Abschied von Köln (Hobby? Barfuß! 2)

Andi35 @, Stammposter, Wednesday, 03.11.2004, 12:33 (vor 7269 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael! ;-)

Montag, 1.11.2004, Allerheiligen. In der katholischen Hochburg Köln selbstverständlich ein arbeitsfreier Tag. Die zweite Nacht, in der mir der Himmel von Köln ein Dach über dem Kopf bot, war auch vorüber. Eine Straßenbahn verließ gerade die nahe Haltestelle "Stüttgenhof". Aber ich hatte genug von Trambahnen, ich wollte die gesamte Strecke zum Hauptbahnhof auf "Schusters nicht vorhandenen Rappen" zurücklegen, bevor mich der Intercity in meine Wahlheimat bringen würde. Es war kälter als am Morgen zuvor, das nasse Gras empfand ich fast schon als unangenehm unter den nackten Füßen. Weder im Wald, noch im Kölner Stadtteils Lindenthal waren viele Leute unterwegs. Ich erreichte die Grünanlage an der Universitätsstraße. Auf dem Stadtplan kann man erkennen, daß dieser Grüngürtel fast die Stadt umschließt, es handelt sich wohl um die ehemaligen Festungsanlagen der Stadt. Auch die Bahn benutzt diesen Ring, jedoch nicht die "Gürtelbahn" (die Linie 13 liegt weiter außen), sondern die "richtige" Eisenbahn folgt vom Hauptbahnhof über den Westbahnhof bis zum Südbahnhof den alten Befestigungsanlagen.

Siehst Du Michael? Genau das meinte ich in der Antwort auf Deinen Beitrag vom Barfußtreffen in Köln! Du schreibst über diese Dinge, als seist Du ein Kölner oder jemand aus dieser Umgebung: Du kennst alle Züge, die da fahren, Du kennst historische Gebäude mit Namen und Einzelheiten und Du findest Dich einfach super zurecht! Das ist es, was ich auch an Dir bewundere! Wie kann man nur so schnell einen so guten Durchblick haben? ;-)

Aber nicht nur die Bahn nutzt die Infrastruktur der wehrhaften Stadt aus, auch Barfüßer können von diesen Grünanlagen profitieren. Können? oder soll ich lieber könnten sagen? Leider werden diese Parkanlagen auch von Leuten genutzt, mit denen man als Barfüßer lieber nichts zu tun haben will. Sie hinterlassen an ihren Plätzen nämlich nicht selten ihren Abfall. Ich ging durch die Anlagen, auch zu dem Ort, wo ich eigentlich mal übernachten wollte, jedoch von einem Menschen, der scheinbar ziellos auf und ab ging, davon abgehalten wurde. Genau dort, wo ich ursprünglich schlafen wollte, wimmelte es nur so von Scherben. Im Dunkeln hätte ich sie sicher nicht gesehen.

Ja, das ist wirklich eine rücksichtslose Gesellschaft, die zumeist aus Jugendlichen oder Leuten in den 20er Lebensjahren steht, nicht immer, aber meistens eben!

War dieser "schräge Siech" etwa mein "Schutzengel"? Engel können ja bekanntlich ihre Gestalt wechseln. Wenn es sein muß, kommen sie sogar ohne Flügel, aber dafür mit Schuhen.

Wieder ein Satz, der mich zum schmunzeln bringt! :-) Du bist in diesem Forum einfach unersetzlich! :-D

Nach der Anlage barfüßelte ich wieder über Straßen. Eine junge Frau entstieg ihrem Auto und fragte mich: "Warum tun Sie das?" Worauf ich antwortete, das das gesund wäre und ich am Tag zuvor schon an einem Barfußtreffen teilgenommen hätte. Sie sagte nur: "ECHT? Davon habe ich ja noch nie was gehört." Aber sie fand so etwas gut.

In so einer Situation, mit der guten Einstellung der Frau dazu, weise ich immer freundlich und begeistert auf die Webadresse unseres Forums hin, was auch damals Andreas (SU) unter meinen Bericht ergänzend schrieb! Das war so eine Situation! ;-)

Kurz vor Erreichen des Neumarktes (ich war fast 2 stunden unterwegs gewesen) sagte ein Mädchen: "Mami, der läuft barfuß!" "Ach was,", war die Antwort der Mutter. "Mami, der läuft barfuß!" bohrte das Kind nach. Die Mutter erblickte mich und sagte: "Ja, der läuft barfuß!" "Warum?" "Weil der gerne barfuß läuft", sprach die Mutter genervt.

Wieder so ein trauriger Fall eines Elternteils, die ihren Kindern nicht eine vernünftigere Antwort geben können als Das, oder: "Der ist arm, kann sich keine Schuhe leisten." Besser wäre wohl: "Mein Schatz, ich weiß es nicht, aber ich denke, es macht ihm einfach Spaß, es ist ja auch schön und gesund, vielleicht will er auch sein Immunsysthem stärken." Wobei ich es dem Kind dann umschreiben würde, was das Wort bedeutet, anhand simpler Vergleiche im spielerischen z.B.

In der Fußgängerzone rannten zwei etwa 10-jährige Jungen hinter mir her und fragten mich: "Warum tun Sie das? Es ist doch kalt!" Worauf ich antwortete, das das gesund wäre und es sei schließlich nicht verboten. "Doch, das ist verboten!" Woher haben die bloß diese juristischen "Kenntnisse"?

