Barfuß beim Zofinger Fasnachtsumzug (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 06.03.2006, 12:24 (vor 6843 Tagen)

Sonntag, 5.3.2005: In der Nordschweiz hat es ein Schneechaos gegeben. In Zofingen waren seit Samstag die Schneeräumfahrzeuge pausenlos im Einsatz. Aber der Einsatz hat sich gelohnt. Am Sonntagmittag hörte der Schnee auf, die Sonne brach durch. Um 14.14 Uhr sollte der Fasnachtsumzug durch die Zofinger Altstadt stattfinden.

Sollte ich da barfuß hingehen? Sicher gehöre ich nicht zu den "Angsthasen", für die das Vorhandensein von Senkfüßen Grund ist, in der Öffentlichkeit aufs Barfußlaufen oder auf das Tragen von Flipflops zu verzichten. Oder für den Fall, daß Schnee den Weg zur Altstadt behindert? Oder wegen allfälliger Spießer, die nur darauf warten, andersdenkende anschwärzen zu "dürfen"? Nichts da! Schuhe bleiben zu Hause

In meiner Wohnstraße war die Fahrbahn soweit geräumt, daß der postgelbe Omnibus problemlos durchfahren konnte. 2 PKW wären aber nicht aneinander vorbei gekommen. Durch die Aktivität des Schneepfluges war quasi eine Schneise, begrenzt von einer ca. 50 cm hohen Schneemauer entstanden. Die Fahrbahn war feucht, aber in der Sonne angenehm barfuß zu begehen. Viele Autos waren aber nicht unterwegs, dafür umso mehr Familien mit kleinen Kindern. Letzteres starrten mich fassungslos an. Auf der nächsten größeren Straße war auch das Trottoir geräumt, zwischen Trottoir und Fahrbahn stand hier die Schneemauer. Dank dieser Mauer konnten vorbeifahrende Autos nicht erkennen, daß ich barfuß war. Jedoch starrten mich auch hier einige Leute in den Autos in meine Richtung. So hoch war die Mauer auch wieder nicht, so daß man vom Auto durchaus erkennen konnte, daß das Nichttragen einer Mütze nicht die einzige Abweichung von echter Winterkleidung war.

Ab und zu mußte ich durch Flotsch oder über vereiste Flächen, aber ich gelang ohne Schwierigkeiten in die Altstadt. Ab und zu gaben Leute Töne von sich, wie wenn sie ein Pferd zum Stillstand bringen wollten. Eine Frau fragte mich, ob das eine Kneipp-Kur wäre, was ich bejahte. Irgendwie ein außergewöhnliches Bild. Das Kopfsteinpflaster der Zofinger Altstadt war meistens feucht, jedoch lagen auch überall zusammengeschobene Schneehaufen, was die Kinder erfreute.

Noch war noch kein Start zum Umzug, aber es spielte bereits Guggemusik. Ein Sprecher wies darauf hin, daß man auf Dachlawinen aufpassen sollte. Ab und zu kam auch tatsächliche eine herunter. Ein Arbeitskollege begegnete mir mit den Worten. "Michael, das ist aber ungesund. Davon bekommt man Rheuma!" Hat der ne Ahnung! Dann öffnete sich ein Fenster der Gaststätte "Rebstock". Die Wirtin (sie kennt mich vom Ansehen, weil ich manches Mal mit Arbeitskollegen dort war) lehnte sich aus dem Fenster und fragte: "Ist jetzt schon Sommer?" Ich antwortete: "Nein, nur Frühling!" Sie wünschte mir noch eine schöne Fasnacht.

