Barfuß an der (noch) Hochwasser führenden Elbe (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 19.04.2006, 08:12 (vor 6733 Tagen)

Sonntag, 8.4.2006, kurz vor 17 Uhr in Dresden: Ich schritt barfuß den Weg hinunter von "meinem Schuppen" zur Haltestelle "Mordgrundbrücke". Da gerade eine Straßenbahn

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von der Haltestelle stadteinwärts abgefahren war, ging ich in einen Seitenweg hinein, um so die Zeit bis zur nächsten Bahn zu überbrücken. Hier waren einige Spaziergänger, den meisten schien meine Aufmachung nicht aufzufallen, lediglich eine Frau mit Hund sagte: "Sie laufen HIER barfuß?" Ich antwortete: "Das ist doch gesund!" Darauf sie: "Das stimmt. Aber passen Sie auf die Scherben auf."

Die Frau hatte nicht gelogen. Wie an vielen anderen Haltestellen in Dresden (und anders als in Schweizer Großstädten) lagen auch hier recht viele Scherben, speziell im Umkreis der Papierkörbe, aber nicht nur dort. Sogar ganze Flaschenböden und -hälse lagen dort herum. (Mit Reinigung nimmt man es in der ehemaligen DDR wohl auch nicht so genau wie in der Schweiz. Zumindest lagen die Scherben, die ich jetzt hier vorfand, bei meiner Abreise aus Dresden immer noch da.)

Mein nächstes Ziel war die Elbe, die immer noch Hochwasser führte, allerdings nicht so wie hier:

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Der "Elfer" spuckte mich am "Waldschlößchen" aus, auch an dieser Tramhaltestelle wimmelte es von Scherben. Ich hatte fast den Eindruck, als ob hier die Leute, kurz bevor sie in eine Bahn einsteigen, nicht nur schnell rauchen und dann den Glimmstengel fortwerfen, sondern ebenso mit Flaschen verfahren. Die Grasfläche am Elbufer war angenehm weich, jedoch lagen auch hier Scherben, mehr als ich etwa in der Schweiz an vergleichbaren Anlagen erwarten würde. Trotzdem machte es Spaß, hier am Ufer über den Rasen zu wandern, meist in unmittelbarer Nähe des Wassers. Einige Leute, die feste Wege bevorzugten, blickten in meine Richtung, aber das bezog sich wohl weniger auf meine Barfüßigkeit, sondern auf mein Verhalten. Hätte ich das gleiche mit Gummistiefeln, langen Hosen, Jacke und Schippermütze gemacht, wären die Reaktionen sicher nicht anders gewesen. Die meisten Leute lächelten. Ab und zu sprach ein Kind: "Der läuft ja barfuß, friert der nicht?"

Ab und zu watete ich auch über überfluteten Asphalt oder über Schlammflächen (entweder über Asphalt oder über Rasen). Einige Brücken konnte ich allerdings nicht unterqueren, weil das Wasser dort zu hoch stand. Dort mußte ich über teils sehr scherbenreiche Flächen ausweichen, aber alles ging ohne Verletzungen. Ich hörte ab und zu eine Stimme: "Das ist doch gefährlich bei den Scherben!" Die letzte Brücke (Eisenbahnbrücke) konnte ich unterqueren, wenn auch nur nassen Fußes, die Kneippkur war zu Ende.

Ich bestieg das nächste Tram und kam zum Bahnhof Mitte

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wo ich umstieg. In den Bögen waren Gemälde mit Bahnmotiven, abgebildet waren unter anderem die Dresdener Schwebebahn und die Kirnitzschtalbahn, mit der wir ja später noch fahren würden.

Als ich die nächste Straßenbahn bestieg, starrte mich ein bemütztes Mädchen fassungslos an. Es würde zu weit führen, wenn ich jetzt alle Linien aufführe, mit denen ich noch barfuß gefahren bin. Obwohl es anfangs alles andere als kalt war (erst nach Einbruch der Dunkelheit benötigte ich eine Jacke), war ich der einzige, der sich ohne Schuhe in Dresden aufhielt (die anderen Teilnehmer der Elbsandsteinwanderung und Martin aus Homburg waren ja noch nicht da). An einer Endhaltestelle (ich glaube es war im Osten, wo ich von der Linie 7 in die Linie 2 überwechselte, in der Nähe eines Einkaufszentrums, sah ich einen jungen Mann, der mit 7/8-Hosen und Flipflops unterwegs war. Ab und zu sah man einen Radfahrer in Velohosen, ansonsten überwog "echte" Winterkleidung. Bei der Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß mir auffiel, daß anders als in der Schweiz viel Radfahrer in der ehemaligen DDR keine Hosenklammern tragen, sondern zumindest kettenseitig die Hose aufkrempeln, manchmal auch beidseitig.

Einen barfüßigen Bummel durch die abendliche Altstadt ließ ich mir auch nicht nehmen. Böse Reaktionen gab es nicht, nur erstaunte Blicke, speziell von Kindern. Einer meinte, als ich auf der oberen Promenade ging: "So hoch steigt das Wasser doch nicht!" Irgendwie unwirklich: Man wandert auf der Promenade, und unter einem liegen die Dampfer vertäut, während die Anlegestege noch teilweise überflutet waren. Als ich gegen 22 Uhr über die Elbbrücke durch die Neustädter Hauptstraße zum Albertplatz ging, gab es lästernde Bemerkungen von Jugendlichen.

Der "Elfer" brachte mich zur Mordgrundbrücke und ich tastete mich in der Dunkelheit hoch zum "Hotel". Im Dunkeln ist es barfuß doch nicht so angenehm wegen der groben Steine unter dem Laub, die man nicht sieht. Ein vorsichtiger Blick in den Schuppen, er war frei und nicht von einem Penner oder einer Frau mit aufgedunsenem Gesicht besetzt. Hier breitete ich den Schlafsack aus. Der Untergrund war ziemlich hart und ruhig schlafen konnte ich auch nicht, aber besser als gar nichts. Hier war ich sicher vor Regen und Wind. Der Straßenverkehr (einschließlich Straßenbahn, die hier auch nachts fährt, wenn auch nur etwa einmal pro Stunde) störte mich nicht.

Fortsetzung folgt.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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