Barfuß in der Kirche (Hobby? Barfuß! 2)

Lorenz @, Monday, 12.02.2001, 08:52 (vor 8624 Tagen) @ Lotsi

Liebe Lotsi!

Am weitesten sind wir wohl nur in der Frage der Konfession entfernt: Als echte Mittelfränkin bin ich natürlich lutherisch bis ins Mark; Du als Unterfranke bist wohl eher katholisch (ach ja, Du sprachst ja gerade von Kommunion/Firmung Deiner Töchter) - aber dies ist hier natürlich völlig unerheblich.

Für mich zählt die Trennung der Kirchen nicht, und habe auch viele Jahre im evangelischen Posaunenchor mitgewirkt. Dabei bin ich auch einigemale barfuß aufgetreten, aber nur bei Gottesdiensten, die unter freiem Himmel stattfanden!

Es ist schlicht provokant, barfuß in Kirchen zu laufen. Ich möchte dies einfach nicht. Auch wenn - wie Du richtig sagst, Lorenz - die Argumente sozusagen durch Gottes Wort gesprochen auf Seiten der Barfüßer sind - so ist es doch eine Provokation der meisten anderen Gläubigen, eine Unhöflichkeit, derer ich mich irgendwie schämen würde.
Auch wenn Du, Lorenz, so gute Erfahrungen gemacht hast: wie lange musstest Du quasi "missionieren", bis Dein Lebensstil so weit beachtet wurde? .......

Es ist tatsächlich so, daß ich mich da ganz behutsam herangetastet habe. Zuerst ging ich barfuß zu einem Fastenessen, bei dem brasilianischer Bohneneintopf zugunsten unserer dortigen Partnergemeinde verkauft wurde. Dann auch zu Treffen des Arbeitskreises, der diese Partnergemeinde unterstützt und sonstigen Veranstaltungen außerhalb des Gottesdienstes. Für das Pfarrfest war mein Barfußparcours eingeplant, das fiel dann leider wegen Dauerregen aus. Und schließlich war niemand mehr "von den Socken", als ich auch einige Male unbeschuht beim normalen Gottesdienst auftauchte.

..... dass es schon im Mittelalter (das ja keine Freiheitsstrafen kannte) eine schlimme gerichtlich auferlegte Strafe war, barfuß vor der Kirche herumlaufen zu müssen und zu kehren. Barfuß ist gleich Büßer; in jeder Beziehung.

Das war eine Strafe von Leuten höheren Standes (von der normalen Bevölkerung sagt die Geschichtsschreibung ja sehr wenig). Es war für die oberen Zehntausend schrecklich, sich auf die Stufe der einfachen Leute begeben zu müssen. Ich verstehe Christentum anders: Millionen von Menschen, die sich keine Schuhe leisten können, sind meine Brüder. Und es schändet mich nicht, mit meinen bloßen Füßen zu ihnen zu stehen. Den Geldbetrag, den ich schätzungsweise an Schuhen spare, spende ich seit einigen Jahren an unsere brasilianische Partnergemeinde.

Noch bis ins vergangene (also das 20.) Jahrhundert hinein haben die Leute in (ländlichen) Regionen, wo sonst alle fast das ganze Jahr barfuß liefen, Sonntags die Schuhe bis vor die Kirche getragen und (um sie zu schonen) und erst dann angezogen (und nachher gleich wieder aus; noch meine Oma hat das so gemacht). Schuhe in der Kirche zu tragen ist also nicht erst eine Degeneration in Zeiten der Moderne, es war wohl schon immer so.

Der Wurzel dieser bekannten ländlichen Tradition müssen wir mal nachspüren, wenn ich nicht so wie jetzt schon auf dem Sprung zur Arbeit bin :-((

....... Deine Wochenendschilderung ist wieder sowas von klasse! (und Neid erregend!) Einfach schön zu lesen!

Dein Lob freut mich! Für mich ist das Forum so eine Art Barfußtagebuch geworden -- und ich bin mit der Gefahr bewußt, daß das irgendwann langweilig werden könnte.

Wird Zeit, dass es Sommer wird!!

Gestern war der Boden an einigen geschützten Stelle schon richtig warm. es handelt sich also nur noch um wenige Wochen!!

Schöne Füße, Lorenz


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