Ich erreichte den Dom, wo gerade das tiefe Geläut einsetzte. Hier starrten mich etliche Leute an. Speziell japanische Touristen trauten ihren Augen kaum. Auch Kinder, die meist recht winterlich vermummt waren, verdrehten ihre Augen. Für die paßte ich wohl genau so wenig in das Kölner Stadtbild am Allerheiligen wie die "armen Sieche", die vor dem Portal der mächtigen Kathedrale bettelten. Ich aber schritt die Treppen hinunter zum Rhein. Ein Mann sagte: "Hier ist aber nicht die Nordsee! Und Mallorca ist hier auch nicht!" Ich aber wollte noch einmal den eisernen Boden der Hohenzollernbrücke unter meinen nackten Füßen spüren. Die langsam über die Brücke fahrenden Züge sorgten für angenehme Vibration. Wie im Traum spaziert ich über das Bauwerk an Deutzer Ufer. Dort befand sich gerade eine alte Frau mit ihrem Dackel. Während die Frau fassungslos auf meine Füße starrte, beschnüffelte das Tier sie. "Komm, mein Schatz!" rief sie. Der Hund fühlte sich angesprochen, ich nicht!
Ich blickte zurück. Da lag sie also, die historische Stadt Köln. Mächtig ragte der Dom heraus. Und die Hohenzollernbrücke schien direkt in den Dom zu führen. Als ob der Dom gleichzeitig die Funktion einer Verkehrskathedrale übernehmen würde. Ich wanderte wieder zurück auf das Altstädter Ufer, kam wieder am Dom vorbei. Mittlerweile waren viele Leute da. Dem Verhalten nach könnten es Mitarbeiter der Firma "Glotz GmbH & Co KG" auf einem Betriebsausflug gewesen sei. Ein Mensch sagte: "Gran Canaria liegt rechts neben dem Dom!" Ein Tramper fragte mich: "Hat man dir was gestohlen?" , was ich verneinte. Ein Bettler, der frierend auf dem Boden gekauert saß, pflaumte mich an: "Verschwinde, du Schwein. Oder ich ruf die Polizei!" Wieso muß der ausgerechnet mich anpflaumen!

Vielleicht befürchtete er, dass Du ihm anhand Deiner luftigen Kleidung etwas klauen wolltest! :-D

Ein anderer sprach mich in einem bösen unterton an: "In der Kneipe gibt es Schuhe!" Als ich nur grinsend anblickte, sprach er: "Das ist kein Flachs! In der Kneipe gibt es Schuhe für Obdachlose und so!" Ich hätte ihn anschreien können, aber ich blieb ruhig und sprach: "Ich gehöre leider nicht zu dem privilegierten Personenkreis an, die lediglich einen Ort aufsuchen müssen, um Schuhe und Getränke zu bekommen. Ich dagegen besitze einen festen Wohnsitz und eine reguläre Arbeit. Und als Dank muß ich dafür noch verschiedene Orte aufsuchen, zum Trinken die Kneipe, und zum Besorgen von Schuhen ein Schuhgeschäft oder einen Schuster. Und heute hat jeder Schuhladen geschlossen!"

Ja, es gibt wirklich rücksichtslose Tölpel von Menschen, die "hauen" voll mit der "Pfanne" `rein! Auch wenn es zugegebenermaßen sehr ungewöhnlich und für die Allermeisten auch unverständlich ist, dass man um diese Jahreszeit barfuß geht, so kann man auch mal seine Klappe halten, wenn man einen solchen Menschen erblickt! Oder eben nett und neugierig hinterfragen, was es damit auf sich hat! Huuu, aber na ja, erwarte mal etwas vernünftiges von vielen Leuten....! :-/

Jetzt aber wurde es Zeit, mich zum Bahnhof zu begeben. Aber was war das? Tatsächlich, Polizei. Sollten die etwa mich noch daran hindern, rechtzeitig zum Zug zu kommen? Nicht mit mir. Ich erkannte, daß sie nicht meinetwegen gekommen waren. Trotzdem aber machte ich einen Bogen um sie und nutzte Plakate usw. als Deckung.

Bei diesem Satz musste ich auch wieder laut lachen, das versuchte ich mir bildlich vorzustellen und mir "schoss" wieder eine Handlung von "Mr. Bean" in den Kopf! :-DDD
Aber ich hätte es sicher auch so gemacht, denn man muss ihnen in dieser Aufmachung, für die sie sicher nur wenig Verständnis gehabt hätten, ja nicht noch über den Weg laufen, zumal die Zeit etwas drängte, von der zeitigen Abfahrt des Zuges ausgegangen!

Ich hatte Glück, kam rechtzeitig zum Bahnsteig. Nun mußte ich feststellen, daß noch Zeit für zehn Polizeikontrollen gewesen wäre.

;-DDD

Mein Zug nach Basel hatte nämlich 40 Minuten Verspätung.

Da ich nicht still auf dem Bahnsteig stehen blieb, sondern immer hin und her ging im Bahnhofsgebäude, "mußten" ein paar mehr Leute feststellen, daß Barfußlaufen kein Privileg von Frauen und Kindern im Sommer ist, sondern auch Männer von diesem Recht rücksichtslos Gebrauch machen.

Ja, es wird so langsam auch mal Zeit, dass Die das kapieren! :-/ ;-)

Ich bestieg den Intercity, er setzte sich in Bewegung und umrundete die Altstadt auf dem ehemaligen Festungsgürtel, so daß ich den gotischen Dom noch lange sehen konnte. Mein Aufenthalt in Köln ging zu Ende, mein längster und schönster in meinem Leben. Und als erster und einziger zu 100 % barfuß.

Verrückt? Nein! Nur "ziemlich unüblich",

Richtig! Genau, nicht mehr und nicht weniger! ;-)

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Liebe Grüße nach Zofingen von Andi!


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