Barfüßige Sklavinnen, drückende Schuhe, fliegende Stricknadeln und Prager Kälte (Hobby? Barfuß! 2)

Tiziana, Stammposter, Thursday, 06.12.2007, 16:33 (vor 6198 Tagen)

Hallo ihr Lieben,

schön, dass ich nicht immer am Computer hocke, um diese ewigen Auseinandersetzungen zu den neuen Regeln bzw. deren Einhaltung zu verfolgen, und dafür manchmal ins Theater gehe oder verreise.
Dadurch habe nämlich ich ab und zu etwas zum Thema Barfußlaufen zu erzählen.

Im Musical "Aida" von Elton John und Tim Rice, das ich am 23.11. gesehen habe, waren die nubischen Sklavinnen realistischerweise durchgehend barfuß auf der Bühne. Hingegen trug Aida unrealistischerweise flache Sandalen: Vielleicht wollte man dadurch betonen, dass sie die Prinzessin des nubischen Volks war und nicht einfach eine normale Volksfrau, aber sie war ebenfalls als Sklavin gefangen worden, weshalb ich meine, nackte Füße wären passender gewesen. Oder vielleicht hat die Darstellerin Sandalen getragen, weil sie nicht barfuß laufen wollte. Wie auch immer, es war eine schöne Darstellung trotz Aidas Sandalen, die aber sehr passend waren.
Ich fand dagegen ok, dass die ägyptische Prinzessin Amneris bei jedem Auftritt ein anderes Kleid mit jeweils dazu passenden Schuhen trug: sie gab sich als modebewusste Schönheit, um mit ihrer unglücklichen Existenz als "Gefangene in einem goldenen Käfig" irgendwie zurechtzukommen.
Mir fiel spontan ein, dass die Qual ihrer Füße in den hohen Schuhen die Qual ihrer leeren Existenz widerspiegeln konnte - und musste dabei schmunzeln, da ich mir an dem Abend gegönnt hatte, in Bluejeans und barfuß in Theater zu gehen (es war ein kleines Theater), was überhaupt kein Problem gewesen ist.

Am Tag danach war Oper angesagt, nämlich "Il cappello di paglia di Firenze" (Der Florentiner Hut) von Nino Rota. Die sehr lustige Geschichte drehte um eine Hochzeitsgesellschaft und - natürlich! - einen Damenstrohhut, aber oft stand ein Paar unbequemer Lackherrenschuhe im Mittelpunkt: viele männliche Darsteller jammerten um die Schmerzen, die ihnen elegante aber enge Lackschuhe zufügen, zogen dann konsequent die "Qualinstrumente" aus und promenierten oder sogar tanzen kurz in Socken auf der Bühne. Hierfür sah das Libretto fröhliche Sätze, die die Befreiung von den Folterdingern priesen, vor.
Da musste das ganze Publikum schmunzeln, nicht nur, weil die Sänger auch sehr gut schauspielern konnten, sondern auch, weil es das Problem wohl sehr gut kennt....
Ich musste umso mehr schmunzeln, weil ich meine nicht gerade engen Ballerinas schon vor dem Anfang der Aufführung ausgezogen hatte und die Performace mit freien Füßen genießen konnte. Das ganze fand in einem wichtigen italienischen Opernhaus statt, in dem Schuhe erwünscht sind. Ich ziehe meine uralten Ballerinas immer am Theatereingang an und dann an meinem festen Abo-Platz sofort wieder aus. Das Theater verlasse ich aber immer barfuß, denn da freuen sich die Platzanweiser schon auf ihren ersehnten Feierabend, und es kümmert sie nicht mehr, ob die Theaterbesucher den Hausdresscode noch einhalten oder nicht. Die meisten Platzanweiser haben mich schon oft barfuß weggehen sehen und dabei vergnügt geschmunzelt.

Ich bin letzte Woche in Prag gewesen. Wunderschöne Stadt.
Interessant war die Reaktion der Polizistin während der Sicherheitskontrolle am Mailänder Flughafen: Sie hat mir eine Menge Fragen zu meiner Barfüssigkeit gestellt und hat mein Handgepäck überhaupt nicht kontrolliert. Ihr Kollege hat es aber getan und wollte meine Sticknadeln einziehen. Ich habe ihn flehentlich gebeten, meinen gerade in Produktion stehenden Pullover, den ich an Weihnachten anziehen will, nicht kaputt zu machen. Es wurde mir doch erlaubt, meine Strickarbeit schnell einchecken zu lassen. Ich musste dazu das ganze Flughafen weit und breit durchlaufen, aber ich habe es geschafft. Ich bin fest überzeugt, dass ich die Maschine eben deshalb noch erreichen konnte, weil ich barfuß war, denn ungehindert konnten meine Füße schneller laufen und die Aufgabe meines kaputten Rückens wohl auch teilweise übernehmen.

In Prag musste ich meine Barfüssigkeit wegen der eisigkalten Temperaturen zwischen -7 und -4°C sehr beschränken. Ich lief die meiste Zeit sogar in dicken Socken und Ballerinas rum, aber in den Mittagsstunden habe ich mir an den sonnig liegenden Stellen der Prager Altstadt doch getraut, meine Füße kurz zu befreien und ein paar Schritte barfuß zu genießen. Die längste Strecke, die ich zurücklegen konnte, war der Moldauübergang über die Karlsbrücke: Der Sonnenschein auf der Brückenfläche hat mich zwar inspiriert, Schuhe und Socken auszuziehen, aber am anderen Ende der Brücke bin ich wieder darin geschlüpft. Ich schäme mich aber nicht, meine Grenzen zuzugeben.
Im Frühstücksraum im Hotel waren meine bloßen Füße auch kein Problem. Nur einige spanische Touristen haben sie baff angestarrt und ließen einige Kommentare los. Ich habe meine knappen Spanischkenntnisse zusammengerafft und freundlich reagiert, was mit vielen neugierigen Fragen und einer gewissen Sympathie entgegengenommen wurde.

Ich entschuldige mich für die Länge meines Beitrags.

Liebe Grüße nach Norden.
Tiziana


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