Aus der Randgruppe über den Barfußpfad in die Natur ... (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Monday, 04.10.1999, 19:02 (vor 9118 Tagen)

Hallo Oliver, Lorenz, Rol, hallo Barfüßer,

ich möchte eine gedankliche Brücke schlagen zwischen mehreren Beiträgen und siedele diese der (erhofften) größeren Aufmerksamkeit - und erwünschter Antworten - halber hier oben an.
Das schlechter und zwangsläufig barfußunfreundlicher werdende Wetter gibt uns ja wieder etwas mehr Gelegenheit zur Diskussion von grundsätzlichen Fragen ...

Solange ich auch in meiner Freizeit befürchten muss, dass [jemand] , der mich barfuss sehen würde, meine Seriösität als Anwalt in Zweifel ziehen und sich fragen könnte, ob er bei mir gut betreut ist [...] , kann man eben nicht unterstellen, Barfussgehen sei allgemein akzeptiert.

Dieses theoretische Risiko gehst Du z. B. auf Rollerblades, im Liegefahrrad, beim Mountainbiken im Gelände ... und vielen anderen denkbaren Tätigkeiten auch ein.
Nur wer ganz und gar angepaßt lebt, geht kaum ein Risiko ein - außer bei denjenigen, denen eben Angepaßte oder Teilaspekte dieses Verhaltens unangenehm auffallen. Mir sind z. B. unter anderem Golfer bis zum persönlichen Beweis des Gegenteils herzlich unsympathisch (hoffentlich fühlt sich kein Mitleser jetzt angesprochen), würde ich Dich also dabei "erwischen" ...
Ich will hier gewiß nichts beschönigen - es wird - statistisch betrachtet und auf die Gesamtbevölkerung bezogen - das "Risiko" beim Barfußlaufen bestimmt höher sein als auf dem Golfplatz ..., aber die höchste zu überwindende Hürde liegt nicht in den Köpfen der Mitmenschen, sondern im eigenen. Durch das Forum bestärkt habe ich jedenfalls in diesem Sommerhalbjahr mein heimatliches Rheinland (und andere Regionen) um ein vielfaches barfußtoleranter erlebt, als ich das in meinem bisherigen Leben für möglich gehalten hatte.

Ich liege insofern ganz auf der Linie von Lorenz, wenn er schreibt :

Worauf ich hinauswill: es gibt sicherlich eine öffentliche Meinung, wann man barfuß sein sollte und wann nicht. Doch der Grenzbereich ist sehr weit und fließend -- und damit beeinflußbar, er steht sozusagen zu unserer Disposition. Es liegt nun in der Art des Menschen, immer wieder Grenzüberschreitungen zu versuchen.

Bei welchen Gelegenheiten solche "Grenzüberschreitungen" überhaupt eintreten, ist regional sicher sehr unterschiedlich und insofern mit abhängig davon, wo im deutschsprachigen Raum man lebt.
Es wäre gewiß auch interessant zu untersuchen, inwieweit der Begriff und der Zustand "barfuß" eigentlich regional, alters- und geschlechtsspezifisch unterschiedlich besetzt sind. Auch diese Frage wurde in grundsätzlicher Form bereits im Forum andiskutiert und folgende Assoziationen u. a. angeboten :

Barfuß =

arm (z. B. als Folge des früher vielfach üblichen Schuheschonens aus Kostengründen im Sommer);
rebellisch (als Folge der 68er Bewegung);
ungepflegt bis unhygienisch (wegen erkennbarer Verschmutzungen und wohl auch wegen der Assoziation mit Hippies);

aber auch

gesund (in der Tradition der Kneipp’schen Lehren);
naturverbunden (wegen des direkten Bodenkontakts);
frei (eine auch von der Werbung gern benutzte Assoziation) usw. usf.

Wenn Oliver schreibt :

Erfreulicherweise zielen z.B. dieses Forum und Aktionen wie die von Lorenz und Georg (vielen Dank für euer diesbezügliches Engagement!!!) darauf ab, genau dies zu ändern. Bis dahin ist es sicher noch ein langer Weg und der Erfolg ist fraglich, aber Teilerfolge wie die Barfussparks und das Medieninteresse und die sehr positive Reaktion auf Lorenz Vorstoss in seiner Gemeinde sind ja nicht von der Hand zu weisen.

dann ist genau die Frage angesprochen, wo die Möglichkeiten dazu zu finden sind, in unserem und aller Barfußinteressierter Sinne Ansätze zu höherer Akzeptanz - zumindest in bestimmten Umfeldern - zu gelangen.
Und relativ klar ist (jedenfalls für mich), daß die Ansatzpunkte hierfür in den allenthalben positiv besetzten Assoziationen des Barfußbegriffs zu sehen sind, also in gesund, naturverbunden und frei - und institutionalisierte Barfußpfade in einigen Orten oder geführte Barfußwanderungen, die es zumindest in einigen Kurorten wohl auch schon gibt, zeigen diesbezüglich neue Chancen auf.
Initiativen wie die der Deutschen Wanderjugend zur Verbreitung des Barfußwanderns können ebenso helfen, den zwangsläufig einengenden Charakter der oben genannten Initiativen (auf dem Parkplatz am Barfußpfad zieht man seine Schuhe aus ... und natürlich auch wieder an) aufzusprengen und die gesamte Natur als "Barfußpfad" zu erschließen - und eine Sammlung von gut geeigneten Routenvorschlägen, wie von Rol angeregt und von Btreff schon ansatzweise umgesetzt kann dabei sicher helfen.

Ich selbst habe mir z. B. für das Winterhalbjahr vorgenommen (in der Erwartung, Zeit dafür zu finden), einige solche Vorschläge im Kölner Raum auszuarbeiten, und ich möchte alle herzlich ermuntern, es anderswo ebenso zu handhaben.
Wie wir unsere (Wander- und sonstigen) Ideen dann wirkungsvoll "vermarkten" müssen wir noch sehen - aber erst Vorschlag, dann Verbreitung ist wohl unstrittig die richtige Reihenfolge.

Wie Ihr bemerken werdet, ist mir derzeit ein gewisses Maß an Optimismus zu eigen, daß wir aus eigener Kraft 2000 zwar sicher keinen Durchbruch erzielen, aber doch einige Fort - Schritte aus dem Randgruppenstatus heraus machen können - wenn wir uns auch dafür einsetzen ! (Der Durchbruch hat ja noch Zeit bis 2001)

Zuversichtliche Füße
Georg


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