Kleidung bei kühlen Temperaturen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Thursday, 24.08.2006, 09:05 (vor 6605 Tagen) @ Markus U.

Hallo Markus,

mein Beitrag bezog sich eigentlich auf das Tragen von Kleidungsstücken mit geringem Bedeckungsgrad bei tiefen Temperaturen. Dieses Thema wurde schon häufiger angesprochen, wenn ich mal wieder von der Polizei kontrolliert wurde. Es bezog sich mehr auf die Kombination von Kleidungstücken, die für sich allein betrachtet bei den Temperaturen auch bei "Frostköteln" nicht gesundheitsschädlich sind, jedoch im "Normalfall" nicht miteinander kombiniert werden (z.B. Jackett, Krawatte, kurze Hose, barfuß im Sommer). Wenn dann die Polizei eingreift, finde ich das bedenklich.

Du schriebst:
"Natürlich ist es nicht "verboten", im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt barfuß in kurzen Hosen und ohne Jakke herumzulaufen. Da die Polizei jedoch nicht ohne weiteres wissen kann, ob das in eigener Verantwortung geschieht, muß sie das überprüfen."

Das stimmt. Aber dann müßte die Polizei eigentlich jeden überprüfen. Wie viele Leute trifft man mit Anzug, Krawatte und fetten Halbschuhen mit Socken im Hochsommer an, weil irgendein "böser" Arbeitgeber eine Kleiderordnung erläßt. Diese Mitarbeiter handeln nicht eigenverantwortlich, sondern auf Befehl des Vorgesetzten. Viel lieber würden sie barfuß und in kurzen Hosen laufen. Die einzige Möglichkeit, die diese Mitarbeiter haben ist eine Arbeit zu suchen, in der es keine Kleiderordnung gibt.

"Und da sie nicht überall sein kann, wird sie manchmal auch von besorgten Bürgern (nicht notwendigerweise von "Spießern") herbeigerufen. Es gibt immer wieder Berichte über verwirrte ältere Personen, welche zur Winterszeit barfuß in leichter Bekleidung aus einer Pflegeeinrichtung davonlaufen und sich nicht zurechtfinden. In solchen Fällen kann der Einsatz der Polizei sogar Leben retten."

Im Forum hat einer mal geschrieben: "Das Gegenteil von "gut" ist nicht unbedingt "schlecht", sondern "gut gemeint". Aber etwas gut gemeintes kann auch Schaden anrichten. Wenn eine Oma ihren Enkeln Schokolade mitbringt, will sie denen eine Freude machen. Das aber kann Karies ergeben, was jedoch als "Wohlstandskrankheit" nicht gerade besorgniserregend ist. Bei zuckerkranken Kindern (eine Minderheit) kann normale Schokolade aber tödlich sein. Eine Oma weiß meistens davon, aber eine wildfremde Person nicht unbedingt. Außerhalb von Amerika würden vermutlich die Gerichte keinen Menschen wegen versuchter Tötung verurteilen, wenn er einem unbekannten zuckerkranken Kind als Dank dafür, daß es in der vollen Straßenbahn aufgestanden ist, einen runtergefallenen Gegenstand aus dem Wasser fischt usw., Schokolade anbietet.
Ein besorgter Bürger glaubt mangels eigener Erfahrung vielleicht, daß die Kombination barfuß-kurze Hose bei +15°C gesundheitsschädlich sei, und glaubt, die Polizei sei der richtige Ansprechpartner (ohne zu ahnen, daß er sich im Grunde nicht anders verhält als ein Mensch, der möchte, daß sein krankes Pferd wieder gesund wird, jedoch nicht den Tierarzt für den kompetenten Ansprechpartner hält, sondern den Metzger). Zumindest in der (Deutsch-)Schweiz zielten die meisten meiner Polizeikontrollen darauf hinaus, daß man mir nicht helfen wollte, sondern irgendwelche Dinge suchte, die mich belasten würden (defektes Velo, Drogen usw.) . Die Polizei schlüpfte also nicht in die Rolle des "Tierarztes", sondern die des "Metzgers". Einem Bürger, der noch glaubt, die Polizei sei "Freund und Helfer", kann man es noch verzeihen, daß er die Polizei ruft. Wenn diesem Bürger aber die Aufmachung barfuß-kurze Hose (oder sonst irgendwas, was nicht verboten ist) absolut nicht gefällt und die Polizei ruft mit dem einzigen Hintergedanken, daß sie ihm Geld abknüpft oder einsperrt, dann handelt es sich bei diesem Bürger eindeutig um einen SPIESSER!

Schön öfter sagte ein Polizist (nicht nur bei tiefen Temperaturen): "Sie könnten ja irgendwo ausgebrochen sein!" Kann ein Mensch in Anzug und Krawatte (oder mit langen Jeans und Sandalen mit mausgrauen Socken) nicht auch irgendwo ausgebrochen sein? Ich kann mir folgendes vorstellen: Wenn ein Polizist in der Fußgängerzone an einem normalen Wochentag im Sommer sich einen Vizedirektor in Anzug und Krawatte aus der Menge herauspickt und diesen Satz als Begründung für eine Ausweiskontrolle sagt, wird der Beamte ganz schön Schwierigkeiten bekommen, wenn sich der Vizedirektor bei der vorgesetzten Dienststelle beschwert. Sollte sich aber ein Barfüßer in kurzen Hosen beschweren, bekommt nicht der Beamte Schwierigkeiten, sondern der Barfüßer.

Es entlaufen nicht nur barfüßige Menschen irgendwelchen Pflegeeinrichtungen, sondern auch solche in normaler Kleidung, die aber auf Medikamente angewiesen sind. Solche Leute fallen weniger leicht auf. Wenn so einer stirbt, weil er keine Medikamente erhielt, bekommt vielleicht die Pflegeanstalt Schwierigkeiten, seltener aber die Polizei. Ein Polizeiansatz kann nicht nur Leben retten, sondern auch Leben gefährden. Es gibt Temperaturbereiche, bei denen man zwar ideal barfuß laufen kann, jedoch in Bewegung bleiben muß. Wenn man länger stehen bleibt, kann man sich Erfrierungen zuziehen. Wenn aber die Polizei einen eine halbe Stunde in der Kälte stehen läßt und man holt sich tatsächlich Erfrierungen, dann hat man außerhalb der USA wohl kaum ein Chance, die Beamten wegen Körperverletzung zu belangen. In meiner Vorbarfußzeit war ich mal mit dem Fahrrad unterwegs, in T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen ohne Socken, und das bei Temperaturen um 17°C in der Sonne (im September). Eine Regenjacke hatte ich dabei. Plötzlich kam Wind auf und es setzte ein heftiger Regen ein. Etwa 300 Meter vor mir befand sich das hölzerne Wartehäuschen einer Bushaltestelle. Ich hielt es für sinnvoller, dorthin zu fahren und mir im Trocknen die Regenjacke aus den tiefsten Schichten der Packtasche zu kramen als dieses im Regen zu tun. Daraus wurde nichts. Polizisten hielten mich an, verlangten meinen Ausweis. Als ich sagte, der wäre in der Packtasche, mußte ich ihnen die Packtasche ins Auto reichen, wo sie sie seelenruhig alles durchstöberten. Ich mußte draußen im Regen stehen bleiben. Die Beamten weigerten sich, mir die Regenjacke zu geben. Nach ca. 20 Minuten war die Kontrolle beendet. Tage später hatte ich einen Schnupfen!"

Viele Grüße,
Michael aus Zofingen


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