Bodensee: Schotter ohne Ende (Hobby? Barfuß! 2)

Mercator, Friday, 10.10.2003, 07:48 (vor 7661 Tagen)

Hallo, liebe Leute,

gerade habe ich zwei Urlaubswochen am Bodensee abgeschlossen, und bis auf die letzten zwei, drei Tage war das Wetter absolut barfuß-tauglich. Ich lasse die klassischen touristischen Hinweise ebenso weg, wie die Bemerkung, dass es durchaus erholsam war. Gesehen habe ich die deutsche und schweizer Ufer (und ein bißchen landeinwärts) von der Linie Friedrichshafen - Romanshorn westwärts.

Neben den üblichen Sehenswürdigkeiten standen lange barfüßige Spaziergänge in Wald & Flur auf dem Wunschzettel. Ersteres war o.k., letzteres eine gnadenlose Enttäuschung. Grund für die Enttäuschung war die Tatsache, dass die Jungs da unten selbst den mickrigsten, verborgensten, düstersten Waldweg durch die ansonsten sehr schönen Wälder offenbar alljährlich mit frischem, fiesen Schotter dichtpleestern. Und nicht nur das: Auch asphaltierte und gepflasterte Wege werden zusätzlich geschottert! Was soll das?

Hypothese 1.1: Die Leute haben zuviel Schotter, und wissen nicht, wohin damit.

Resultierende Frage: Warum haben sie zuviel Schotter?

Hypothese 1.2: Sie hassen ihre Berge. Deshalb drehen sie sie durch den Wolf und hoffen, in ein paar hundert Jahren auch ein so schönes flaches Land auf Meeresniveau zu haben, wie die Norddeutschen.

Dieses Motiv kann ich als Flachlandbewohner natürlich sehr gut nachvollziehen. Schauen wir uns nur an, welchen fatalen Einfluß die Berge auf die Kultur und das Denken der Oberbayern haben (Bsp. Landtagswahlen)

Hypothese 2.1: Schotter ist ein Zeichen der Zivilisation.

Interpretation: Wenn uns schon per Gesetz verboten wird, die letzten Reste natürlicher Umwelt plattzumachen, um, sagen wir, Parkhäuser und / oder Einkaufszentren zu bauen, dann wollen wir wenigstens unmißverständlich klarstellen, dass wir dennoch dazu in der Lage wären, hier alles zuzubetonieren. Ausgedehnte Schotterflächen dienen somit als Platzhalter für das nicht-bauen-gedurft-habende Parkhaus. Das Zuschottern als psychologisches Ventil, als Leerlaufhandlung einer besinnungslos bauwütigen Gesellschaft.

In Wirklichkeit ist das alles ziemlich traurig.

Obwohl ich mich inzwischen für einen ziemlich trainierten Barfüßer halte, haben meine Fußsohlen da nach dem zweiten Tag gestreikt.

Oh ja, ich kann inzwischen ein paar Stunden auf feinem Schotter laufen. Ich kann sogar ohne Probleme kürzere Strecken über groben Schotter laufen. Und normaler Asphalt ist gar kein Thema mehr für mich. Aber mal ehrlich: Wo ist da der Witz? Das fühlt sich doch immer alles gleich an, wenn wir von leichten Temperaturunterschieden mal absehen! Und dafür soll ich meine liebevoll antrainierte Lederhaut riskieren? Nö, liebe Leute, die Rechnung geht nicht auf.

Also blieb nur der Rückgriff auf die Notfallsandalen. Und weil die ja nun weiß Gott nicht für längere Wanderungen geeignet sind, waren die abendlichen Probleme mit den Füßen ("Hab’ ich mir in den Sch...sandalen jetzt etwa `ne Blase eingefangen?") so oder so programmiert. Von da an also Tevas oder gleich die richtig fetten Trecking-Schuhe mit Schweißfuß-Garantie und fuß-klaustrophobischen Anfällen. Prost Mahlzeit.

Ein paar barfüßige Gänge von der Fewo ins Dorf (20 min) waren natürlich noch drin, aber Gehwegpflaster und Asphalt finde ich wie gesagt auf Dauer etwas öde, verglichen mit dem stets spannenden Barfußerleben in freier Wildbahn.

Zusammenfassend rufe ich also alle Barfüßer dieser Welt: Seht auf diese Region! Seht, dass die Menschen sie für (fast) jedes Naturerleben unbrauchbar gemacht haben. Und verbringt Euren barfüßigen Urlaub besser woanders!

Zum Schluß aber noch was Positives: Obwohl sich in den zwei Wochen meines Urlaubs die Temperaturen hier oben im Norden von 20+ °C auf man gerade 10+ °C runtergekühlt haben, habe ich meine Barfüßerei im Job weitergeführt. Ich war mir da nicht so ganz sicher, weil ich "Barfuß im Beruf" erst in diesem Sommer für mich beschlossen hatte.

Es scheint ja so zu sein, dass die Barfußtoleranz dieser Gesellschaft mit der Lufttemperatur und Sonnenscheindauer korreliert, dass also Barfüßigkeit im Winter stärker konnotiert ist als im Sommer. Deshalb hatte ich mit dem herbstlichen Kälteeinbruch zumindest mit verstärkten Kommentaren aus dem Mitarbeiter- und Kollegenkreis gerechnet. Aber nichts da! Ganz offensichtlich habe ich mich im Job bereits hinreichend als harmloser Bekloppter (Er läuft gerne barfuß, ansonsten ist er o.k.) etabliert, dass eine Ausweitung meiner Macke in die unteren Temperaturgradienten auch nicht weiter auffällt.

Ich finde, das ist auch ein Erfolg!

Mercator


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