Anders sein in der Gesellschaft, wo ist das Problem? (Hobby? Barfuß! 2)

Kai @, Sunday, 07.01.2001, 21:19 (vor 8659 Tagen) @ Jerry

Hi Jerry,

da hab' ich wohl eine kleine off-topic-Diskussion losgetreten - na ja, muss auch mal sein (wenngleich nicht allzu oft).

Erst einmal möche ich Dich beglückwünschen, dass Du Dich offenbar so
gut wie nie vor Deinen Mitmenschen rechtfertigen musst, falls Du
einen eigenen Lebensstil pflegst(evtl. ja Barfusslaufen in der
Öffentlichkeit).

Na ja, was heißt schon rechtfertigen MÜSSEN. Meine Erfahrung ist, dass man schon recht extrem auftreten und vor allem seine eigenen Meinung zum Dogma für andere machen muss, um in Rechtfertigungsdruck zu geraten. Meistens (nicht immer!) sorgt ein selbstbewußtes Auftreten und vor allem Eintreten für einen eigenen Lebensstil eher für Anerkennung. Aber zugegeben, jedem kann man es nicht recht machen und an einem bestimmten Punkt selektiert sich halt der Freundeskreis etwas in Leute mit denen man kann und die, mit denen man keine gemeinsame Wellenlänge findet.

Vielleicht lebst Du in einem tolerantern Teil
Deutschlands. Ich wohne in Hamburg, dies zu Deiner Info.

Und da dachte ich, in Großstädten lebt es sich in einem toleranteren Umfeld - zumindest mein Eindruck nach 29 Jahren in München.

Also, um Deine Frage zu beantworten: Ich besitze zwar einen
Fernseher und auch ein Handy, jedoch kein Auto- hauptsächlich aus
Umweltschutzgründen-. Und was noch "schlimmer" ist: auch keinen
Führerschein! Möchte Dir nun aufzählen, welche Erfahrungen ich seit
knapp 20 Jahren mit meinen Mitmenschen mache (auf meinen bisherigen
Arbeitssellen, im Bekannten- Freundeskreis, ja im gesamten
persönlichen Umfeld), wenn diese erfahren, dass ich kein Auto
besitze.

Das kann ich, ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich selber habe seit 12 Jahren kein Auto mehr aus ökologischer Überzeugung. Klar werde ich häufig gefragt, ob das denn ginge. Meist geraten aber meine Gesprächspartner, ohne dass ich es beabsichtige, in einen Rechtfertigungswortschwall der sich nach Getränkekästen, Kindertransport, Abendtheaterbesuch, etc. anhört.
Ich habe noch nie echte Ablehnung wegen meiner Autolosigkeit gespürt, eher Anerkennung, wenn ich durch mein alltägliches Handeln beweise, dass es auch ohne Blechkiste geht (und ich nicht am sozialen Hungertuch darben muss ...).
Die gleiche Erfahrung habe ich jetzt übrigens auch in einem eher ländlichen Raum gemacht (zumindest für meine Verhältnisse), dem Großraum Stuttgart.
Deine Hamburger Erfahrungen finde ich vor meinen persönlichen Erfahrungen sehr spannend.

Aber egal, Ausgangspunkt meines ersten Postings sollte keine Kritik an Dir sein, sondern lediglich der Versuch, die hin und wieder zweifelnden Blicke unserer Mitmenschen und die seltenen unangenehmen Bemerkungen vor dem Hintergrund unserer tatsächlichen Entfaltungsmöglichkeiten zu relativieren.
Ich selber bin beileibe nicht so dickfellig, dass mir solche Bemerkungen gleichgültig wären. Aber nach einem kurzen Nachdenken kann ich sie dann meist als das einordnen, was sie wohl sind: der Versuch meines Gegenübers, die eigene Unsicherheit mit dem Fremden (dem Barfußläufer, Nicht-Autobesitzer, etc.) durch eine offensive Bemerkung zu übertünchen.

Frohes Barfußlaufen in Hamburg wünscht Dir

Kai


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