Kleidung im Winter (Hobby? Barfuß! 2)

Bernhard ⌂ @, Thursday, 18.11.2004, 09:14 (vor 7254 Tagen) @ Markus U.

Hallo Markus,

deine Kritik habe ich gerne gelesen und kann damit ohne Probleme umgehen. Ich bin ja am Austausch interessiert, sonst hätte ich mich hier nicht eingeklinkt.

Es hat mich schon beim ersten Herumlesen hier im Forum vor einigen Wochen gewundert, dass das Thema "blöde Blicke/Glotzaugen" so häufig zwischen euch auftaucht. Entweder ist mein Selbstbewusstsein da anders gelagert, oder mein Umfeld ein anderes, oder meine innere Einstellung und damit verbunden auch meine Außenwirkung ist nicht der Norm entsprechend oder es ist etwas, worauf ich jetzt nicht komme. Jedenfalls mache ich mir keine großen Sorgen um die Blicke der anderen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich öffentliche Auftritte gewohnt bin und mit so komischen Sachen (siehe meine Homepage) mein Geld verdiene, bei denen ich naturgemäß die Blicke auf mich ziehe. Ich habe jedenfalls im Laufe der Jahre immer mehr zu mir selber gefunden und stelle fest, dass mein Problem, mich äußerlich anders als die Norm zu verhalten, gering ist.
Über Konventionen müssen wir dabei nicht reden. Es gibt Orte, an denen ich nicht auf Schuhe verzichten würde, weil ich damit andere kompromittieren würde, oder auch mir selber schade. Aber du schreibst von dir, dass du ein Freizeitbarfüßer bist. Da wundert es mich schon, dass du nur so genannte sportliche Kleidung für "Barfuß kompatibel" hälst. Meine Freizeit besteht aus erheblich mehr, als Momenten, in denen der Fleecepullover passend ist. Und ich finde mich überhaupt nicht unpassend angezogen, außer dass meine Schuhe ausgezogen sind. Aber genau das wollen wir hier ja alle ganz bewusst so. Damit verhalte ich mich nun einmal gegen die Norm und es scheint mir schlecht investierte Energie zu sein, Gedanken darauf zu verwenden, wie ich mich innerhalb dieses Normbruchs wieder möglichst weit einnormiere. Ich lasse da, letztlich nicht anders als du, mein Gefühl entscheiden und das sagt, dass es keineswegs komisch ist, wohl aber für manch einen komisch aussieht. Das liegt aber nicht an Schal, Handschuhen und Stirnband, sondern daran, dass um mich herum kein anderer Mensch barfuss über den Raureif läuft. Das ist in sich ein so kolossaler Normbruch, dass ich niemandem seine "Glotzaugen" vorwerfen kann. Wie ich diese Blicke dann interpretiere, dass liegt allerdings ganz bei mir selber. Mir tut es gut, erstmal unvoreingenommen positiv zu interpretieren und ich glaube, dass nimmt den auftretenden Situationen von vorn herein ein gehöriges Maß an Problemen.

Diese Kleidung sieht meiner Meinung nach "barfußkompatibel" aus, während Wintermantel, Schal und Handschuhe zu barfuß wirken, wie es umgekehrt im Sommer mit fetten Winterstiefeln zu kurzen Hosen oder leichten Sommerkleidern wäre, nämlich total komisch und stilbrüchig, wobei der Stilbruch absichtlich grotesk übertrieben "rüberkommt"!

Nein, Markus, das trifft auf mich ganz gewiss nicht zu. Ich will keineswegs provozieren oder grotesk erscheinen. Ich will einfach nur die Schuhe nicht anziehen und da kann ich machen was ich will. Wenn so ein nasskaltes Wetter wie heute ist, dann stoße ich damit meine Umwelt vor den Kopf - und zwar fast jeden! Aber das brauche ich euch ja kaum noch zu erzählen. Ich will mich nicht zum Clown machen, das mache ich schließlich schon beruflich ;-)). Ich will ernst genommen werden und meine Geisthaltung drückt das aus. Dafür muss sich allerdings mein Kommunikationspartner über seine Glotzaugen hinaus auf ein Gespräch mit mir einlassen. Und einen Gesprächsanlass hat man ja aus der Situation heraus sofort.

Im Winter kann es einem sowieso öfter als im Sommer passieren, daß man angequatscht wird (ein allfälliges Risiko, das durch eine "stimmige" Bekleidung und angemessenes Verhalten sehr vermindert wird), aber durch eine Beklaidung wie die von Dir beschriebene zieht man ja verwunderte Blikke und derbe Sprüche geradezu bewußt auf sich!

Angemessenes Verhalten ja! Unbedingt!
Stimmige Kleidung .... hmmmm wie soll das gehen....? Kommt wir ein wenig vor, wie jemand, der aus Überzeugung nackt auf die Straße geht und nun die passende Sonnenbrille aussucht. Aber ich will nicht polemisch werden, Markus. Deshalb gehe ich noch ein wenig in die Tiefe.

