Barfuß am "Spektakel" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 16.05.2006, 07:05 (vor 6706 Tagen) @ Luc

Hallo Luc,

vielen dank für Deine Aufklärung über die Barfüßigkeit in den Mülhausener Verkehrsmitteln vergangener Tage.

Es ist schwierig, das Verhalten von Leuten in Mülhausen mit denen in deutschsprachigen Großstädten zu vergleichen, da ich praktisch kein Französich kann. Jede deutsche Bemerkung verstehe ich sofort, eine französiche, die sich auf ganz andere Dinge bezieht, könnte ich fehlinterpretieren. Grundsätzlich kamen mir die "großen Glotzaugen" der Kinder in Mülhausen größer vor als etwa in Dresden kurz vor Ostern oder in Basel um die Weihnachtszeit, obwohl es in Mülhausen zumindest tagsüber angenehm warm war.

"ich lasse dich gern der Erste sein. Du hast vieles gesehen, und bist auch viel herrumgefahren."

Ich bin nicht scharf auf Rekorde, noch bin ich Bürokrat. Es ist doch wirklich nicht speziell erstrebenswert, an einem sonnigen Tag im Mai der erste Fahrgast zu sein, der barfuß eine Straßenbahn benutzt.

"Achtung, nächsten Samstag(20/5) werden wahrscheinlich noch mehr Polizei in der Stadt sein; der Präsident Chirac kommt für Eiweihung! Ich werde auch nicht dabei sein."

Ich kann zwar kaum französich, aber wenn ich einen französischen Text lese, dann kann ich gewisse Dinge hineininterpretieren. Unter anderem auch, daß am nächsten Samstag Monsieur le President das Tram offiziell einweihen wird und zu diesem Zweck wieder einmal die Bevölkerung gratis fahren darf. (Diese Woche kann die Bevölkerung zu einem günstigeren Preis fahren). Daß bei der Anwesenheit eines Präsidenten mehr Polizisten im Einsatz sind, überrascht nicht. Ich vermute aber nicht, daß französiche Polizisten in einem Barfüßer eine Gefahr für den Präsidenten sehen. Andererseits glaube ich auch nicht, daß französiche Polizisten es für unzumutbar halten, wenn Monsieur Chirac einen Barfüßer zu Gesicht bekommen sollte und deswegen vorsorglich "aufräumen". Die Polizisten werden mehr Sorge tragen, daß echte "Feinde der Republik" nicht zu nahe an den Präsidenten kommen.

Man hörte ja viel von Gewaltaktion französischer (genauer in Frankreich lebender) Jugendlicher ohne berufliche Perspektive in den französichen Großstädten. Mülhausen stand dabei allerdings nie im Rampenlicht, vielleicht zu klein, zu peripher, zu "unfranzösisch". Jugendliche, die des Nachts Autos anzünden, würden sicher auch einen einzelnen Barfüßer attackieren. Aber vermutlich nicht allein wegen barfuß. Jeder einzelne Mensch, der einer brutalen Jugendbande begegnet, würde angegriffen werden, solange sie einen für "anders" halten.

Ob die Leute, die Steine nach mir geworfen hatten, wirklich sehr gewalttätig waren?

Nächstes Wochenende soll wieder schlechteres Wetter sein. Also werde ich wohl kaum wieder nach Mülhausen radeln, um umsonst barfuß Straßenbahn zu fahren. So groß ist das Tramsystem wirklich (noch) nicht. Und andererseits habe ich auch nicht das Bedürfnis, einem französichen Staatspräsidenten barfuß gegenüber zu stehen. (Und auch nicht beschuht! Und auch anderen Staatspräsidenten nicht!).

Schöne Grüße

Michel aus Zofingen


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