.
Auch wenn Du, Lorenz, so gute Erfahrungen gemacht hast: wie lange musstest Du quasi "missionieren", bis Dein Lebensstil so weit beachtet wurde? Diese Energie (und für Deinen missionarischen, nein, eher aufklärerischen Enthusiasmus verdienst Du auch höchste Anerkennung!!) bringt nicht jede(r) auf! Ich z.B. kneife da, ich will nicht derart die Speerspitze der Aufklärung sein, und deshalb gehe ich mit Schuhen in die Kirche. Weiß Gott, ich laufe so viel barfuß; die paar Stunden überstehe ich schon.
Nochmals: Prinzipiell hast Du völlig Recht! Aber es gibt "Codes", "Normen", "Dogmen", wasweißich, die zu befolgen leichter (und ratsamer) ist, ohne an Lebensqualität einbüßen zu müssen.
Dieser "Dresscode" ist ja schon seit Jahrhunderten eingeübt. Ein Freund von mir, der Geschichte studiert hat, erzählte mal (weiß nicht, wie er mir gegenüber da drauf kam ...), dass es schon im Mittelalter (das ja keine Freiheitsstrafen kannte) eine schlimme gerichtlich auferlegte Strafe war, barfuß vor der Kirche herumlaufen zu müssen und zu kehren. Barfuß ist gleich Büßer; in jeder Beziehung.
Noch bis ins vergangene (also das 20.) Jahrhundert hinein haben die Leute in (ländlichen) Regionen, wo sonst alle fast das ganze Jahr barfuß liefen, Sonntags die Schuhe bis vor die Kirche getragen und (um sie zu schonen) und erst dann angezogen (und nachher gleich wieder aus; noch meine Oma hat das so gemacht). Schuhe in der Kirche zu tragen ist also nicht erst eine Degeneration in Zeiten der Moderne, es war wohl schon immer so.
Also: Wir dürfen uns nicht nur auf die biblische Überlieferung berufen, sondern müssen auch die kirchliche Tradition im Alltag in Betracht ziehen, wenn wir über "Normen" des Kirchenbesuchs reden.
Wer es aber sich traut, selbstbewusst barfuß in die Kirche zu gehen, der hat meine Anerkennung, nicht meine Geringschätzung! Ich persönlich mache es nicht, aber ich bin keinesfalls beleidigt, wenn es einer tut; im Gegenteil.
Ich war mal barfuß auf einem Kirchentag, aber da ist das wiederum fast ganz normal. Nur im Kirchengebäude eben nicht. Sicher, Lorenz: Das ist eigentlich nicht in Ordnung.
Soviel (wieder viel zuviel) dazu
Liebe Grüße
Lotsi
PS: Lorenz, Deine Wochenendschilderung ist wieder sowas von klasse! (und Neid erregend!) Einfach schön zu lesen!
Wird Zeit, dass es Sommer wird!!
Barefoot forever!