Pünktlich setzte sich der Zug in Bewegung. Besonders interessant fand ich den "Altstadtbus mit Kirchturm und Anhänger mit schiefer Ebene", auf der ein Mann mit Hut immer wieder "ausrutschte", während ständig Orgelmusik aus dem Wagen tönte. In der Galerie auf den Seiten 9 und 10 kann man auf den Bildern 175-180 diesen Wagen erkennen:

http://www.wiggertal.ch/index.cfm?dom=1&rub=1104&prub=1084&srv=gal&pg=list&galId=9032&start=49

Soweit es ging, nutzte ich zum Zuschauen Hausfassaden in der Sonne. Ein älterer Mann, der vorbei kam, sprach: "Hier kann es aushalten." Irgendwie habe ich den Eindruck, daß man auf der Fasnacht als Barfüßer weniger auffällt als bei gleicher Witterung an einem normalen Sonntag. Mit der Zeit gewöhnten sich meine Füße an die Umgebung, daß ich auch immer häufiger durch Schneehaufen ging. Kinder machten dann große Glotzaugen. Ein etwa zehnjähriges Mädchen fragte mich, warum ich das mache. Worauf ich antwortete, daß das gesund sei.

Mit Eiern wurde ich übrigens nicht beworfen. Ab und zu traf mich ein Schneeball an den Beinen, wobei ich mir aber nicht sicher war, ob er mir galt, oder ob er mich nur zufällig traf. Einige Kinder bewarfen sich nämlich gegensätzlich mit Schneebällen. Lustig fand ich auch das Verhalten eines Mädchens, das eine Tüte mit Konfetti dabei hatte und offensichtlich vor hatte, mich heimlich mit Papierschnitzeln zu überhäufen. Immer hielt es inne, wenn ich in seine Richtung blickte. Ich tat so, als würde ich ihr Spiel nicht durchschauen, blickte in eine andere Richtung, und prompt hatte ich eine Ladung Konfetti abbekommen.

Ich ging so ziemlich durch alle Altstadtstraßen, unter anderem um Fotos zu machen. Wann versinkt schon mal Zofingen im Schnee? Dabei "erwischte" mich auch meine Chefin, die mit ihrem Mann auf dem Weg zum Bahnhof war. Sie schien nicht überrascht zu sein. Auch die anwesenden Stadtpolizisten versuchten ausnahmsweise nicht, mir was anzuhängen. Feuchtes Konfetti auf Altstadtpflaster ist übrigens angenehm beim Barfußlaufen. Ulkigerweise bleibt es bevorzugt im Fersenbereich in Form eines Striches hängen. Wenn man mich von hinten sah, so hätte man annehmen können, ich trüge Sandalen mit Fersenriemen. Trotzdem kam ich mir dadurch nicht etwa "unecht barfuß" oder gar "unbarfuß" vor.

Gegen 17.30 Uhr spürte ich, daß es kühler wurde. Ein Thermometer zeigte noch -0°C an. Also drehte ich noch eine Runde durch die Stadt. Abermals begegnete ich meinem Arbeitskollegen, der sagte: "Du bist ja immer noch da." Auch die Frau, die mich vorher angesprochen hatte, meinte: "Sie halten es aber lange aus, machen Sie es öfter?" Dann erzählte ich ihr einiges, wann und wo ich barfuß laufe und wo nicht. Auch die Probleme mit der Polizei erwähnte ich nebenbei, worauf sie sagte: "Das geht doch die Polizei einen feuchten Kehricht an, ob Sie Schuhe tragen oder nicht."

Auch andere Leute dachten an Aufbruch, unter anderem eine Mutter mit ihrer Tochter, das ein Königin-Kostüm trug. Die Mutter sagte: "Gib mir den Stab. Und nimm die Krone ab." Das Mädchen tat es, wobei ich feststellte, daß es unter der Krone eine Mütze trug. Dann starrte es in meine Richtung. Die Mutter tat es auch und sprach: "Aber die Schuhe behältst du an." Aus einer Gaststätte am Bahnhof gab es ungläubige Blicke, ebenso von Anwohnern, die dabei waren, die Hofauffahrten zu säubern, und von Kindern, die Schlitten über die verschneiten Rasenflächen schoben.

Wie oft wurde in diesem Forum schon anderen Menschen "vorgeworfen", daß sie bei bestem Wetter sich winterlich kleiden, weil der Kalender ausschlaggebend für deren Kleidung ist? Diesmal war ich auch nicht besser. Es war fiel Schnee gefallen, aber ich war barfuß. Meine Kleidung märzmäßig, ich war also auch dem Kalender angepaßt. In Zukunft werde ich mich wohl mit dem Lästern über kalendermäßig gekleidete Menschen heraushalten müssen!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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