Bafußgehen, eine Provokation - WARUM? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Wednesday, 22.11.2006, 08:23 (vor 6515 Tagen) @ Jay

Hallo Jay,

man muß unterscheiden zwischen "geplantem Provozieren" und dem Verhalten, durch das sich andere "provoziert fühlen". Und die Lücke dazwischen ist gewaltig. Wenn etwa nach einem Fußballspiel HSV gegen Werder Bremen (Wahl der Vereine rein zufällig) ein HSV-Fan mit HSV-T-Shirt in ein Lokal geht, das als Stammlokal der Werder-Fans bekannt und womöglich sagt: "Jetzt habt ihr aber ein Arschvoll bekommen!", dann ist es aktive Provokation. Auch das bloße Schwenken der HSV-Fahne reicht aus. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden die Werder-Fans den HSV-Provokateur verprügeln.

Wenn aber derselbe HSV-Fan in derselben Kleidung in der Londoner U-Bahn fährt und noch dazu zu einem Zeitpunkt, wo keine deutsche Mannschaft in England gespielt hat, und zufällig befindet sich ein Werder-Fan im Zivil in der U-Bahn, dann fühlt sich der Werder-Fan durch den HSV-Fan provoziert. Der HSV-Fan wird sich wohl kaum die Londoner U-Bahn aussuchen, um allfällige Werder-Fans zu provozieren.

Hier steht die Wikipedia-Definition:

http://209.85.135.104/search?q=cache:9OsfABf3WR0J:de.wikipedia.org/wiki/Provokation+wikipedia+provokation&hl=de&gl=ch&ct=clnk&cd=1

Zweifellos fühlen sich militante Barfußgegner provoziert, wenn jemand die Unverfrorenheit besitzt, sich ohne Schuhe in deren Nähe aufzuhalten. Es gibt Leute (z.B. Jugendliche), die fühlen bei jeder kleinsten Abweichung bereits provoziert, etwa die Mütze "falsch rum" auf, die Schuhe nicht vom "richtigen" Hersteller, das Handy nicht der neuesten Technik entsprechend. Denen kann man nichts recht machen, die suchen nur einen Grund, um einen anpöbeln zu "dürfen".

Aktive Provokation liegt in der Regel bei Barfüßern nicht vor genausowenig wie bei den Leuten, die ein entstelltes Gesicht haben und mit der Bahn fahren. Ich bin kein Jurist, ich glaube aber nicht, daß Provokation an sich strafbar oder eine Ordnungswidrigkeit ist, solange die Tat an sich nicht verboten ist. Wenn ein Chaot auf einer bewilligten friedlichen Demonstration plötzlich mit einem Stein ein Fenster einwirft mit dem Ziel, daß die Polizisten dann zum Wasserwerfer greifen, dann ist es was anderes, Fenster einwerfen ist an sich verboten (Noch verwerflicher finde ich, daß es auch schon Fälle gegeben hat, daß sich fremde Polizisten in Zivil unter die Demonstranten gemischt haben und auf ihre uniformierten Kollegen Steine geworfen haben einzig mit dem Ziel, der Allgemeinheit zu "beweisen", daß die Demonstranten gar nicht so friedlich sind - das ganze war geplant von der Polizeiführung, die einfachen Beamten vor Ort waren nicht informiert).

Kaum jemand wird barfuß laufen mit dem einzigen Ziel, andere zu ärgern. Kaum jemand mit entstelltem Gesicht wird extra Bahn fahren, um kleine Kinder zu erschrecken. Und selbst wenn dieses der Fall wäre, dann müßten DIE ANDEREN den Beweis erbringen, daß der Barfüßer provozieren will, nicht der Barfüßer, daß er nicht provozieren will. Und wie wollen die anderen es anstellen? Den anderen beobachten (lassen). Zum Beispiel durch unerwarteten Besuch in der Wohnung. Wenn einer, der in der Öffentlichkeit an den "unmöglichsten" Orten zu "unmöglichen" Zeiten barfuß gesichtet wurde, dann mit Schuhen und Socken an die Tür geht, ist das schon "verdächtig". Oder wenn einer an belebten Stellen barfuß ist, jedoch dann, wenn er sich unbeobachtet fühlt, schnell die Schuhe anziehen (quasi der umgekehrte Fall von denjenigen, die gerne barfuß laufen würden, sich aber nicht trauen).

Lorenz sprach an, daß man sein Verhalten ändern könnte, damit sich nicht andere provoziert fühlen. Das geht teilweise, aber nicht immer. Auch ich weiß, daß barfuß in Kombination mit langen Hosen weniger auffällt als mit kurzen. Aber soll ich deswegen auf das Tragen von kurzen Hosen (die genauso wenig verboten sind wie barfuß und in denen ich mich ab einer gewissen (zweifellos nicht gerade hohen) Temperatur einfach wohler fühle) verzichten? Das wäre für mich halber Kram.

Andere Dinge lassen sich zweifellos nicht ändern: Wer etwa ein steifes Bein hat oder ein entstelltes Gesicht, wer stottert oder eine Fistelstimme hat, der fällt schon auf, auch wenn er nach der neuesten Mode gekleidet ist, andere fühlen sich auch dadurch provoziert. Soll man solchen Leuten das Barfußlaufen (oder überhaupt das Erscheinen in der Öffentlichkeit verbieten?
N E I N !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ich selber will nicht provozieren, weder durch meine Barfüßigkeit, noch durch das Tragen von Kleidung, die nicht selten weniger winterlich ist als die der anderen. Ich suche nicht gezielt Gebiete auf, in denen Menschen sind, noch Gebiete, in denen ich kaum eine Menschenseele treffe. Bei meinen Wanderungen und Velotouren komme ich manchmal durch die unterschiedlichsten Gegenden, die speziell in der Schweiz manchmal recht dicht beieinander liegen. Und ich möchte nicht jedes Mal die Kleidung wechseln, wenn ich in eine andere Zone komme (und ich möchte um keine öffentlich zugängliche Zone einen Bogen machen, nur weil die Kleidung dort weniger passend ist). Sehr wahrscheinlich ist auch das der Grund, weshalb ich öfter als andere Ärger mit der Polizei bekomme, etwa in Mülhausen. Vermutlich würde ich auch Ärger bekommen, wenn ich mit Schuhen und in langen Hosen das gleiche täte wie sonst (vor Jahrzehnten wurde ich in Hamburg mal von der Polizei kontrolliert, als ich in normaler Winterkleidung in eine Sackgasse ging, die durch ein Schrebergartengebiet führte. Die ersten Worte der Beamten waren: "Dieses ist eine Sackgasse, haben Sie nicht gesehen, daß diese nicht weiterführt?" Mein Grund, weshalb ich dort ging, war der Bau der Harburger S-Bahn, was die Beamten für merkwürdig hielten).

Mit nicht provokativen Grüßen

Michael aus Zofingen


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