Abschied von Köln (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 03.11.2004, 10:40 (vor 7269 Tagen)

Montag, 1.11.2004, Allerheiligen. In der katholischen Hochburg Köln selbstverständlich ein arbeitsfreier Tag. Die zweite Nacht, in der mir der Himmel von Köln ein Dach über dem Kopf bot, war auch vorüber. Eine Straßenbahn verließ gerade die nahe Haltestelle "Stüttgenhof". Aber ich hatte genug von Trambahnen, ich wollte die gesamte Strecke zum Hauptbahnhof auf "Schusters nicht vorhandenen Rappen" zurücklegen, bevor mich der Intercity in meine Wahlheimat bringen würde. Es war kälter als am Morgen zuvor, das nasse Gras empfand ich fast schon als unangenehm unter den nackten Füßen. Weder im Wald, noch im Kölner Stadtteils Lindenthal waren viele Leute unterwegs. Ich erreichte die Grünanlage an der Universitätsstraße. Auf dem Stadtplan kann man erkennen, daß dieser Grüngürtel fast die Stadt umschließt, es handelt sich wohl um die ehemaligen Festungsanlagen der Stadt. Auch die Bahn benutzt diesen Ring, jedoch nicht die "Gürtelbahn" (die Linie 13 liegt weiter außen), sondern die "richtige" Eisenbahn folgt vom Hauptbahnhof über den Westbahnhof bis zum Südbahnhof den alten Befestigungsanlagen. Aber nicht nur die Bahn nutzt die Infrastruktur der wehrhaften Stadt aus, auch Barfüßer können von diesen Grünanlagen profitieren. Können? oder soll ich lieber könnten sagen? Leider werden diese Parkanlagen auch von Leuten genutzt, mit denen man als Barfüßer lieber nichts zu tun haben will. Sie hinterlassen an ihren Plätzen nämlich nicht selten ihren Abfall. Ich ging durch die Anlagen, auch zu dem Ort, wo ich eigentlich mal übernachten wollte, jedoch von einem Menschen, der scheinbar ziellos auf und ab ging, davon abgehalten wurde. Genau dort, wo ich ursprünglich schlafen wollte, wimmelte es nur so von Scherben. Im Dunkeln hätte ich sie sicher nicht gesehen. War dieser "schräge Siech" etwa mein "Schutzengel"? Engel können ja bekanntlich ihre Gestalt wechseln. Wenn es sein muß, kommen sie sogar ohne Flügel, aber dafür mit Schuhen.

Nach der Anlage barfüßelte ich wieder über Straßen. Eine junge Frau entstieg ihrem Auto und fragte mich: "Warum tun Sie das?" Worauf ich antwortete, das das gesund wäre und ich am Tag zuvor schon an einem Barfußtreffen teilgenommen hätte. Sie sagte nur: "ECHT? Davon habe ich ja noch nie was gehört." Aber sie fand so etwas gut. Kurz vor Erreichen des Neumarktes (ich war fast 2 stunden unterwegs gewesen) sagte ein Mädchen: "Mami, der läuft barfuß!" "Ach was,", war die Antwort der Mutter. "Mami, der läuft barfuß!" bohrte das Kind nach. Die Mutter erblickte mich und sagte: "Ja, der läuft barfuß!" "Warum?" "Weil der gerne barfuß läuft", sprach die Mutter genervt. In der Fußgängerzone rannten zwei etwa 10-jährige Jungen hinter mir her und fragten mich: "Warum tun Sie das? Es ist doch kalt!" Worauf ich antwortete, das das gesund wäre und es sei schließlich nicht verboten. "Doch, das ist verboten!" Woher haben die bloß diese juristischen "Kenntnisse"?