Derbe Sprüche habe ich bisher noch keinen einzigen gehört. Ich bin allerdings relativ Spruch resistent. Vielleicht hört sich in meinen Ohren manch ein Spruch positiver an, als in deinen. Von einem Risiko, mich einem Spruch auszusetzen, würde ich allerdings nie sprechen. Eher von der Chance, die darin liegt. Ich habe früher immer die Raucher beneidet. Nicht um die Lunge, sondern um den Gesrpächsanlass. "Hast du mal Feuer?" war bestimmt schon in ungezählten Fällen der Beginn wunderbarer Gespräche, zu denen es ohne das Rauchen nicht gekommen wäre.
Es ist meine grundsätzliche Art, Leuten, die mich ansprechen, offen und mit der Grundeinstellung zu begegnen, dass die mir nichts Schlechtes wollen. Zu dem habe ich einige Übung darin, Dinge anders zu machen, als es die Allgemeinheit tut. Meinen Beruf habe ich ja schon erwähnt. Dann bin ich Vater von 5 Töchtern. Was meinst du, wie oft ich schon gefragt wurde, ob ich nun so lange weiter machen wolle, bis endlich ein Sohn da sei. Eine total bescheuerte Frage in meinen Ohren, aber sie scheint förmlich in der Luft zu liegen, so wie die Fragen, die sicher alle hier bezüglich des Barfusslaufens schon zig mal gehört haben. Ich entscheide je nach Gesprächspartner, ob ich einen Spruch zurück schicke, oder ob ich ernsthaft von meinen wunderbaren Töchtern erzähle.
Meine Jüngste ist übrigens 5 Monate alt. Seit sie 8 Wochen ist und es aus orthopädischer Sicht grünes Licht gibt, trage ich sie vor dem Bauch mit mir herum. Was meinst du, wie das unter einer Regenjacke aussieht? Und was glaubst du, wie oft ich schon gefragt wurde, ob das Kind denn da unten nicht ersticken würde. Manchmal sage ich "...die anderen 4 leben jedenfalls noch...", manchmal ergreife ich die Chance des Gesprächsanlasses. Mein Gang mit Kind vor dem Bauch sieht übrigens auch komisch aus. Das Hohlkreuz lässt grüßen. Sieht halt aus wie schwanger, nur dass ich ein Mann bin, 190cm groß und eine Geisthaltung vor mir her trage, die offenbar nicht den schrägen Vogel erkennen lässt. Das alleine gibt manchem schon zu knacken. Na ja, und dann geht der Kerl halt noch ohne Schuhe über frostige Wiesen. Das fällt dann vielleicht nicht mehr so ins Gewicht.
Übrigens fahre ich auch mit Kinder vor dem Bauch mit dem Fahrrad. Das machen auch nicht viele. Ehrlich gesagt kenne ich keinen. Und selbst die, die es wissen, fragen immer wieder ungläubig nach, ob ich meine Tochter da unter der Jacke habe. Heute z.B. 13km reine Nutzstrecke durch strömenden Regen. Ach ja, Regenkleidung ist schon ganz lange kein Thema mehr für mich. Das ist eines der vielen alten Vorurteile, die ich für mich abgebaut habe. Ich dachte auch lange Zeit, dass sei schrecklich, im Ganzkörper-Regenanzug Fahrrad zu fahren. Ist aber alles nur eine Frage des Gesamtaufbaus der Kleidung, Stichwort Zwiebel. Aber jetzt werde ich off topic.

Ich werde mal zu dem Thema einen Thread im Stammtischforum eröffnen. Ein ganz entscheidender Grund, warum ich zum Barfusslaufen gekommen bin liegt nämlich darin, dass ich schon immer von Querdenkern angezogen war. Inzwischen entdecke ich aber immer mehr, dass mich die "Querhandler" noch mehr begeistern. Keine Revoluzzer oder Provokanten und schon überhaupt nicht Trendsetter, sondern Menschen, die einfach Dinge aus Überzeugung anders machen. Aus Überzeugung, weil sie z.B. meinen, dass ein Schuh dem Fuss viel mehr Schaden zufügen kann, als Barfusslaufen. Na und da treffen wir uns dann ja wieder, oder?

P. S. Tut mir leid, daß meine Reaktion auf Deinen ersten Beitrag gleich so viel Kritik enthält, ist aber überhaupt nicht böse gemeint und absolut aufrichtig!

Du siehst, deine Kritik regt mich nicht auf, sondern nur an. Freue mich schon auf weitere Antworten. Aber bevor wir hier in die Tiefe gehen, sollten wir vielleicht ins Stammtischforum wechseln?

Viele Grüße,

Bernhard

[image] http://www.bernhardheitsch.de


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