Schreiben an den Badener Stadtrat (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 01.04.2008, 19:05 (vor 6109 Tagen) @ FrankX

Hallo Frank,

vielen Dank für Deine Übermittlung der "Badener Gesetze". Ich habe sie in mein Beschwerdemail über die Stadtpolizei Baden, wie ihn Walter, Engel und Thomi vorgeschlagen haben, an den Badener Stadtrat integriert:

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Werter Stadtrat,

ich habe Baden als eine in einer wunderschönen Gegend gelegene und sehenswerte Stadt in Erinnerung, die auch kulturell viel zu bieten. Sicher haben Sie erheblich dazu beigetragen, daß diese Stadt diesen sympathischen Charakter besitzt. Auch danke ich Ihnen dafür, daß Sie die Möglichkeit bieten, daß Volkssportveranstaltungen wie der "Badener Limmatlauf" ausgetragen werden können. Auch den Organisatoren und vielen Freiwilligen einen herzlichen Dank, daß das ganze so reibungslos geklappt hat.
Ich selber war am Samstag, den 29.3. 2008 am Badener Limmatlauf, allerdings nur als Zuschauer. Wegen eines früheren Rückenleidens (Bandscheibenprobleme) verzichte ich lieber auf Sportarten, die die Wirbelsäule unnötig strapazieren (z.B. Lauf- und Skisport), sondern beschränke mich auf rückenschonende Sportarten wie Wandern oder Velofahren, und beides nicht unter Wettkampfbedingungen. Mein früheres Rückenleiden konnte ich nur dadurch beheben, daß ich in der Freizeit, soweit die Witterung und Situation es erlaubt, möglichst oft keine Schuhe trug. Beim Gehen ohne Schuhe tritt man weniger hart auf und schont damit die Bandscheiben.

Dank des prächtigen Frühlingswetters während des Badener Limmatlaufes war mir es möglich, auf den Gebrauch von Schuhen zu verzichten. Da ich einerseits mit dem Velo von Zofingen angereist war und andererseits nicht vor hatte, eine Veranstaltung mit "Krawattenzwang" zu besuchen, trug ich zweckmäßigerweise eine kurze Sporthose. Niemand in der Nähe des Sportanlasses störte sich daran, daß meine Kleidung denen der Laufsportler angenähert war (viele Läufer trugen sommerliche Trikots, ein älterer Herr absolvierte den langen Laufparcours sogar barfuß).

Etwas enttäuscht war ich jedoch, als ich noch gegen 16 Uhr den Platz vor der reformierten Kirche in der Nähe des Personenliftes aufsuchte, um noch etwas zu verzehren, bevor ich gen Zofingen radeln würde. Während ich auf einer Bank saß, näherten sich zwei Herren von der Stadtpolizei Baden. Sofort wurde ich gefragt, warum ich barfuß wäre. Als ich gesundheitliche Gründe nannte, glaubten die Beamten es nicht und verlangten meinen Ausweis. Sie schienen überrascht zu sein, daß ich eine Schweizer Identitätskarte dabei hatte, jedoch hochdeutsch sprach. Die Beamten redeten auch mit mir hochdeutsch. Einer der Beamten gebrauchte darauf den Ausdruck "Papierschweizer" und sprach leise auf Schweizerdeutsch (ich konnte es aber trotzdem verstehen) zu seinem Kollegen, daß er nicht begreifen könnte, daß solche Leute wie ich überhaupt eingebürgert werden.
Die Umgangsweise der Beamten wurde weniger höflich, ich wurde aufgefordert, mir Schuhe anzuziehen, ich hatte aber keine dabei. Darauf meinte der eine Beamte, barfuß in einer belebten Stadt wäre asozial. Als ich daraufhin die Beamten fragte, warum sie eine Gruppe von drei ca. dreißigjährigen kräftig gebauten Männern beobachtet hätte, jedoch nicht eingeschritten waren, obwohl einer der Männer ebenfalls ohne Schuhe war, lautete die Antwort: "Der Mann trägt aber LANGE Hosen. Dann sieht man seine Füße nicht. Dann kann er von mir aus auch im Winter barfuß herumlaufen, das wäre mir egal!" Auf meine Frage, ob denn das Tragen von kurzen Sporthosen verboten sei, und meinen Hinweis auf die vielen Läufer in kurzen Hosen beim teilweise über städtisches Gebiet führenden Limmatlaufes meinte der Beamte: "Das ist doch ganz was anderes! Wenn eine Sportveranstaltung ist, dann rechnen die anderen damit, daß die Sportler kurze Hosen tragen. Aber hier recht kein Mensch damit, daß einer zu dieser Jahreszeit barfuß oder in kurzen Hosen unterwegs ist. Die Leute erschrecken doch nur."
Die Beamten forderten mich auf, den Platz sofort zu verlassen, und zwar sollte ich den Lift benutzen und über weniger belebte Wege die Stadt verlassen, damit nicht noch mehr Leuten meine Aufmachung zugemutet werden muß. Ich fand das Verhalten dieser beiden Polizisten unverhältnismäßig. Darf die Stadtpolizei derart restriktiv vorgehen, etwa gemäß folgenden Gesetzen:
§ 25
Vorführungen und Handlungen aller Art, welche Anstand oder Sitte verletzen,
sind verboten.
§ 26
1 Wer in der Öffentlichkeit durch ungebührliches Verhalten Ärgernis erregt,
kann bestraft werden
2 Personen, die in ihrer Urteilsfähigkeit erheblich eingeschränkt sind (z.B.
Alkoholisierte, unter Betäubungsmittel oder Medikamenteneinfluss Stehende,
etc.), können auf deren Kosten nach Hause oder in Spitalpflege gebracht oder
nötigenfalls vorübergehend in Gewahrsam genommen werden.

Seit wann verletzt das Tragen von kurzen Hosen und/oder das Nichttragen von Schuhen Anstand und Sitte? Benötigten die Teilnehmer des Limmatlaufes eine Sondergenehmigung?
Oder ist das Ausüben von Sport in kurzen Hosen kein "ungebührliches" Verhalten, das Ärgernis erregt, wohl aber der Aufenthalt auf einer Bank in selbiger Kleidung. Oder ist "ungebührliche Kleidung" etwas, was die Mehrheit derjenigen Personen, die sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhält, gerade nicht trägt? Ist "ungebührlich" gar ein variabler Begriff, der abhängig von Jahreszeit, Temperatur, von der Mentalität der Bevölkerung oder gar von der Willkür und Laune eines Polizeibeamten abhängig ist? Ich hoffe nicht!
Alkoholisiert war ich übrigens nicht, die Beamten hatten diese auch nicht überprüft. Wenn sie wirklich der Meinung gewesen waren, daß ich unter Alkoholeinfluß gestanden hätte, dann wäre es unverantwortlich gewesen, mich mit dem Velo von Baden nach Zofingen fahren zu lassen.

Ich hoffe, daß dieser Vorfall eine Ausnahme war und kein repräsentatives Verhalten der Stadtpolizei. Ich bitte Sie trotzdem als vorgesetzte Stelle der Stadtpolizei Baden dafür zu sorgen, daß in Zukunft die Polizeibeamten mehr Toleranz ausüben, solange man nichts verbotenes macht. Sollte mir ein solcher Vorfall in Ihrer sonst so sympathischen Stadt noch einmal widerfahren, sehe ich mich gezwungen, gerichtlich gegen die Stadtpolizei vorzugehen.
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Ist vielleicht etwas lang geraten. Ich habe bewußt zuerst den Limmatlauf positiv erwähnt, damit sich der Stadtrat geschmeichelt fühlt, bevor ich - höflicher als mir lieb ist - die Stadtpolizei kritisiere. Hätte ich nur kritisiert, würde der Stadtrat mein Schreiben gleich "rundordnen", ohne es an die Polizei weiterzuleiten, da man mich für einen notorischen Querulanten halten würde, der sich wegen jedem Muckensäckeli beschwert.
Ich habe bewußt an den Stadtrat geschrieben und nicht an das Sekretariat der Stadtpolizei. Denn wenn so etwas innerhalb der Polizei bleibt, ist die Gefahr groß, daß die Sache unter den Tisch gekehrt wird. Ich rechne sowieso damit, daß die Beamten, die mich schikanierten, alles abstreiten werden, soweit sie überhaupt gefragt werden. Aber dann doch lieber, wenn der Polizeichef vom Stadtrat eins auf den Grind bekommt.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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