Abendspaziergang südlich der Innerschweiz (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 16.02.2004, 11:06 (vor 7532 Tagen)

Der Wetterbericht hatte für das vergangene Wochenende gutes Wetter angekündigt, speziell für den Süden der Schweiz. Also machte ich mich letzten Freitag, den 13. Februar (bringt das Unglück?) nach der Arbeit auf den Weg. Das, was man für ein Wochenende benötigt, mußte im Rucksack Platz haben, und hatte es auch, da ich nicht allzu anspruchsvoll bin. Um 14.30 Uhr nahm bestieg ich den Schnellzug Richtung Süden, mit Schuhen (Flipflops), was hier (bei sonnigen 8°C) jedoch kaum wahrgenommen wurde. In Arth-Goldau mußte ich den Zug wechseln, um früher im Tessin zu sein. Hier lästerten ein paar Jugendliche. Dabei befindet sich doch Arth-Goldau in der Zentralschweiz, wo doch, wenn ich frühere Postings richtig interpretiere, sowohl das Barfußlaufen, als auch das Tragen von Schuhen "nicht unüblich" sind. Oder liegt Arth-Goldau nicht in der Zentralschweiz? Wie dem auch sei, es war eine herrliche Bahnfahrt durch die verschneite Alpenwelt. In Bellinzona http://www.picswiss.ch/Historie02/g-B3-04.html wechselte ich abermals den Zug, ich fuhr nach Locarno. Mittlerweile war es dunkel geworden, aber die Temperatur war hier immer noch so hoch, daß man ohne Jacke herumlaufen konnte (wobei das "man" nur unwesentlich mehr als "ich" gedeutet). Tatsächlich trugen etliche Leute in der Stadt bereits oder noch Mützen oder/und Handschuhe. Aber sollte das Anlaß für mich sein, vom ursprünglichen Plan, am Seeufer ein paar Schritte ohne Schuhe zu machen, oder gar selber Handschuhe und Mütze anzulegen? Nein! Hier herrscht doch kein Uniformenzwang!
Etwas ungewöhnlich war doch die Umstellung auf "Sohlenhöhe Null". Aber es ging, so daß ich ohne Flipflops am Seeufer nach Minusio ging und auch wieder zurück. Als ich bei der Schiffstation eine Ampelkreuzung überquerte, starrten doch ein paar Autofahrer auf mich. Das gleiche geschah unter den Arkaden der Piazza Grande. Recht gut begehbar waren auch die Gassen der oberen Altstadt. Zwar bestehen sie aus Kopfsteinpflaster, jedoch sind nicht selten auch Steinplatten in der Mitte verlegt. Etwa wegen der Barfüßer? Oder wegen Leute mit Kinderwagen? Oder "nur" deswegen, damit man bei Arbeiten an der Kanalisation nicht die Pflasterung entfernen muß, sondern lediglich ein paar Steinplatten? Bei der Kirche "San Antonio" angekommen, kreuzte mein Weg denjenigen zweier alter Damen. Ihren Mündern entgingen irgendwelche italienischen Silben, die ich zwar nicht verstand, wohl aber interpretieren konnte. Es ging wieder zurück zur Piazza Grande, weiter zum Schloß, daß früher wesentlich größer war als heute. Reste der alten Mauern wurden beim Bau des "Rondells" freigelegt. Als Gelegenheitsbarfüßer ging ich nicht den kürzesten Weg des in der Mitte geschotterten Rondells, sondern ich folgte dem Plattenweg. Ein Ehepaar lächelte nur, als ich das Rondell verließ und den Weg nach Ascona einschlug. Auch in dieser Stadt erntete ich keine bitterbösen Kommentare. Viele Leute waren nicht in den Straßen. Von einem deutschen Ehepaar konnte ich das Wort "Abhärtungstraining" hören. Auch entnahm ich einige Sätze einer deutschschweizer Familie, als ein Mädchen rief: "Hat der Mann keine Schuhe an?" "Nein, der trägt nur die Schuhe, bei denen Füße aufgemalt sind!" entgegnete die Mutter. "Und wieso trägt er solche Schuhe?" "Damit andere glauben, daß er keine Schuhe trägt!" "Bekomme ich solche Schuhe zum Geburtstag?" Kurz vor dem Verlassen der Altstadt kam mir noch ein Polizeifahrzeug entgegen, aber ohne Folgen. Haben die Polizisten meine Barfüßigkeit nicht bemerkt, weil sie mit so etwas gar nicht erst rechnen? Oder glaubten auch sie an "Barfußvortäuschschuhe"? Oder hielten sie mich für einen Innerschweizer? Bei meinen Gedanken an frühere Diskussionen fiel mir auf, daß an diesem Tag sowohl in Locarno, als auch in Ascona das Tragen von Schuhen nicht nur "nicht unüblich", sondern sogar "üblich" war, während Barfußlaufen "nicht üblich" war. Demnach liegen beide Städte außerhalb der Innerschweiz! Oder täusche ich mich da? Oder war ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort?
Ich schritt zurück bis zur Maggia-Brücke, wo ich dem Uferweg flußaufwärts folgte. Wegen des steinigen Untergrundes zog ich wieder Flipflops an, und eine Jacke, da es hier deutlich kälter war als in den Stadtstraßen. Bei Tegna überquerte ich die Hängebrücke, um mir am gegenüberliegenden Ufer einen Schlafsack zu suchen. Eine kalte Nacht im Schlafsack ohne Zelt stand mir bevor.
Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion