Ganzjahres-Barfüßer (Hobby? Barfuß! 2)

MarkusII, Monday, 31.07.2000, 23:32 (vor 8818 Tagen) @ Oli-M (33)

Hallo Oli-M!

Zwar bin ich kein "Ganzjahres-Barfüßer", aber erstens fände ich es schade, daß hier niemand auf einen so guten Beitrag antwortet, und zweitens würde ich doch gerne auch etwas zu einigen Punkten sagen.

Julia hat ja auch in einem ihrer Postings gesagt, sie läuft barfuß weil sie sich so am wohlsten fühlt. Recht hat Sie! Allerdings ändert sich das immer sehr schnell, wenn der ganz normale Alltag wieder beginnt. Man wird blöd angeglotzt, es werden einem dumme Fragen gestellt. Den einen mag das stören, den anderen nicht. Das kommt wohl auf den einzelnen an. Vor allem, wie er das selber wahrnimmt und wie er damit umgeht.

Genau dies stört mich ganz gewaltig.
Ich kann diese immer wieder auftretenden Störungen ganz einfach nicht "nicht wahrnehmen". Eine so dicke "Hornhaut auf der Seele" kann ich mir gar nicht zulegen, und dickfellig möchte ich auch niemals werden.
Das von Dir Angesprochene ist das Einzige, was mich davon abhält, "Ganzjahresbarfüßer" zu sein.
Glücklicherweise gibt es ab und zu auch das Gegenteil davon: Manche Frauen scheinen es romantisch, sinnlich, sympathisch zu finden, wenn ein Mann außerhalb des Freibades ganz natürlich barfuß läuft.

Dann gibt es aber auch mal Situationen, da hätte ich wohl besser Schuhe mitgenommmen. Auf der Bahnhofstoilette (ekelhaft klebriger und versiffter Boden), beim Open-Air (überall Glasscherben) oder auch beim Einkaufen (eine helle Hose im Geschäft anprobieren und das mit schwarzen Fußsohlen kommt einfach nicht gut an!). Also, ich ziehe bei bestimmten Gelegenheiten Schuhe an oder nehme wenigstens Flip-Flops oder Tevas mit. Und schon ist es wieder vorbei mit dem Ganzjahres-Barfüßer!

Das mit der hellen Hose im Geschäft gehört wieder in die Kategorie "Sozialer Druck" -s.o.
Zum unsauberen Untergrund:
- Hast Du jemals gehört, daß Krankheiten über das Barfußlaufen übertragen worden sind? Ich kenne nur zwei tropische Varianten (Sandflöhe und Hakenwurm), vor denen wir uns hier nicht zu fürchten brauchen. Letzterer scheint bei trainierten Füßen sowieso seine Schwierigkeiten zu haben.
- Jetzt wirst Du sagen: Fußpilz!!! Fußpilz wird nur in Schuhen übertragen. Ein "echter" Barfüßer kann schadlos überall entlanglaufen, da seine Füße dauernd Licht und Luft ausgesetzt sind und da seine Sohlen bei jedem Schritt mit 80 kg Druck abgescheuert werden. Seine Haut ist außerdem im Gegensatz zur "schwammartigen" Haut der Schuhträger fest und regelrecht geschlossenporig. Dies gilt nicht nur für die Sohlen.
- Eine Studie, wiedergegeben auf den Seiten der DSS, besagt, daß dauernd Barfußlaufende kerngesunde Füße haben. Ein Teil der Probanden war fast außschließlich in einer indischen Großstadt unterwegs.
- Z.B. in Neuseeland gehen die Kinder barfuß in die Schule. Gerade auf Schultoiletten herrschen nach meinen Erfahrungen keine Idealzustände.
- Ein Erfahrung von mir: Eine Freundin von mir war in Tevas, ich überall barfuß unterwegs. Bei einer Rast zog sie die Sandalen aus: Ihre Sohlen waren dreckiger als meine - der Straßenstaub (übrigens beladen auch mit Sporen und Dauerstadien der verschiedensten Krankheitserreger) war zwischen Fußsohlen und Sandalen vorgedrungen. Zusammen mit Schweiß und Hautschuppen war er zu einer deutlich riechenden, für mich ekelhaften Schmiere verarbeitet worden. Während meine Sohlen an Licht und Luft, trocken und mit jedem Schritt kräftig abgescheuert waren, lief sie in einer ekelhaften Bakterien- und Pilz-Paste (in der Dauerstadien prima in aktive Stadien übergehen können).
- Würdest Du ständig ein Wochen-, Monate-, Jahrelang nicht gewaschenes Kleidungsstück anziehen wollen? Eines, was Du häufig trägst? Ich finde so etwas wirklich ekelhaft, und die Medizin gibt mir recht (Falls Bedarf an näheren Ausführungen besteht: s. "Best Of"). Kein Wunder, daß die Füße in Schuhen "unappetitlich" sind und häufig krank werden.
Zum "gefährlichen" Untergrund:
- Im Beitrag "Links, BarfußLAUFEN" steht wieder einmal, wie "gefährlich" Barfußlaufen ist, wenn man geübt ist. Außerdem habe ich eine ganze Reihe von Beiträge geschrieben (s. "Best-Of"), in denen man nachlesen kann, was dann alles völlig ungefährlich ist. Hierzu passen auch die Postings von Jens (Reisen in Indien) und die vielen Berichte auf der Site "http://members.tripod.com/~bftravel/index.htm". (Ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch, und ich würde mich niemals unnötigen gesundheitlichen Risiken aussetzen. Z.B. trinke ich nur äußerst ungern aus einer Flasche, aus der gerade jemand anders getrunken hat, da der Weg für irgendwelche Erreger hier nun wirklich kurz ist.)