Ich erreichte den Dom, wo gerade das tiefe Geläut einsetzte. Hier starrten mich etliche Leute an. Speziell japanische Touristen trauten ihren Augen kaum. Auch Kinder, die meist recht winterlich vermummt waren, verdrehten ihre Augen. Für die paßte ich wohl genau so wenig in das Kölner Stadtbild am Allerheiligen wie die "armen Sieche", die vor dem Portal der mächtigen Kathedrale bettelten. Ich aber schritt die Treppen hinunter zum Rhein. Ein Mann sagte: "Hier ist aber nicht die Nordsee! Und Mallorca ist hier auch nicht!" Ich aber wollte noch einmal den eisernen Boden der Hohenzollernbrücke unter meinen nackten Füßen spüren. Die langsam über die Brücke fahrenden Züge sorgten für angenehme Vibration. Wie im Traum spaziert ich über das Bauwerk an Deutzer Ufer. Dort befand sich gerade eine alte Frau mit ihrem Dackel. Während die Frau fassungslos auf meine Füße starrte, beschnüffelte das Tier sie. "Komm, mein Schatz!" rief sie. Der Hund fühlte sich angesprochen, ich nicht!

Ich blickte zurück. Da lag sie also, die historische Stadt Köln. Mächtig ragte der Dom heraus. Und die Hohenzollernbrücke schien direkt in den Dom zu führen. Als ob der Dom gleichzeitig die Funktion einer Verkehrskathedrale übernehmen würde. Ich wanderte wieder zurück auf das Altstädter Ufer, kam wieder am Dom vorbei. Mittlerweile waren viele Leute da. Dem Verhalten nach könnten es Mitarbeiter der Firma "Glotz GmbH & Co KG" auf einem Betriebsausflug gewesen sei. Ein Mensch sagte: "Gran Canaria liegt rechts neben dem Dom!" Ein Tramper fragte mich: "Hat man dir was gestohlen?" , was ich verneinte. Ein Bettler, der frierend auf dem Boden gekauert saß, pflaumte mich an: "Verschwinde, du Schwein. Oder ich ruf die Polizei!" Wieso muß der ausgerechnet mich anpflaumen! Ein anderer sprach mich in einem bösen unterton an: "In der Kneipe gibt es Schuhe!" Als ich nur grinsend anblickte, sprach er: "Das ist kein Flachs! In der Kneipe gibt es Schuhe für Obdachlose und so!" Ich hätte ihn anschreien können, aber ich blieb ruhig und sprach: "Ich gehöre leider nicht zu dem privilegierten Personenkreis an, die lediglich einen Ort aufsuchen müssen, um Schuhe und Getränke zu bekommen. Ich dagegen besitze einen festen Wohnsitz und eine reguläre Arbeit. Und als Dank muß ich dafür noch verschiedene Orte aufsuchen, zum Trinken die Kneipe, und zum Besorgen von Schuhen ein Schuhgeschäft oder einen Schuster. Und heute hat jeder Schuhladen geschlossen!"

Jetzt aber wurde es Zeit, mich zum Bahnhof zu begeben. Aber was war das? Tatsächlich, Polizei. Sollten die etwa mich noch daran hindern, rechtzeitig zum Zug zu kommen? Nicht mit mir. Ich erkannte, daß sie nicht meinetwegen gekommen waren. Trotzdem aber machte ich einen Bogen um sie und nutzte Plakate usw. als Deckung. Ich hatte Glück, kam rechtzeitig zum Bahnsteig. Nun mußte ich feststellen, daß noch Zeit für zehn Polizeikontrollen gewesen wäre. Mein Zug nach Basel hatte nämlich 40 Minuten Verspätung. Da ich nicht still auf dem Bahnsteig stehen blieb, sondern immer hin und her ging im Bahnhofsgebäude, "mußten" ein paar mehr Leute feststellen, daß Barfußlaufen kein Privileg von Frauen und Kindern im Sommer ist, sondern auch Männer von diesem Recht rücksichtslos Gebrauch machen. Ich bestieg den Intercity, er setzte sich in Bewegung und umrundete die Altstadt auf dem ehemaligen Festungsgürtel, so daß ich den gotischen Dom noch lange sehen konnte. Mein Aufenthalt in Köln ging zu Ende, mein längster und schönster in meinem Leben. Und als erster und einziger zu 100 % barfuß. Verrückt? Nein! Nur "ziemlich unüblich",

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion