Meine Theorie (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo,
dein lieber Cousin ist leider einer von vielen, der meint, nackte Füße seien ekelhaft, würden stinken und einfach nicht in unser Sagrotan-Leben passen. Ihm fällt der unangenehme Vorfall im Bus ein, wo ihm ein Mann seine nackten Käsefüße praktisch unter die Nase gehalten hat, nachdem er sich Schuhe und Strümpfe ausgezogen hatte. Klar, wenn ich Schuhe und Strümpfe aussziehe und meine Füße hochlege, bekommt selbstredend sogleich ein jeder in meiner Umgebung einer säuerlich-käsige Duftwolke ab. Das weiß ich, und deshalb ziehe ich meine Schuhe in der Öffentlichkeit nur ungern aus, da ich meinen eigenen Fußgeruch kaum mehr wahrnehme - im Gegensatz zu meinen Mitmenschen (ich habe Hyperhydrose an den Füßen). Im Zug, auf einer Fahrt nach Frankreich, hab ich mal meine Schwedenclogs ausgezogen, die ich sockenlos trug, und meine Barfüße auf den leeren Sitz gegenüber gelegt - und wurde sogleich freundlich darauf hingewiesen, wieder meine Schuhe anzuziehen. Im Kino dann eine ähnliche Situation, nur leider hat mein Sitznachbar sehr schroff reagiert und meinen Fußgeruch kommentiert. Klar war mir das unangenehm, aber ich kann die Leute nachvollziehen.
Deshalb laufe ich ja auch am liebsten im Sommer barfuß - keine Schweißprobleme, keinen Fußpilz, keine feuchten Schuhe und Strümpfe wie im Herbst oder Winter.
Es wird wohl schwer sein, einen naturwissenschaftlich verifizierbaren Grund zu finden, der ein Barfußverbot in Lebensmittelgeschäften hinreichend begründen könnte. Tatsache ist, dass in Geschäften Hausrecht gilt und somit hat der Besitzer das Recht, Leute, deren Nase ihm nicht passt, an die frische Luft zu setzen. Traurig, aber wahr. Das einzige Geschäft, in dem man stinkende Füße - ob verschwitzt-bestrumpft oder verschwitzt-nackt - toleriert, ist das Schuhgeschäft. Es ist schließlich Geld im Spiel. Auch wenn den armen Verkäufern beim Öffnen der Schnürsenkel eine Käsewolke entgegenströmt.
Weshalb die Kunden nackte Füße im Kartoffelsalat vor dem geistigen Auge sehen, ist mir allerdings schleierhaft. Ich kenne höchstens Fuß-Phobie, was schon schrill genug ist.
Schöne Grüße
Bernd
Über das Wochenende habe ich einen Besuch bei einem Cousin gemacht. Er und seine Familie wissen, dass ich barfuss laufe, und es wird auch ohne weiteres akzeptiert, dass ich barfuss erscheine. Beim Nachtessen kam das Thema "barfuss" zur Sprache. Mein Cousin fand, dass er als Begründung für das allgemeine und öffentliche Barfusslaufen nur die Gesundheit gelten lassen würde. Und die ist bei mir nun gerade nicht massgebend. Er fragte mich dann, ob ich denn auch Läden barfuss betrete, was ich ohne weiteres bejahte. Einen Barfüsser im Laden, damit hätte er nun wirklich Mühe. Er versuchte mir, seinen Standpunkt klar zu machen, indem er von einer Busreise erzählte, während der ein Mitreisender Schuhe und Socken abzog und die nackten Füsse auf den freien Sitz daneben legte. Und das fände er "gruusig" (eklig). Da konnte ich ihm eigentlich beipflichten. Ich finde es gruusig, wenn einer seine Schweisspropeller aus den Schuhen zieht und sie seinen Mitreisenden quasi unter die Nase hält, mit oder ohne Socken ist dabei für mich belanglos. Meine mit dem ja nicht immer sauberen Boden in Berührung kommenden Füsse würde ich sowieso nicht auf einen Sitz legen.
Aber, auf was mein Cousin eigentlich hinauswollte war: Nackte Füsse in einem Laden, wo z. B. Lebensmittel verkauft werden, sind a priori "gruusig", das hat mit Hygiene nichts zu tun (denn sowohl mit Schuhen als auch barfuss schleppt man Schmutz mit sich, barfuss vermutlich weniger als mit Schuhen). Der Grund ist vielmehr ein psychologischer. So wie es Leute gibt, die sich einfach vor Spinnen ekeln, auch wenn diese Spinnen völlig harmlos sind, einfach weil sie viele Beine und Haare haben, so gibt es offensichtlich Leute, die Barfüsse nicht in Lebensmittelläden sehen können, ohne sich diese Füsse im Kartoffelsalat vorzustellen. Kann ich nun sagen, dieser Ekel sei objektiv nicht vertretbar? Naturwissenschaftlich gibt es dafür wohl keinen Grund, aber ist psychologisch begründeter Ekel weniger objektiv?
Wenn nun, sagen wir einmal, 5 % der Kunden Barfüsser im Lebensmittelladen eklig finden und verabscheuen, was tut der Ladenbesitzer? Vereinzelte und sporadisch auftauchende Barfüsser wird er vermutlich tolerieren. Was aber, wenn ein Barfüsser immer wieder in den Laden kommt, oder wenn solche gehäuft auftreten? Will er die 5 % Barfussphobiker aus dem Laden hinausekeln lassen oder verscheucht er lieber die Barfüsser? Keine leichte Frage!
Ich muss sagen, dass mich mein Cousin erfolgreich verunsichert hat. Bis jetzt habe ich die Sache immer von einem "objektiven", naturwissenschaftlichen Blickwinkel aus angesehen und der besagt: Für die im Laden gelagerten Lebensmittel geht von meinen Füssen keine grössere, eher eine kleinere Gefahr aus als von Schuhen. Und nun sehe ich plötzlich den Standpunkt der Barfussphobiker bzw. des Ladenbesitzers, der feststellt, dass es mehr Barfussphobiker als Barfüsser gibt. Der oekonomisch richtige Entscheid für ihn kann also nur lauten: Behalte die Barfussphobiker und vertreibe die Barfüsser!
Ich stelle fest, dass wir Barfüsser ausgesprochen schlechte Karten haben!
Walter
P.S. Bis jetzt habe ich offensichtlich das Glück gehabt, noch nicht auf Ladenbesitzer oder deren Angestellte gestossen zu sein, die diese Überlegung bis zur letzten Konsequenz gemacht haben.