Barfüßer an 1. Augustfeier auf dem Zofinger Heiternplatz (Hobby? Barfuß! 2)
Montag, 1.8.2005: Schweizer Nationalfeiertag, also arbeitsfrei, d.h. ein geschenkter Barfußtag! Gegen 8 Uhr verließ ich meine Wohnung mit dem Fahrrad und radelte in Richtung Boniswil. Am Aabach wollte ich baden (und tat es auch). Viele Badegäste waren an dem Tag nicht an diesem Platz, obwohl das Wetter wirklich nicht schlecht war. Daß hier Leute barfuß laufen, überrascht wohl nicht und wäre wohl kaum einen Eintrag hier im Forum wert. Unter anderem waren auch Tschechen an diesem Platz (sie sind häufiger da), darunter auch ein etwa 10-jähriges Mädchen. Daß es beim Federballspielen auf der Wiese Flipflops trug wegen der Bienen, überrascht wohl nicht. Daß es auch vom Lagerplatz zum Ufer nicht barfuß lief, ist wohl auch eine nicht ganz unübliche "Unsitte". Beim Einsteigen über die Treppe ins Wasser behielt es auch die Schuhe an, offensichtlich empfand es die glitschige Treppe als "ihhhhhhhhhh". Beim Schwimmen erwiesen sich die Flipflops als extrem unpraktisch, also wurden sie ans Ufer geworfen. Und beim Aussteigen mußte die Mutter die Schuhe wieder ins Wasser werfen, damit das Mädchen wieder hinaus konnte. So war es am Anfang. Später am Tag kam noch eine andere tschechische Familie hinzu, in der ein älteres Mädchen war. Als sie beide gemeinsam ins Wasser gingen, hatte das jüngere Mädchen den Ekel glatt überwunden und ging sogar barfuß vom Lagerplatz zum Ufer. Welch ein Fortschritt!
Am 1. August werden vielerorts Veranstaltungen abgehalten, so auch in Zofingen. Um 20.30 Uhr sollte es auf dem Heiternplatz beginnen. Da ich vorher nicht nach Hause fuhr, um mich umzuziehen, "mußte" ich mit der Kleidung vorlieb nehmen, in der ich morgens nach Boniswil gefahren war: T-Shirt, kurze Hose und selbstverständlich barfuß. Würde ich Schwierigkeiten bekommen, wenn ich mich so auch dem Lindengeviert hoch über der Stadt blicken lassen, während die Stadtmusik spielte, der Stadtammann und später ein Student eine Rede würden? Ich wollte es wissen. Vor einem Gebäude schloß ich mein Velo an und schritt barfuß die Treppe hoch zum Rasenplatz. Dort stand das noch leere Rednerpult, dort standen Bänke der Festwirtschaft. Da ich zeitig da war, hatte ich noch die Möglichkeit, über den Platz zu gehen. Ich war tatsächlich nicht der einzige Barfüßer. Etwa 5 Kinder spielten barfuß mit einem Hund, in deren Nähe spielten 2 Erwachsene barfuß Frisbee, und 30 Meter davon entfernt saß ein junger Mann barfuß auf einer Decke. Daß die erwähnten Personen alle zusammen gehörten, habe ich erst später erfahren. Unabhängig davon kam eine Familie über den Rasen, Mutter in Flipflops, 2 Söhne mit Turnschuhen und Socken, während der Vater und die Tochter die Schuhe in der Hand trugen. Sie kamen aus Richtung Parkplatz und gingen in Richtung Rand des Platzes, um dann in Richtung Festwirtschaft zu gehen. Als ich etwa 5 Minuten später in die Richtung blickte sah ich, wie beide plötzlich beschuht waren. Lag es daran, daß sie dort Glas vermuteten? Oder war denen dort der Boden weniger angenehm (kaum Gras, mehr nackter Boden)? Dann sah ich, daß sich in der Nähe dieser Familie zwei Beamte der Stadtpolizei befanden. Da die Polizisten keine Mütze trugen (pfui), fielen sie nicht einmal auf. Aber bewaffnet waren sie. Und Schuhe trugen sie auch. Hatten die Beamten die Familie gezwungen, Schuhe anzuziehen? Oder haben sie aus Angst die Schuhe angezogen, damit die "Bullen" sie beim Barfußlaufen nicht erwischen?
Der Stadtammann betrat das Rednerpult! Er war fett beschuht (kein Wunder bei der Polizeipräsenz!) und redete unter anderem übers Wetter. Dann sprach ein in Zofingen wohnender 25-jähriger Student. Barfuß war zwar kein Thema, aber immerhin das Land der "unbegrenzten Barfußfeinde", Amerika. Gelächter ertönte, wie er erzählte, das er in den USA war und von einem US-Bürger gefragt wurde, wie lange er MIT DER BAHN aus der Schweiz gebraucht hätte. So sind halt die Amis, unwissend für viele Dinge. In Hamburg weiß doch jedes Kind, daß "zwischen Altona und Bartavia kein Autobus und keine Bahn fährt, sondern der große Ozean liegt". Aber für US-Bürger scheint es wohl möglich zu sein, mit der Bahn aus der Schweiz anzureisen. Mit Eisenbahn? Mit der Straßenbahn? Mit der Zahnradbahn? Mit der Standseilbahn? Alles egal, aber ja nicht barfuß!
Während Stadtammann bzw. Student redeten, schritten die beiden "Stadtbullen" (nicht gemeinsam) über den Platz. Obwohl der Bürgermeister gleich am Anfang gebeten hatte, während der Rede kein Feuerwerk anzuzünden und ruhig zu bleiben, bemühten sich die Polizisten nicht, fehlbare Lärmmacher zur Ruhe aufzufordern, was eigentlich ihre Aufgabe war. Um diese Personen machten sie einen weiten Bogen, wie auch bei anderen Personen. Dort, wo ich auf dem Rasen saß, kamen sie jedoch immer haarscharf an mir vorbei, immer schätzungsweise 1 Meter hinter mir (ich drehte mich nicht um, das wäre verdächtig). Wieso gingen die Idioten so dicht an mir vorbei. Wollten sie mich vom Platz entfernen, konnten es aber nicht, weil ich nicht der einzige Barfüßer auf dem Platz war (Ich dachte ans Winterbarfußtreffen in Düsseldorf, dort war ich nicht der einzige Barfüßer und nicht der einzige in kurzen Hosen, aber der einzige der beides gleichzeitig war. War das vielleicht auch hier der Fall? Vielleicht! Alle anderen Barfüßer, die ich auf dem Platz sah, trugen lange oder zumindest 7/8-Hosen. Es waren vielleicht fünfmal soviel Barfüßer auf dem Heiternplatz als in Düsseldorf, aber deutlich mehr kurz behoste Schuhträger. Und wesentlich mehr Leute in Flipflops oder Sandalen ohne Socken. Oder wollten die Beamten durch ihr Verhalten mich dazu reizen, daß ich sie anpöbele, damit sie nun einen Grund hatten, mich nach Königsfelden zu schicken. Das Gesicht des einen Beamten kam mir bekannt vor, sicher hat er mich auch wieder erkannt. Als die Reden vorbei waren, begaben sich auch die Beamten in Richtung Festwirtschaft.
Dann wurde ein riesiger Holzhaufen angezündet, ebenso wurden von vielen Besuchern Raketen usw. gezündet. Auch hatte man einen Ausblick auf die Stadt Zofingen, auf Strengelbach, Brittnau, Aarburg. Überall schossen Raketen in den Himmel. Die Kinder, die vorher barfuß waren, waren es immer noch, als sie zum Feuer rannten oder Feuerwerk zündeten. Plötzlich trugen aber auch sie Schuhe ebenso wie deren erwachsene Begleiter. War es denen zu kalt geworden? Oder lag es daran, daß sie nur damit beschäftigt waren, Knallerbsen auf dem Asphaltweg zu werfen? Nicht alle Erbsen zündeten, sie knallten erst, wenn einige Leute mit den Schuhen darauf traten, Auch die Kinder trampelten nun wie wild auf den Weg, um den Iodstickstoff zur Explosion zu bringen. Bei der Gelegenheit möchte ich sagen, daß ich nicht mit meinen nackten Füßen bewußt über den Weg latschte, weil mich das Gefühl von explodierendem Iodstickstoff kennen lernen wollte. Andererseits machte ich aber keinen Umweg, als ich den Weg überqueren mußte. Und nichts explodierte!
Gegen 23.30 Uhr erhob ich mich vom Platz. Ich genoß noch mal das feuchte Gras unter meinen nackten Füßen, in der Nähe des fast erloschenen Feuers waren nicht mehr viele Menschen. Dann kam ich in die Dunkelheit, trat ab und zu über eine ausgebrannte Rakete, aber nie über Glas. Dann stieg ich über die Böschung empor zum Platz, überquerte ihn und ging zum Gebäude, vor dem mein Fahrrad stand. Gerade hier lungerten auch diejenigen Jugendlichen, die schon einiges an Alkohol intus hatten. Selbstverständlich lästerten sie über meine Barfüßigkeit etwa mit den Worten: "Der schwule Siech hat nicht mal Schuhe, wieso haben den die Bullen denn nicht mitgenommen?" Derartige Bemerkungen pflege ich zu überhören, Diskussionen mit besoffenen Jugendlichen bringen gar nichts. Und falls tatsächlich die Polizei einschreiten sollte, dann würde sie auf Seiten der Jugendlichen stehen. Denn im Grunde genommen haben Jugendliche und Polizisten einiges gemeinsam: Sie mögen keine Barfüßer, sie mögen keine Leute in kurzen Hosen, sie mögen keine Leute mit dunkler Haut, sie mögen keine Ausländer, sie mögen keine Homosexuellen, sie mögen keine Juden und Muslime. So viele Gemeinsamkeiten, auch wenn deren Ursachen grundverschieden sind
Es war schwierig, mein Fahrrad zu finden, es stand im Schatten eines Baumes während ein Scheinwerfer blendete. Das barfüßige Radfahren war für mich kein Problem, meistens ging es bergab. Zu Hause angekommen, ging ich erst einmal in die Badewanne. Dabei stellte ich fest, daß die schwarzen Spuren, die offensichtlich vom Treten auf Raketenreste herrührten, die Badewanne überlebten. Stört mich aber nicht weiter. Wenn ich barfuß bin, ist es egal. und wenn ich etwa am Arbeitsplatz Schuhe tragen muß, sieht das keiner.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen