Die letzten Heiden in Europa (Hobby? Barfuß! 2)

Eugen, Stammposter, Saturday, 10.02.2007, 23:39 (vor 6433 Tagen)

Hallo zusammen,

gestern lief auf arte ein für mich sehr interessanter Beitrag über die "letzten Heiden" in Europa,
eine Film - Dokumentation mit dem Titel: "Ava - Die Stimme meiner Mutter". Sie erzählt von einer Minderheit im
europäischen Teil Russlands, die fast völlig in Vergessenheit geraten ist. In der kleinen autonomen Republik Mari El leben die
letzten Heiden Europas, die sich der Christianisierung verweigert haben. "Ava - Die Stimme meiner Mutter" ist ein
Dokumentarfilm in marischer Sprache.

Seit über 40 Jahren versucht Oleg Michailowitsch in der in Russland gelegenen autonomen Republik Mari El den Untergang
einer Kultur zu stoppen. Die Mari sind Europas letzte Heiden, die noch einer eigenartigen Naturreligion nachgehen. Mit einem
einfachen Kassettenrecorder ausgerüstet, streift Oleg Michailowitsch unermüdlich durch die Dörfer, um die einzigartigen
Gesänge seines Volkes vor dem Verschwinden zu bewahren. Er stoppt Lastwagen- und Fahrradfahrer, spricht mit alten
marischen Dorfbewohnerinnen und sucht in einfachen Bauernhäusern nach unbekannten musikalischen Schätzen. Fast
erinnerte diese Dokumentation an den Film "Gadjo Dilo" des algerischen Regisseurs Gatlif.

Was hatte der Film nun mit Barfuß zu tun? Es war ein kleines Detail, nämlich ein Bericht aus der vorrevolutionären Zeit in
Rußland , dass viele dieser Menschen im ländlichen Alltag barfuß lebten - also sehr erdverbunden. Das war natürlich auf dem
Land im 19. Jahrhundert normal, auch in Deutschland. Doch in Mari El war es Teil einer naturreligiösen Auffassung. Man hielt
sich häufig im Wald auf, legte die Ohren an einen Baumstamm, um das Rauschen der "Haine" zu hören, oder hielt die Hände
dicht über ein Ameisennest, um sich anschließend dann das Gesicht mit der "Ameisensäure" zu desinfizieren.

Die Selbstverständlichkeit der Barfüßigkeit bei Kindern auf dem Land im 19. jahrhundert kann man auch auf einigen Bildern
des Finnisch-russischen Malers Albert Edelfelt (1854-1905) sehen.

[image]
(copyright www.mundofree.com)

Ob man nun Nabokov "Erinnerung sprich" oder Bergengruen "Baltischer Sommer" liest, immer klinkt hier eine sanfte
Melancholie wider, die an eine verlorene Kindheit erinnern soll, in der unteranderem auch Barfüßigkeit normal war.
in diese Melancholie einer vergangenen zeit paßt auch das Bild der zwei Mädchen mit dem Erdbeerkorb.

[image]

(copyright wikimedia)

In der momentanen Jahreszeit möchte man sich sofort barfüssig in das obige Bild hineinbegeben und die herrlichen Lichter,
Farben, Düfte und Töne dieser finnisch - baltischen Landschaft geniesen.

Beste Grüße Eugen


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