Über Generationen hinweg (Hobby? Barfuß! 2)
"Bleib hier und setz dich!"
"Lass das. Nicht die Blumen kaputtmachen!"
"Schau mal, was du da gemacht hast. Ganz Toll!"
"JA, sehr schlimm."
"Jetzt nicht, ich lese!"
Hm, das ist doch alles lustig! Echte Realsatire. Zivilisation live. Du hättest dann eine Clownnase aufsetzen und die Situation auflockern können, indem Du erst demonstrativ über die Wiese rennst, dann drei Gänseblümchen pflückst und sie betont freundlich der Kontrollfamilie reichst. Die bösen Blicke müsstest Du dann allerdings schon aushalten. Und es ist ja nicht so, dass eine Kontrollfamilie im eigenen Garten Gänseblümchen tolerieren würde -- alles Unkraut™! Weg damit!
Klar, so etwas fällt einem erst hinterher ein, wenn man sicher vom heimischen Herd aus ins Netz predigen kann. Geht mir jedenfalls so.
Was nimmt das Kind aus solchen Erfahrungen mit, in dieser prägenden Lebensphase?
Das gleiche, was die Eltern auch schon mitgenommen hatten und nun unreflektiert nachahmen, auch wenn es sie total auslaugt, jede Regung eines Menschen kontrollieren zu müssen. Lorenz' Kommentar bezüglich der Hundesteuer schickt da schon.
Natur ist bäh und außerdem gefährlich, man darf nichts machen, was Spaß macht, und alles, was man unternimmt, ist falsch. Bleibt nur zu hoffen, dass das Kind sich spätestens in der Pubertät von den Eltern emanzipiert, und aus Protest barfuß läuft, oder?
Ich finde, dass es nach der Wahl zwischen Pest, Pocken und Cholera riecht. Im Grunde spielen alle Beteiligten ihre Rollen in einem Spiel, und wenn sie nicht irgendwann zwischendurch aufwachen oder ihren Text vergessen, dürfte die nächste kaputte Restfamilie dabei herauskommen, die in ihrer erlernten Hilflosigkeit vom großen Bruder abhängig ist. Das freut natürlich den großen Bruder, der selber das Prinzip Kontrolle über alles schätzt. Irgendwer gewinnt also immer.
Es ist ja fraglich, ob die Kleine sich in zehn Jahren ausgerechnet an die Wiesenepisode erinnert und deshalb zielgerichtet barfuß zur Heilung läuft. Das kann zum Glück sein. Allerdings müsste ich dann hier aufhören zu tippen, weil alles gut wird und es keine Moral zu verbreiten gibt, was Prediger aber gar nicht mögen .
Es wäre also auch möglich, dass das Kind einfach irgendwann abschaltet und alle Verletzungen und Missachtungen ihres Selbst klaglos über sich ergehen lässt. Das sind dann die überall anzutreffenden Menschen, die ohne Selbstvertrauen stereotyp denken müssen und sich mangels erlebter Lebensfreude kalt und zombiehaft verhalten. Lebende Tote mit auf Kosten von neunzig Prozent des Planeten erlangter guter körperlicher Lebenserwartung, klingt höllisch.
Im schlimmsten Fall landet es dann als eine der jungen Mütter in der Zeitung, die ihre eigenen Kinder so extrem gequält haben, dass sich sogar das Prinzip Kontrolle ertappt fühlt und einen Schauprozess anleiert, um sich von sich selbst abzulenken: "Schaut mal, diese böse/kranke Frau! Gut, dass bei uns braven Bürgern alles unter Kontrolle ist."
Und selbst wenn das Mädchen rebelliert, gewinnt die Kontrolle noch, weil man nur gegen existierende und ernst zu nehmende Gegner rebellieren kann. Was man angreift, stärkt man -- das nutzen unsere bösen Feinde etwa in ihren an fossilen Rohstoffen reichen Gegenden gerade aus, welche unsere schwerfälligen, ängstlichen und kopflastigen westlichen Freunde so lange piesacken können, bis die sich so in Selbstschutzmaßnahmen aller Art eingebuddelt haben, dass sie wie der gefesselte Goliath am Boden liegen. Wenn man starke Stammesstrukturen besitzt, kann man durchaus in Zeiträumen von Generationen denken und heute Opfer bringen, um übermorgen besser leben zu können.
Vielleicht hilft tatsächlich nur der Clown. Man kann lachen, verzweifeln, oder Pfade aufzeigen.
Regnerische Füße,
Michael