Verhalten und Gefühl bei erzwungenem Schuhetragen (Hobby? Barfuß! 2)

Kai (WN) ⌂, Stammposter, Saturday, 28.02.2004, 21:40 (vor 7519 Tagen) @ Josha

Salü,

Würdest du es nicht auch demütigend empfinden wenn ein Zwangs-
Spießer, also einer der glaubt er kann anderen Leuten was
vorschreiben, dir sagt was du tun sollst, und du sofort drauf und
dran bist seiner Aufforderung zu folgen ??

das Problem, welches ich in Deiner Argumentation sehe ist jenes, dass
ich dabei immer das gleiche Muster heraushöre:

1. Ich (bzw. jede/r) bin ein freier Mensch und niemand hat mir was zu sagen.
2. Alle, die mir (oder anderen) eine Verhaltensweise vorschreiben möchten, sind Zwangs-Spießer.

Aus meinem Weltbild heraus geht das aber an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Das Zusammenleben mit anderen bedarf eines Grundkonsenes. Wenn ich weiß, dass in bestimmten Situationen die Reaktion des Gegenübers sein wird "Iiiih, der trägt ja keine Schuhe." oder "Ziehen Sie doch Schuhe an", dann muss ich mich entscheiden, ob ich meinen Willen in dieser Situation durchsetzen möchte, oder ob ich dem Weltbild meines Gegenübers in dieser Situation einen höheren Stellenwert einräume.

Wenn ich letzteres tue, so kann ich entweder mich
- in meinen Gefühlen (Stolz?) verletzt fühlen, oder
- souverän dazu stehen, dass ich mich situativ entscheide und auch anderer Menschen Weltbild nicht nur akzeptiere, sondern auch aktiv durch mein Verhalten würdige.

Ich halte es für eine Frage der mentalen Einstellung, mit welchem Gefühl ich auf das von außen verlangte/erzwungene/erwartete Schuhetragen reagiere. Selbst wenn Dir das Schuhetragen aufgezwungen würde, so ist es nach wie vor Deine freie Entscheidung, mit welcher Gefühlslage Du darauf reagierst. Das ist übrigens eine alte philosophische Richtung, z.B. durch durch Epiktet beschrieben, oder moderner und in gänzlich anderem Kontext durch Viktor Frakls Überlebensbericht aus dem KZ dargestellt.

Es ist meiner Meinung nach ein Zeichen von Selbstbestimmtheit, situativ Entscheidungen zu treffen, also je nach Gegebenheit barfuß zu laufen oder Schuhe zu tragen. Sich von der Meinung anderer abhängig zu machen, positiv oder negativ - und sei es in seinem Gefühlsleben - macht unfrei.

Aus diesem Grund bin ich auch erklärterweise dagegen, rein aus Prinzip z.B. niemals Schuhe in den Urlaub oder auf Wanderungen mitzunehmen. Ich will mich nicht zum "Sklaven" irgendwelcher Durchhaltephilosophien machen lassen. Denn in diesem Sinne empfinde ich die Erwartungshalter mancher Barfüßer/innen, man dürfe aus Barfüßer "niemals" unnötig Schuhe tragen als ebensolches "Zwangsspießertum", um bei Deiner Wortwahl zu bleiben.

Grüße
Kai

[image] Kais Journal: H.D. Thoreau, Barfußlaufen, Ökologie und Reiseberichte


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