Auch ein Gesichtspunkt? (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Walter,
ekelt sich Dein Cousin auch, wenn Leute in Flipflops einen Lebensmittelladen betreten? Bezüglich Sicht auf die Füße schirmen die Riemchen ja nur unwesentlich ab. Trägt Dein Cousin auch im Sommer grundsätzlich geschlossene Schuhe? Und wie sieht es mit seiner Frau aus bzl. Fußbekleidung?
Wenn nun, sagen wir einmal, 5 % der Kunden Barfüsser im Lebensmittelladen eklig finden und verabscheuen, was tut der Ladenbesitzer? Vereinzelte und sporadisch auftauchende Barfüsser wird er vermutlich tolerieren. Was aber, wenn ein Barfüsser immer wieder in den Laden kommt, oder wenn solche gehäuft auftreten?
Vermutlich wird man nie herausfinden, wer ein "Barfußphobiker" ist und wer nicht. Würde es jeder zugeben? Manch einer schämt sich sicher, es zuzugeben. Würde man anonym abstimmen lassen, so würden sich vermutlich mehr melden als Barfußphobiker als wenn man sich vor versammelter Mannschaft als Barfußphobiker meldet. Sicher gibt es gravierende Unterschiede, genauso wie es gravierende Unterschiede zwischen Einbürgerungsentscheiden an der Urne oder öffentlich.
Was Toleranz bzl. "Andersartigem" anbelangt: Absolute Ausnahmefälle (etwa ein vereinzelter bisher unbekannter Barfüßer) wird tatsächlich toleriert. Man nimmt an, daß dieser Mensch möglicherweise auf der Durchreise ist und nicht wieder kommt. Wenn es derselbe Barfüßer öfters kommt, wird sich vielleicht mal jemand melden. Eine Gruppe von Barfüßern wird vielleicht auch toleriert. Und wenn 20 % aller Leute barfuß kommen, dann hat man sich dran gewöhnt, genauso wie man sich an Piercings oder Männer mit Ohrringen gewöhnt hat.
Will er die 5 % Barfussphobiker aus dem Laden hinausekeln lassen oder verscheucht er lieber die Barfüsser? Keine leichte Frage!
Nur ein Ladenbesitzer, der selber ein Barfußphobiker ist, würde Barfüßer verscheuchen. Und wenn er mit Argumenten kommt wie "es haben sich Leute beschwert, daß Sie barfuß waren", dann ist es meistens nur ein Scheinargument. In Wirklichkeit ist er nur zu feige, um seine Barfußphobie zuzugeben.
Bis jetzt habe ich offensichtlich das Glück gehabt, noch nicht auf Ladenbesitzer oder deren Angestellte gestossen zu sein, die diese Überlegung bis zur letzten Konsequenz gemacht haben.
Meistens rechnen die Ladenbesitzer auch und bedienen daher einen Barfüßer genauso wie einen Schuhträger. Es ist schließlich ihr Geld. Je tiefer in der Hierarchie, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, rausgeekelt zu werden. Ein mittlerer Angestellter könnte Intoleranz gegenüber gewissen Kunden auch im Portemonnaie spüren (weniger Bonus). Ein einfacher Türsteher dagegen merkt es nicht im Gehalt. Er bekommt höchstens einen Anschiß, wenn sich der abgewiesene Barfüßer beim Chef beschwert.
Ich habe festgestellt, daß die Toleranz gegenüber Barfüßigkeit (und auch anderen Dingen) von Leuten, die von einem auf legale Weise Geld wollen (Ladenbesitzer, Gastwirte, Tankwarte, Bahnpersonal) größer ist als bei Leuten, die an einem Barfüßer nichts verdienen (andere Kunden im Laden, andere Gäste im Restaurant, Passagiere, Polizisten).
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen