Barfuß und Spiritualität - ein Konnex ? (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Thursday, 05.12.2002, 11:56 (vor 7968 Tagen) @ Hannes

Hi Hannes!

Es ist Sache der Historiker, festzustellen, ob Jesus Sandalen trug oder wie die meisten seiner Zeit damals barfuß war, auf jeden Fall weiß man von den Barfuss-Pilgerreisen aus alten Zeiten usw...

Da Jesus Christus freiwillig arm und bescheiden lebte, ging er mit Sicherheit zeitlebens barfuß. Als er seine Jünger zu zwei und zweien aussandte, gebot er ihnen ausdrücklich, keine Schuhe mitzunehmen, also barfuß zu gehen.

Nun, meine Beweggründe, barfuss zu laufen, sind trivial und stehen (derzeit noch) kaum in einem Zusammenhang mit einer Religion.
Hingegen kommt jetzt eine neue Komponente hinzu, die vorher nicht da war - ich laufe schon lange barfuss , das Erkennen, dass sich viel mehr im Kopf abspielt, als wir uns eigentlich vorstellen können und wie sehr wir durch unser eigenes Gestalten ( eigentlich durch die Gedanken) uns selbst und die Welt verändern in einem kontinuierlich veränderlichen Ablauf.

Die spirituelle Komponente des Barfußlaufens ergibt sich aus dem unmittelbaren Hautkontakt mit dem Boden, der Erde. Wir spüren, daß wir buchstäblich auf dem Boden der Tatsachen stehen, nicht abgehoben sind. Das macht uns friedlich, und führt uns, wenn wir einfach auf diesem Boden gehen, ruhigen Schtrittes und gelassen, in eine meditative Stimmung, welche zur Gotteserkenntnis führen kann. Dies erkannten auch der hl. Franziskus sowie die russischen "Narren in Christo", welche daher auch die schuhe für immer ablegten und fortan nur noch barfuß gingen (was im Falle der russischen "Narren in Christo" angesichts der klimatischen Bedingungen sehr erstaunlich, aber nichtsdestotrotz sicher bezeugt ist). Wer barfuß geht, wird friedlich, spürt durch den Kontakt zur Erde, daß er Teil der Schöpfung ist, und bekommt Achtung vor ihr. Christus sagte in der Bergpredigt von den Lilien auf dem Felde: "Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie (auch nur) eine von ihnen." Franziskus sowie die russischen Gottesnarren hatten Kontakt zu wilden Wölfen und Bären und anderen wilden Tieren, die sich von ihnen ohne Scheu oder Bösartigkeit kosen und streicheln ließen. Der Prophet Elija, der ebenfalls stets barfuß ging, wurde, als er sich vor dem König Achab, der ihm nach dem Leben trachtete, in der Einöde verbarg, von den Raben täglich mit Brot und Fleisch versorgt, bis er von dort weggehen mußte, weil der Bach, an dem er saß, infolge der (von ihm selbst vorhergesagten) Dürre versiegte.

Wir werden vermutlich nicht die geistliche Reife jener Meister erlangen, können aber in unserem geistlichen oder spirituellen Leben durch beständiges oder häufiges Barfußgehen ein großes Stück weiterkommen, indem wir beispielsweise achtung vor der Erde und den darauf lebenden Geschöpfen bekommen oder heitere Gelassenheit lernen.

Ich tendiere eher zum Buddhismus, deshalb verstärkt barfuss leben "Aha"-Erlebnisse in diese Richtung, analoges kann ich mir aber auch bei einem Christen vorstellen....

Ich bin orthodoxer Christ und sehe diese Analogie ebenfalls. Der Buddha ging ja ebenfalls stets barfuß, und die buddhistischen Mönche tun es anders als etwa die katholischen Franziskaner bis auf den heutigen Tag.

Deshalb: Es kommen tatsächlich immer neue Erfahrungen mit Barfuss, Anfangs die Dinge mit Schmerz, Unannehmlichkeit, Peinlichkeit und die Auflösung all dessen in die Selbstverständlichkeit, von diesen Dingen fast nicht mehr berührt zu werden...

So ist es. Eine christliche Deutungsmöglichkeit wäre: durch das Kreuz zur Auferstehung, durch den (anfänglichen und vorübergehenden) Schmerz zur heiteren Gelassenheit.

Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.


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