Dann wird es auch mal wieder kälter. Jedes Jahr denke ich mir, das geht jetzt mit dem Barfußlaufen noch ein bißchen länger in der kalten Jahreszeit als im letzten Jahr. Aber wie hat Julia so schön gesagt, sie läuft barfuß weil sie sich so am wohlsten fühlt. Wenn die Temperatur unter 10 Grad Celsius geht krieg ich einfach auf längeren Strecken kalte Füße. Ich zieh ja dann auch einen dickeren Pullover an oder wenn es noch kälter wird dann auch eine Winterjacke. Ich fühle mich dann jedenfalls nicht mehr wohl und das mit dem Ganzjahres-Barfüßer ist dann wieder nix mehr weil ich einfach etwas an den Füßen brauche damit ich mich wohlfühle. Ich weiß, man kann bei kalten Temperaturen auch barfuß gehen. Ich habe auch schon Barfuß-Wanderungen im Frühlich gemacht und es waren noch kleine Schneefelder zu überqueren. Es geht, aber auf Dauer fühle ich mich da wirklich nicht mehr wohl.

Hier fühle ich ähnlich wie Du. Unter zehn bis acht Grad ist bei mir allmählich Schluß. Ich bin mir sicher, daß sich der Bereich des Wohlbefindens deutlich nach unten erweitern würde, wenn man nicht durch den o.g. sozialen Druck "ausgebremst" würde und bei niedrigeren Temperaturen besser in Übung wäre.

Julia redet von "Temperaturen um 0 Grad, bei -12 Grad zwei Kilometer zum Supermarkt gehen oder auch aus ihrem BMW barfuß in den Schnee steigen". Andere tun vielleicht ähnliches, aber ich fühle mich da nicht mehr wohl und kann diese Extreme nicht ganz nachvollziehen.

Dies geht mir genau so. Es gibt aber Berichte über einen Volksstamm, der bei 0 Grad ständig barfußlief.

Für mich persönlich gilt: Barfuß fühle ich mich am wohlsten, aber nicht immer und überall.

Wenn der soziale Druck nicht wäre, sähe man mich oberhalb von acht Grad Celsius NIEMALS in Schuhen. Für mich sind sie eine Zumutung.

Liegt das nun an mir oder sind Ganzjahres-Barfüßer einfach doch andere Menschen. Ich empfinde bei bestimmten Situationen Ekel (Beispiel Toilette). Es gibt auch Situationen in denen mir meine Füße zu wertvoll sind, daß ich sie einer sehr hohen Verletzungsgefahr aussetze (Glasscherben oder Erfrierungen).

Ich kann mir vorstellen, daß bei Ganzjahres-Barfüßern das körperliche Bedürfnis nach Barfußlaufen noch höher ist als bei uns, und daß sie deswegen auch mehr Wiederstand gegen den sozialen Druck leisten.
Ich kann mir auch vorstellen, daß sie im Bereich des "Ekels" einfach natürlicher empfinden: Krankheitsüberträger werden z.B. v.a. über Schmier-Infektion (Hände; Türklinke der Toilette) oder über Tröpfchen-Infektion (schlecht gelüftetes Büro, mal eben angehustet werden etc.) übertragen. Es gibt zig Leute, die sich nicht mal nach einem "großen Geschäft" die Hände waschen.
Zur Verletzungsgefahr kann ich nur sagen: Sie besteht beim Geübten nicht. Allenfalls gibt es mal Bagatellsachen, aber auch dies ist selten.

Es ist also auf der einen Seite ein psychologischer Unterschied, wie das Gefühl des Ekels oder der soziale Druck wenn die nackten Füße sehr auffallen und jeder glotzt.

Tja, entweder macht einem der Druck nichts aus (ist wohl auch Sache des allgemeinen Temperaments), oder man ist der Dumme.

Vielleicht sollte ich die Ganzjahres-Barfüßer doch lieber bewundern und sie sollten für mich ein Vorbild sein. Vielleicht habe ich dach einfach noch nicht richtig ausprobiert und man fühlt sich das ganze Jahr und bei allen Gelegenheiten barfuß wirklich wohler.

Wenn Du mit dem Druck zurechtkommen würdest (mir gelingt es leider nicht),
dann würdest Du Dich garantiert "das ganze Jahr und bei allen Gelegenheiten barfuß wirklich wohler" fühlen; von sehr tiefen Temperaturen einmal abgesehen.

Der Ekel und der Soziale Druck spielt sich nur in meinem Kopf ab. Die Temperaturen und das mit den Glascherben hat nur damit zu tun, das ich einfach noch zu wenig konsequent barfuß gehe und meine Füße noch nicht abgehärtet genug sind.

Ich glaube, das Gefühl des Ekels ist in unserer Zivilisation vielfach fehlgeleitet (bei den wirklich gefährlichen Dingen springt es gar nicht an, und bei den harmlosen wird "aus der Mücke ein Elefant" gemacht). Der soziale Druck ist m.E. (Kai würde mir hier wiedersprechen) ganz real und sehr unangenehm. Beispiele könnte ich genügend aufführen - gestern starrte eine Kellnerin im Cafe z.B. mehrfach lange auf meine Füße. Ich habe sie dann freundlich gegrüßt, damit sie mich als Person auch noch wahrnahm. Vor ein paar Wochen wurde ich im Postamt von einem anderen Kunden laut angequatscht ("Haben Sie Ihre Schuhe vergessen?", danach kam er zu mir herüber und überschüttete mich mit mit einem ganzen Wortschwall.). Voriges Jahr in der Fußgängerzone: Ich kam an einem vollbesetzten Cafe vorbei, und ein Jugendlicher rief laut herüber (und die anderen an seinem Tisch grinsten sich eins) "Ey, haben Sie Ihre Schuhe vergessen?" Ich erwiderte "Gott sei Dank!" (tja, man könnte durchaus schlagfertiger sein...)
Das Blöde ist nur: Läuft man deswegen weniger barfuß, läßt die Übung nach, und die Verletzungsgefahr steigt. Und das nur wegen der DUMMEN, selbstgefälligen und von sich eingenommenen Leute!

Vielleicht kann ja Julia oder ein anderer Ganzjahres-Barfüßer dazu mal Stellung beziehen.

Mich würde Deine Meinung zu meiner Meinung ebenfalls interessieren!

Barfüßige Grüße
Oli

Es grüßt zurück
MarkusII


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