Erfolglose Jagd (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 29.11.2004, 16:13 (vor 7243 Tagen)

Nachdem am Samstag die "gnadenlose Jagd auf arme Barfüßer" weitestgehend unbeschadet überstanden hatte, wollte ich den "Jägern" auch am Sonntag (29.11.04) eine faire Chance geben. Gegen 8 Uhr, diesmal aber bei Hochnebel und 2°C und bei weitgehend trockenen Straßen zottelte ich los. Der rauhe Asphalt schmerzte, jede scheinbar angenehmere Stelle nutzte ich aus. Eine gutgekleidete Frau Mitte 30 kam mir zu Fuß entgegen und grüßte freundlich. Sie betrat dann auf ein Kirchengrundstück. Aber es handelte sich nicht um eine "normale" Kirche, sondern um ein evangelische Freikirche. In diesen Kirchen ist man gegenüber andersgekleideten toleranter als in katholischen. Weniger freundlich schauten mich dagegen entgegenkommende oder mich überholende Autofahrer an. Irgendwann verrenkt sich noch mal einer dieser Autofahrer beim Umschauen den Kopf und muß deswegen in ärztliche Behandlung - und ich muß die Arztrechnung bezahlen!

Als ich einen Bahnübergang erreichte, gingen die Schranken runter. Ich war froh, daß ich nun den angenehm barfuß begehbaren Fußgängertunnel benutzen "durfte" statt die Gleise direkt auf der neben der Straße zu passieren (dort liegt ziemlich viel unschönes Zeug). Die Zofinger Altstadt war ziemlich, die ziemlich breiten Bordsteine konnte ich nun als "Rennstrecke" benutzen. So erwärmten sich meine Füße, sie wurden schmerzunempfindlicher. Auch auf dem Kopfsteinpflaster kam ich gut voran. Hinter der Stadt folgte eine Wiese mit einer lehmigen Spur, auf der ich beinahe ausgerutscht wäre. Es folgte ein geschotterter Waldweg bergauf, ich benutzte aber das nasse Laub daneben, spürte jedoch jede Buchecker und jedes Hölzchen. Dann ein paar Straßen durch Küngoldingen, wo ich angestarrt wurde. Wieder ein Wald, dann ein Stück Straße, wieder Wald. Angenehm war der Weg entlang des Tannbachgrabens und über eine Wiese nach Bad Lauterbach. Ein alter Mann fragte: "Ist das nicht zu kalt?"

Dann folgte ein steiler Weg auf den Engelberg, stark belaubt, aber unter dem Laub lagen Felsbrocken, so daß ich aufpassen mußte. Ich erreichte die Untergrenze des Hochnebels. Würde die Spitze des Engelberges in der Sonne oberhalb des Nebels liegen? Meine Hoffnung erfüllte sich nicht, von Sonne keine Spur, die reinste Waschküche. Nichts Sonne im T-Shirt genießen wie am Vortag. Die Jacke würde ich wohl den ganzen Tag tragen müssen. Auf der Straße, die über den Berg führt, kam ein Auto angekrochen. Der Fahrer hielt an, fragte, ob ich was vergessen hätte, was ich verneinte. Dann sagte er zu seiner Frau: "Schau mal, der läuft barfuß, schau mal, schau mal!" Der Abstieg vom Berg war ähnlich mühsam, ich wollte unter keinen Umständen auf dem Lehm ausrutschen. Ich erreichte das Dorf Dulliken, überall Leute, die ihren Augen nicht trauten. Ich überschritt die Aarebrücke, um dann dem Wanderweg nach Olten zu folgen.

Zuerst einmal hatte ich Hunger und setzte mich auf einen Stein direkt am Aareufer. Die Sonne zeigte sich für etwa 30 Minuten als milchige Scheibe hinter den Wolken mehr tat sich nicht, es wurde sogar etwas windiger. Am anderen Ufer sah ich, wie ein Polizeifahrzeug näher kam, dann aber wendete und zurückfuhr. Vermutlich war ich wieder irgendwelchen bösen Zeitgenossen begegnet, denen Barfüßer ein Dorn im Auge sind und die dann die Polizei gerufen haben. Haben die Beamten mich überhaupt mitbekommen. Wenn ja, dann müßten sie ebenfalls über die Aare fahren, dann ein Stück weiter. Die letzten 300 Meter müßten sie aber zu Fußgehen, da ein Auto zu breit ist für den Weg. Es passierte nichts. Vermutlich suchten sie mich ganz woanders weiter. Aber sie fanden mich nicht, für den Rest des Tages. Die hätte ich also angeschissen, hä, hä, hä, hä, hä!

