Der Ernst der Lage (Hobby? Barfuß! 2)

Michael K. (BO), Stammposter, Wednesday, 24.05.2006, 05:59 (vor 6763 Tagen) @ Zufälliger Passant

Ich habe selbst mal von jemandem Prügel bezogen, der das Ganze mit "Was guckst Du" eingeleitet hat. Bis dato dachte ich, das gibt´s nur in schlechten Witzen, aber nein, der Idiotie mancher - humanoider Lebensformen - sind leider keine Grenzen gesetzt.

Es gibt da noch eine andere Betrachtungsweise, wenn man sich dieses berühmte "Was kuckst du?!" mal genauer betrachtet. Diejenige Person fühlt sich bereits durch einen Blick herausgefordert, scheint also angespannt oder verunsichert zu sein. Das kann bedeuten, dass sie sich unterlegen fühlt und jetzt etwas tun möchte, um die eigene Lage zu verbessern.

Der ausgetretene gedankliche Pfad zu diesem Ziel führt über ein Denken in Hierarchien, in Kategorien von Sieger und Verlierer. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Angucker der Sieger, denn er hat durch bloßes Schauen eine Reaktion hervorgerufen. Dem ausgetreten Pfad folgend, würde der Angucker sich nun durch die Frage jedoch seinerseits provoziert fühlen, in seiner Person beschädigt und unterlegen vorkommen. Am Ende dieses millionenfach beschrittenen Weges steht im schlimmsten Fall der Kampf bis zur gegenseitigen Vernichtung. Wie überaus langweilig.

Der Angucker hat es also in dieser Situation in der Hand, beide zu Siegern zu machen. Der Herausgeforderte möchte seine Ruhe haben, also könnte man versuchen, zuallererst durch Körpersprache zu signalisieren, dass man ihn nicht belästigen möchte. Seine Haltung könnte so etwas ausdrücken wie "Mir war nicht klar, dass ich Dich belastet habe. Ich verstehe Deine Frage als Warnung und werde jetzt weitergehen. Wenn ich noch etwas für Dich tun kann, werde ich es im Rahmen meiner Möglichkeiten versuchen. Nicht dulden werde ich es aber, wenn Du jetzt eine Auseinandersetzung beginnen möchtest." Die Körpersprache sagt so viel mehr aus, als man je in Worte fassen könnte, dass friedliche Gedanken wichtig sein. Falls es sich ergibt, dass etwas zu sagen ist, sollten die Wörter zu der Haltung passen. An der Stelle weiß ich auch nicht, ob ich es schaffen würde, nicht herablassend, nicht provozierend, sondern verbindlich, ausgleichend und die Würde wahrend zu wirken.

Klar ist mir jedenfalls, dass ich keinerlei Kampferfahrung habe und auch keine Freude an körperlicher Auseinandersetzung. Aus derzeitiger Sicht würde ich mir im Extremfall auf die Mütze geben lassen und fest daran glauben, dass der Gegenüber durch meine Unlust, das Spiel mitzuspielen, irgendwann gelangweilt von mir ablässt. Das wird schmerzhaft sein, aber es wird mein innerstes Ich nicht berühren, weil es Stärke nicht aus Gewalt beziehen möchte. Und dass der Angreifer der wahre Verlierer ist, wird von Anfang an klar gewesen sein. Das, wie gesagt, wenn man in diesen ausgelatschten zweipoligen Kategorien denken will.

Vermutlich werden meine Überlegungen die ersten 5 Sekunden einer Krise auch nicht überleben, aber bis dahin gebe ich mich der Illusion hin, jetzt besser auf die Begegnung mit gewalttätigen Soziopathen vorbereitet zu sein.

Mein Eindruck ist, dass Du auch die Seitenwege noch genauer erforschen und Dich dem Thema von mehreren Seiten nähern solltest. Dann musst Du auch nicht resignierend und selbstreduzierend von Illusionen schreiben. Das mag zwar realistisch sein, aber in der realistischen Welt bekommst Du eben in solcherlei Situationen Prügel, so dass etwas anderes als der bloße Realismus gefragt ist.

Stichwörter wären Gütekraft und Gewaltfreie Kommunikation.

Das Thema Soziopathie, also Gefühllosigkeit im Umgang mit Mitgliedern der Gesellschaft, ist mir weiterhin unheimlich. Es gibt da ein lesenswertes Weblog zu dem Thema, "Als-ob-leben?". Wenn man so einem Sozio- oder auch Psychopathen gegenübersteht, könnten die beschriebenen Mittel der Gütekraft und der Gewaltfreiheit an Wirksamkeit verlieren, weil sie auf Ebenen wirken, die einem Sozipathen fremd sein könnten. Im Grunde hat man es dann mit dem Bösen an sich zu tun, und was tut man gegen das Böse? Trotzdem Mitgefühl zeigen, würde ich sagen, denn es ist das Mitgefühl, das unbedingt siegen soll. Selbst wenn man dann eine Auseinandersetzung verliert, hat man gelernt, hat vielleicht der andere gelernt, haben vielleicht die Umstehenden gelernt.

Übrigens halte ich das Thema für überall relevant, aber ganz besonders in diesem Forum. Hier sind Menschen, die den Kontakt zum Boden schätzen, die sich nicht in stahlkappenverstärkten Stiefeln verstecken möchten, die der Sache auf den Grund gehen wollen. Als Barfüßer hat man die Gelegenheit, positiv aufzufallen.

Gruß aus dem herbstlichen Pott,
Michael

P.S.: Es wäre gut, wenn Du Deine Sonderzeichen nicht in UTF-8 (Unicode) verpacken würdest, weil sonst für alle anderen, die simples ISO-8859-1 oder -15 nutzen, die von Andi beschriebenen Hieroglyphen herauskommen. Verantwortlich dafür ist Dein Browser, ggf. der Editor, mit dem Du den Text geschrieben hast. Parsimony spart sich offensichtlich eine Zeichensatzdeklaration im HTML-Kopf der Forentexte, die solche Unpäßlichkeiten verhindern könnte.


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