Barfuß "Hausfriedensbruch" in öffentlichen Verkehrsmitteln? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 21.12.2005, 16:28 (vor 6852 Tagen)

Ich möchte mich nicht in die Sache "Barfuß im Fitneßstudio" und "Vertragsbruch" einmischen. Dafür habe ich mir schon manches Mal Gedanken gemacht (und nicht nur im Zusammenhang mit barfuß), wie es in öffentlichen Verkehrsmitteln aussieht. An einfachen Haltestellen liest man häufig auf dem Fahrplan: "Es gelten die Beförderungsbedingungen". Woher soll der potentielle Fahrgast wissen, wie die Beförderungsbedingungen lauten, wenn sie nicht aufgehängt sind? Man hat also keine Möglichkeit, sich vor Ort zu orientieren, ob man auf die Bedingungen eingehen kann bzw. will oder nicht. Und wenn man den Bus- bzw. Straßenbahnfahrer um die Aushändigung eines Ausdrucks bittet, z. B. dieses der Stadtwerke Nordhausen

http://www.stadtwerke-nordhausen-gmbh.de/1_bahnen/bef_bestimmungen.htm,

dann wartet er sicher nicht, bis man alles durchgelesen hat. Kann man etwa von der Beförderung ausgeschlossen werden, weil man barfuß ist? Steht das in den Beförderungsbedingungen? Mit Sicherheit nicht, denn Barfüßer sind eine Minderheit, an die kaum einer denkt, der noch nie damit konfrontiert wird

Was steht geschrieben, wer von der Beförderung ausgeschlossen werden darf?

§ 3 Von der Beförderung ausgeschlossene Personen
(1) Personen, die eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Betriebes oder für die Fahrgäste darstellen, sind von der Beförderung ausgeschlossen.
Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, sind insbesondere ausgeschlossen
1. Personen, die unter dem Einfluß geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel stehen,
2. Personen mit ansteckenden Krankheiten,
3. Personen mit geladenen Schußwaffen, es sei denn, daß sie zum Führen von Schußwaffen berechtigt sind

Aha!
Zu 1: Barfußlaufen kann durchaus wie ein Rausch sein! Also kann man theoretisch ausgeschlossen werden?

Zu 2: Barfußlaufen kann SEHR ansteckend sein, aber eine Krankheit?

Zu 3: Fürs Barfußlaufen ist kein Waffenschein erforderlich, auch dann nicht, wenn man sich die Nägel längere Zeit nicht schneidet (Schuhe mit Pfennigabsätzen sind viel eher eine Waffe, aber (für Barfüßer wohl leider) auch nicht waffenscheinpflichtig. Offensichtlich rechnet man in Nordhausen mehr mit bewaffneten Fahrgästen als mit Barfüßer. Dieser Satz besagt aber auch, daß meine "Lieblingsfeinde" mit Pistole die Bahn benutzen dürfen.

Was steht weiter drin?

(1) Fahrgäste haben sich bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes, ihre eigene Sicherheit und Rücksicht auf andere Personen gebieten. Anweisungen des Betriebspersonals ist zu folgen.
Bei Streitigkeiten bleiben - vorbehaltlich späterer Beschwerden - die Anordnungen des Fahrers bindend. Fahrgäste, welche den Anordnungen des Fahrers nicht entsprechen, können von der Fahrt ausgeschlossen werden.

Na also! Man muß dem Fahrer gehorchen! Wenn er aus irgendwelchen Gründen keine Barfüßer mag, darf er sie von der Beförderung ausschließen! Beschweren darf man sich später! Die Gründe könnten die "eigene Sicherheit" sein (Verletzungsgefahr durch Scherben, Schuhe anderer Personen usw., aber dann wären Flipflops auch gefährlich), die "Rücksicht auf andere Personen" (andere Leute könnten sich am Anblick nackter Füße stören und deswegen dem Verkehrsunternehmen den Rücken kehren). Wenn also der Fahrer befiehlt, Schuhe anzuziehen, und man hat keine dabei, dann darf man nicht mitfahren.

Folgendes ist explizit untersagt, von barfuß kein Wort:

(2) Fahrgästen ist insbesondere untersagt,
1. sich mit dem Fahrzeugführer während der Fahrt zu unterhalten,
2. die Türen während der Fahrt eigenmächtig zu öffnen,
3. Gegenstände aus den Fahrzeugen zu werfen oder hinausragen zu lassen,
4. während der Fahrt auf- oder abzuspringen,
5. ein als besetzt bezeichnetes Fahrzeug zu betreten,
6. die Benutzbarkeit der Betriebseinrichtungen, der Durchgänge und der Ein- und Ausstiege durch sperrige Gegenstände zu beeinträchtigen,
7. in nicht hierfür besonders gekennzeichneten Fahrzeugen zu rauchen,
8. Tonwiedergabegeräte oder Tonrundfunkempfänger zu benutzen,
9. Speiseeis, Pommes Frites und dergleichen im Fahrzeug zu verzehren.

Und dann noch hier:

9) Sind bei Tätlichkeiten, Beleidigungen, Hausfriedensbruch, Beschädigung von Verkehrsmitteln und deren Einrichtung, bei Schäden, die durch die Beförderung von Sachen oder Tieren verursacht werden, bei der Einziehung von Fahrausweisen sowie bei der Ablehnung der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes oder von Reinigungskosten die Personalien eines Fahrgastes nicht glaubwürdig feststellbar, kann er zu diesem Zweck gemäß §§ 229 BGB bzw. 127 Abs. 1 und 3 StPO im Fahrzeug festgehalten oder veranlaßt werden, die nächste Polizeiwache aufzusuchen.

Auch das noch! Ist Barfußlaufen eine "Tätlichkeit". Kann es bereits als "Hausfriedensbruch" interpretiert werden, wenn man wagt, ein Verkehrsmittel barfuß zu betreten? Oder erst, wenn der Kontrolleur einen rausschmeißt?

Und wenn man bereits aus dem Automaten eine Fahrkarte gelöst hat und nicht mitfahren darf, was dann?

(6) Bei Ausschluß von der Beförderung besteht, ausgenommen § 3 Abs. 1 Satz 2, Nr. 2, kein Anspruch auf Erstattung des entrichteten Entgelts.

Das heißt also, daß man nur dann Anspruch auf Rückerstattung hat, wenn barfuß als "ansteckende Krankheit" angesehen wird.

Ich war noch nie in Nordhausen. Sollte es mich mal dorthin verschlagen, dann wäre es sicher interessant, barfuß die neuen Combino-Tramzüge zu benutzen, womöglich einen, der auch auf den nichtelektrifizierten der Harzer Schmalspurbahn. Da sollen mich die Beförderungsbedingungen nicht kratzen.

Bisher bin ich noch nie wegen barfuß von der Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgeschlossen worden. Allerdings ist es mir schon passiert, daß ich in Düsseldorf an der Stadtbahnstation Heinrich-Heine-Allee von Haltestellenpersonal in die Zentrale gebracht wurde und hinterher noch zur Polizei. Einen Tag später wurde ich in Karlsruhe von der Polizei aus der Straßenbahn geholt und zur Wache gefahren. In allen Fällen durfte ich nach dem Verhör aber die Verkehrsmittel weiter benutzen.

In beiden Fällen war meine Barfüßigkeit allerdings nicht der einzige Grund. Ich trug gleichzeitig kurze Hosen. Beides zusammen war wohl einigen doch zu viel!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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