Als ich mich wieder auf den Weg machte, war eine alte Frau mit Hund unterwegs. Erst sagte sie: "Oh!" Als der kleine Hund mich erst beschnüffelte und dann noch an meinen Beinen aufbäumte, rief sie: "Nein, das gibt Kratzer!" Es gab keine Kratzer, der Hund kläffte nur, als ich weiterging. Bis zum Winznauer Stauwehr konnte ich meistens Wiesen oder Trampelpfade durch den Schachen benutzen. Die kleinen Brennnesseln vermochten es nicht, die Fußsohle zu durchdringen. Trotzdem bekam ich einige Stiche ab an der Fußoberseite. Unüblicherweise überquerte ich aber nicht das wehr, sondern ich folgte dem Weg am Oberwasserkanal, bis ich eine Verkehrsstraße erreichte. Einige Kinder spielten vor den Häusern der Siedlung an der "Rangwog", auch hier wieder große Glotzaugen. Ich bog in eine Seitenstraße ein, konnte aber statt des rauhen Asphalts eine Grasfläche hinter einem Jägerzaun benutzen. Daß dadurch weniger Autofahrer meine nackten Füße registrierten, war zwar nicht beabsichtigt, aber ich habe es halt auch nicht nötig, dem allerletzten Trottel auf meine Barfüßigkeit hinzuweisen. Ich bin doch kein Missionar.

Ich erreichte die Stadt Olten, wo das Altstadtpflaster eine Wohltat für meine geplagten Füße war. Für die meisten der Spaziergänger war mein Anblick dagegen keine Wohltat. Eine alte Frau meinte, als ich die gedeckte Holzbrücke überquerte: "Der arme!" Ich Gegensatz zu den Altstadtsteinen und den Brückenplanken hatte ich das Mitleid nicht nötig. Es folgte ein Weg aus rauhem Asphalt parallel zur Aare, teilweise benutzte ich aber der Seitenrand. Dann die Stadt Aarburg, erstaunte Gesichter. Im Abstand von 5 Minuten hielten 2 Autos an. Im ersten Fall fragte ein Mann, ob er mir mit Schuhen aushelfen konnte, was ich "selbstverständlich" ablehnte. Dann fragte eine Frau ob sie mir helfen könne. Als ich auch dieses verneinte, sagte sie: "Wirklich? Sie haben ja keine Hose an und keine Schuhe!" Dabei stimmte ersteres nicht einmal. Kopfschüttelnd fuhr sie weiter. Ich ging weiter, näherte mich 3 Kindern, die die selbe Richtung gingen. Das kleinste Mädchen sah sich um, Getuschel, dann liefen sie etwa 100 Meter und gingen normal weiter, bis ich mich wieder bis auf 20 Meter genähert hatte. Das ging so weiter, bis sich unsere Wege trennten.

Durch das Zofinger Industriequartier (hier lag teilweise Splitt auf dem Asphalt, den ich bei hereinbrechender Dunkelheit nicht mehr optisch wahrnehmen konnte, dafür umso krasser mit den Füßen) gelangte ich schließlich in die Altstadt. Es war 1. Adventsonntag, vor dem "Löwentor" standen zwei beleuchtete Tannen, die den Besucher der Stadt, also auch mich, willkommen hießen. Relativ viele Fußgänger waren in der Stadt, außer mir waren alle fett beschuht, obwohl doch +4°C eine Temperatur ist, bei der Barfußlaufen nicht im Bereich des Unmöglichen liegt. Böse Bemerkungen gab es diesmal nicht, nur erstaunte Blicke, wie üblich. Als ich zu Hause ankam, war ich 9,5 Stunden unterwegs gewesen, genauso lange wie am Vortag. Bin ich nun "düsseldorftauglich"? Falls in knapp 2 Wochen das Wetter ähnlich ausfallen sollte, dann habe ich keine Befürchtungen. Bei tieferen Temperaturen und Schneegestöber? Wer weiß!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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