Barfuß am Heiligabend, letzter Teil (Hobby? Barfuß! 2)
Heiligabend 2007: Ich war barfuß in Zürich am Paradeplatz aus der Straßenbahn ausgestiegen. Eine Frau (Mitte 50) kam auf mich zu und fragte mich mit weinerlicher Stimme: "Wollen Sie unbedingt zu Weihnachten sterben?" Ich antwortete: "Nein, ich will nicht sterben, und ich werde jetzt nicht sterben!" Darauf sagte sie: "Sie erfrieren doch hier! Drei Tage gebe ich Ihnen noch." Da kam meine Bahn und ich stieg ein. Durch das Fenster sah ich, wie die Frau angewurzelt dort stand. Irgendwie kam ich mir schäbig vor, daß ich sie einfach so stehen ließ. Diese Frau machte sich wirklich Sorgen um mich. Vom äußeren Erscheinungsbild könnte es sich um eine Mitarbeiterin einer evangelischen Freikirche gehandelt haben. Fast schon hatte ich den Eindruck, als ob es sich um keine wirkliche Frau gehandelt hatte. Irgendwie nahm mich das doch mit.
Das Tram fuhr zur Endhaltestelle am Jagdhaus Albisgütli, der "Brutstätte der barfüßigen weißen und schwarzen Schafe". Halt! Nicht schon wieder Politik! Nein, passiert nicht, denn schon setzte sich das Off-topic-Fahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt übrigens nur barfüßige Fahrgäste beförderte, wieder in Bewegung und brachte mich aus der brisanten Zone, während von Haltstelle zu Haltestelle der Anteil der fett beschuhten Fahrgäste exponentiell zunahm.
Ich reiste nach Höngg, wo ich in den Omnibus überwechselte. Dieser Bus fuhr bergauf auf den Hönggerberg, hier waren die Bäume mit Rauhreif bedeckt. Ein friedliches Bild? Keineswegs! Ohne Halt passierte der Bus die auf dem Berg liegenden Haltestelle. Das Häuschen war mit Kränzen geschmückt, Kerzen brannten. Wieder wurde mir bewußt, daß man nicht alle Leute einer Berufsgruppe über einen Kamm scheren kann, überall gibt es schwarze Schafe. Z.B. bei Polizisten, aber auch beim Schweizer Militär. Hier hatte ein Soldat "einfach so" eine junge Frau, die er gar nicht kannte, aus dem Hinterhalt erschossen. Ein Zufallsopfer, ohne plausiblen Grund. Es hätte jeden treffen können. Wenn der Soldat nicht die Frau, sondern mich erschossen hätte, hätte es geheißen, der Täter hätte sich an den nackten Füßen/Beinen des Fahrgastes gestört und geschossen. Vielleicht hätte er sogar deswegen mildere Strafe bekommen.
Der Bus fuhr bis Oerlikon, dann ging es mit der S-Bahn weiter bis Stadelhofen. Dann Noch mit der Forchbahn bis Rehalp, dort war ein gebührenfreies und aus barfußtechnischer Sicht nicht ekelerregendes WC, dann mit dem Tram weiter. Am Sternen Oerlikon bemerkte ich, nachdem ich dort das Tram verlassen hatte, wie der Fahrer eines anderen Trams langsamer wurde und auf meine Füße starrte. Bei den weiteren Fahrten achtete ich darauf, daß ich vor dem Einsteigen hinter einem Papierkorb stand, so daß die Fahrer beim Einfahren in die Haltestelle zwar mich sahen, nicht aber was ich unterhalb der Gürtellinie trug bzw. nicht trug. Und immer stieg ich hinten im Fahrzeug ein. Somit wollte ich die Gefahr, daß ein Fahrer die Polizei ruft, so wie es mir mal in Karlsruhe und in Genf passiert ist, auf ein Minimum beschränkt bleibt.
Einmal sprachen mich im Tram auch junge, aufgedonnerte Frauen auf meine Barfüßigkeit an. Aber nur kurz, dann war es auch für sie normal. Auch Kinder starrten mich manchmal an. Einmal sagte dann eine Mutter: "Siehst du, der Mann ist barfuß! Das ist gesund!" Vermutlich läuft das Kind auch im Sommer nicht gerne barfuß. Ansonsten hätte es wohl noch gesagt, daß es auch barfuß sein wollte. wie hätte sich dann die Mutter verhalten sollen?
Um 21.30 Uhr fuhr mein Zug, diesen erreichte ich ohne Probleme. Der Schaffner interessierte sich auch nicht für meine Füße, sondern nur für die Fahrkarte. Nach Umsteigen in Olten erreichte ich Zofingen, bei -3°C. Aber meine Füße wurden nicht kalt, als ich nach Hause radelte. Aber ich war sehr müde, als ich zu Hause war. Ein barfüßiger Heiligabend ging vorbei.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen