Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 12:50 (vor 7222 Tagen)

Am 9.12.2004, also unmittelbar vor dem Barfußtreffen in Düsseldorf, erzielt ich von der Abteilung "Soziale Dienste Zofingen" folgenden Text (Namen usw. lasse ich aus):

"Verhalten in der Öffentlichkeit:
Wir haben erfahren, daß Sie jeweils nur mit einer Turnhose und einem ärmellosen Unterleibchen bekleidet (Sommer und Winter) angetroffen werden.
Wir kennen Ihre Motivation hierfür nicht, stehen aber bei allfälligen persönlichen oder finanziellen Schwierigkeiten gerne zur Verfügung."

Zu diesem Schrieb, der einmal nicht richtig zutrifft, zum anderen nicht alles wiedergibt, jedoch auch nicht völlig aus der Luft gegriffen ist antwortete ich per Mail:

"Sehr geehrter...,

ich habe Ihr Schreiben erhalten, zu dem ich nun Stellung nehmen möchte. Es ist wahr, daß ich in meiner Freizeit in der Regel "nicht übermäßig winterlich" bekleidet bin. Am Arbeitsplatz (ich bin seit 1.2.1989 Entwicklungschemiker bei ...) trage ich selbstverständlich etwas anderes, nämlich Krawatte und lange Hosen. Aber auch während der Freizeit trage ich im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kein ärmelloses Unterleibchen, sondern eine Jacke. Kurze Hosen sind bei der Temperatur durchaus im Rahmen des möglichen. In der von Ihnen erwähnten Kleidung war ich zuletzt im Oktober unterwegs, was in meinen Augen noch kein Winter ist. Bei der Gelegenheit möchte ich noch mitteilen, daß ich auch gelegentlich ohne Schuhe unterwegs bin. Meines Erachtens gibt es zumindest in der Schweiz keine Gesetze, die das Barfußlaufen und das Tragen kurzer Hosen in irgendeiner Form verbieten. Das zählt weder als "Erregung öffentlichen Ärgernisses", noch als Ordnungswidrigkeit. Oder ist so etwas oberhalb einer bestimmten Temperaturgrenze erlaubt und unterhalb verboten?

Haben Sie die Information von der Polizei erhalten? Im Oktober wurde ich tatsächlich während einer Wanderung (Safenwil, Aarau, Olten, Aarburg) in der von Ihnen erwähnten Kleidung "erwischt", und zwar gleich zweimal (in Obergösgen und Zofingen). Ende November wurde ich in Dagmersellen erwischt, allerdings in etwas wärmerer Kleidung. Oder wurden Ihnen Mitteilungen von Privatpersonen zugespielt? Vermutlich sind Sie dazu verpflichtet, mir die Namen der Denunzianten nicht zu nennen, aber trotzdem würde mich interessieren, aus welchem Personenkreis diese Leute stammen. Würde es sich um Leute handeln, die mich nicht persönlich kennen, sondern mich nur gesehen hätten, dann hätten Sie auch nicht gewußt, um welche es sich bei der Angelegenheit handelt. Oder handelt es sich um Nachbarn? Oder handelt es sich sogar um (ehemalige) Arbeitskollegen? Welchen Grund hätten sie denn, mich anzuzeigen?

Der Beruf eines Chemikers bei ... wird so gut bezahlt, daß die Anschaffung von Kleidung nicht im Bereich des Unmöglichen liegt. Und da ich von der Personalabbauwelle bei .... (noch) nicht betroffen bin, liegt auch noch kein Grund vor, für den "Ernstfall" zu üben. Ich gehe einmal davon aus, daß die Art der Freizeitkleidung kein Kündigungsgrund ist, solange man bei der Arbeit "ordentlich" gekleidet ist und seine Arbeit zur Zufriedenheit des Arbeitgebers verrichtet. Oder täusche ich mich da?

Sicher sind die verschiedenen behördlichen Abteilungen innerhalb der Stadt Zofingen vernetzt. Ein Blick in meine "Steuerakten" hätte Sie sicher auch überzeugt, daß hohe Schulden kein Grund für meine "ärmliche" Kleidung sein kann, im Gegenteil: Der Posten "Schulden" ist leer, während der Posten "Vermögen" zwar Peanuts gegenüber ist gegenüber dem, was ein Bill Gates, ein Christoph Blocher oder ein Martin Ebner aufzuweisen hat, aber trotzdem nicht absolut vernachlässigbar ist.

Finanzielle Schwierigkeiten habe ich also nicht. Und persönliche? Etwa, weil ich immer noch unverheiratet bin? Nein, für mich gilt "Entweder man ist ledig - oder erledigt!" Oder weil meine Eltern mich immer noch nicht in Ruhe lassen, obwohl ich mittlerweile 48 Jahre alt bin? Meine Eltern (normalerweise wohnen sie im Raum Hamburg) besitzen nämlich die Unverfrorenheit, mich jeden Sommer für fast 3 Wochen in Zofingen zu besuchen. Es ist nicht möglich, sie mit "guten Worten" beizubringen, daß mir ihr Aufenthalt in meiner Wohnung auf die Nerven geht, da ich mich in ihrer Gegenwart eingeengt fühle? Wohl kaum!

Warum ich überhaupt das mache? Es hat gesundheitliche Gründe. Erkältungen haben bei mir Seltenheitswert. Seitdem ich auch häufiger barfuß laufe, haben sich Knie- und Rückenprobleme deutlich verbessert. Andere Leute, die in überheizten Wohnungen leben und bereits im September bei 20°C mit dicken Jacken und fetten Stiefeln unterwegs sind, leiden ständig unter Erkältungen und verursachen unnötige Kosten durch Abwesenheit am Arbeitsplatz und sind dafür verantwortlich, daß die Krankenkassenkosten ins Unermeßliche steigen, aber auch AHV, IV und die Pensionskassen werden durch verantwortungslose und ungesunde Lebensweise unnötig geschröpft. Schuld sind auch die Eltern, die unwissentlich (sie meinen es ja nur gut) ihre Kinder viel zu dick einhüllen. Diese Kinder werden derart verweichlicht, daß sie kaum bis Erreichen des Pensionsalters arbeitsfähig bleiben.

Bei der Gelegenheit möchte ich noch erwähnen, daß auch die Stadt Zofingen etwas für die Gesundheit der Bewohner tun kann (vermutlich sind Sie nicht der richtige Ansprechpartner): Mit welcher Begründung wurde beim Kinderspielplatz am Trottenweiher ausgerechnet dieser fiese Bruchschotter als Untergrund verwendet? Da Barfußlaufen gesund ist und Kinder das auch normalerweise gerne tun, warum werden sie durch Verwendung dieses unangenehmen Untergrundes daran gehindert? Besorgte Eltern werden ihre Kinder zum Tragen von Schuhen zwingen, weil sie Angst haben, die Kinder könnten sich daran verletzen, was in diesem Fall sogar berechtigt ist. Übrigens: Nicht nur Kinder laufen gerne barfuß, auch viele Erwachsene würden es gerne machen, sie trauen sich nur nicht, weil man "so was nicht tut".

Jetzt bin ich aber etwas zu weit ausgeschweift, da das mit Ihrer Tätigkeit überhaupt nichts mehr zu tun hat. Oder vielleicht indirekt? Gesunde und zufriedene Bürger haben weniger Laster, und somit haben Sie auch weniger Arbeit und Ärger damit."

Daraufhin rief der zuständige Beamte mich im Büro an und erklärte, daß ich wirklich nichts verbotenes mache. Auch hätte er von der STADTPOLIZEI Zofingen davon erfahren. Dabei wurde ich bisher in der Schweiz nur von der Kantonspolizei kontrolliert, nie von der Zofinger Stadtpolizei. Entweder stehen die verschiedenen Polizeiorganisationen miteinander in Verbindung oder aber ein Mensch, der mich persönlich kennt, hat mich angezeigt.

Auch heute scheint bei vielen Leuten Barfüßigkeit und/oder leichte Kleidung noch gleichbedeutend mit Armut zu sein!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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