Barfüßige Kinder verweigern Schule (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo zusammen,
in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" findet sich ein Beitrag über drei Jungen, welche konsequent die Schule schwänzen. Auch ein barfüßiger Lebensstil gehört dazu, der auch schon hin und wieder zu Heimfahrten mit der Polizei führte (scheinbar vernachlässigte Kinder).
Nachfolgend einige Ausschnitte, der ganze Beitrag mit einem Photo findet sich bei der Zeit unter untenstehendem Link.
Grüße
Kai
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Unbegrenzt Ferien
Drei Jungen haben den Traum aller Kinder verwirklicht: Sie gehen niemals in die Schule. Ihren Eltern ist es recht, und der Staat duldet es
Von Burkhard Strassmann
Stell dir vor, es gibt Schule und keiner geht hin. Die Schlagzeile sprang den Lesern des Jeetze-Kurier Salzwedel im vergangenen Jahr ins Auge. Die zugehörige Geschichte erschien der Redaktion offenbar so undenkbar wie ein Krieg ohne Soldaten. Es ging um ein Verfahren vor dem Amtsgericht Salzwedel in Sachsen-Anhalt. Eine Mutter hatte gewusst und gebilligt, dass ihre drei Söhne seit Jahren keine Schule mehr besuchen. Die Kinder waren einfach zu Hause geblieben. Sie hatten auch weder einen Privatlehrer noch an einem home schooling-Projekt teilgenommen. Ein unglaublicher Kasus, nicht nur für Salzwedel.
Es ist Montag, zehn Uhr morgens, keine Ferien. Brave Kinder sitzen um diese Zeit auf Schulbänken. Weniger brave werden von der Polizei aus dem Kaufhaus geholt, wo sie in der Spielzeugabteilung daddeln, statt Deutsch zu lernen. Jury, 9, Semjon, 11, und Immanuel, 13, sitzen im Mobilhome, das der Papa gemütlich durch die norddeutsche Tiefebene steuert. Sie kommen von einer Baustelle; Papa montiert Holzhäuser. Zwischendurch haben sie Oma in Großenkneten besucht und in Bremen eine Ausstellung über Piraten. Jetzt geht es heim. Im Bordradio läuft We all need someone we can dream on. In der Bordbibliothek stapeln sich Werke von Wilhelm Reich. Obwohl es draußen frisch ist, sind zwei der Jungen barfuß; der dritte trägt Bergstiefel. Gespannt betrachten die drei den Reporter: Schreibt der wirklich alles auf, was sie sagen?
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Wissen Kinder, was ihnen gut tut?
Ein wenig sind die Jungen Polizeibegleitung schon gewöhnt: Weil sie irgendwann beschlossen haben, sommers wie winters am liebsten barfuß zu laufen, und weil ihnen das niemand verboten hat und weil barfüßige Kinder deutschen Polizisten verwahrlost erscheinen, wurden die drei schon öfter aufgegriffen und bei den Eltern abgegeben. Zuletzt mitten in einem Ort namens Wildeshausen. Die Polizisten hätten allerdings auch einfach mal fragen können. Sie hätten eine einleuchtende Antwort bekommen: "Barfuß laufen macht halt Spaß. Papa hat gesagt, das müsst ihr selber entscheiden, nur bei Schnee geht das nicht. Nein, kalt ist das nicht. Und seit zwei Jahren bin ich nicht mehr krank gewesen." Sagt Immanuel.
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Christiane, die Mutter, lange Haare, langer Strickrock, auch sie barfuß, 37 Jahre alt, ist Kinderpflegerin von Beruf. Sie erinnert sich. Damals, in der Reutlinger Zeit, da hatte sich alles gefügt: Ihr Interesse an Montessori-Pädagogik, an der bestrickenden Idee, Kinder wüssten am besten, was ihnen gut tut. Das Ideal der Selbsterziehung. Begegnungen mit den Pädagogen Rebeca und Mauricio Wild (Ecuador). Das Buch Erziehung zum Sein. Und dann ihr Großer, der die Schule verweigerte und den selbst körperlicher Zwang nicht mehr umstimmen konnte.
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Möglicherweise nahm dies auch den Amtsrichter von Salzwedel für sie ein, der im vergangenen Jahr das sachsen-anhaltinische Schulgesetz zu exekutieren hatte: Mit einer "salomonischen Entscheidung" (Jeetze-Kurier) hob er den Bußgeldbescheid des Ordnungsamtes auf und ersetzte ihn durch eine "eher symbolische Ahndung" in Höhe von 150 DM. Denn die Motivationslage der Mutter sei zu berücksichtigen, die das Wohl ihrer Kinder im Auge habe und "Überzeugungstäterin" sei. Und der Richter fragte auch, ob ein Bußgeldbescheid "bei Betroffenen dieser Art das taugliche Instrument" sei, ob nicht "mehr Aufklärung und Hilfestellung seitens der Schulbehörde angeboten werden" müssten.
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Nach polizeilicher Zuführung von Jury, Semjon und Immanuel zur Zwangsbeschulung sieht es derzeit nicht aus. Jedenfalls nicht, solange diese Art abweichenden Verhaltens keine Schule macht.