Barfüßiger Sonntagsspaziergang (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 20.02.2006, 16:43 (vor 6791 Tagen)

Sonntag, 19.2.2006: Leider war die Nacht klar geblieben, so daß es morgens um 9 Uhr derart kalt war, daß ich nicht barfuß radfahren wollte. Also entschloß ich mich, auf Schusters nicht vorhandenen Rappen loszuziehen. Teilweise waren Pfützen überfroren, meistens war die Straße aber naß. So dauerte es nicht lange, da kamen die "lausigen 10 Minuten", die diesmal einiges länger dauerten. Grund genug, auf dem Weg in Richtung Aarburg Asphaltwege zu benutzen statt Feldwege.

In Aarburg selbst gab es ein paar starre Blicke von alten Leutchen, mehr nicht. In Richtung Olten benutzte ich den für Autos gesperrten Weg am westlichen Aareufer. Ein Ehepaar kam mir entgegen. Der Mann fragte, ob alles in Ordnung sei. Darauf antwortete ich, daß barfuß gesund ist. Dann sagte der Mann: "Gesund ist es sicher, solange es nicht zu kalt ist!" Die Frau fragte noch, ob ich Schuhe und lange Hosen im Rucksack hätte, aber ich verneinte. Als ich aber noch erzählte, daß ich in Zofingen gestartet war, noch nach Olten wollte und auch noch die Frage, ob ich das öfters machte, bejahte, meinte der Mann nur noch: "Ja, dann ist es gesund!"

Bald hatte ich Olten erreicht. Ich benutzte zunächst einen Wanderweg, der sich direkt am Ufer an den Fels schmiegt, überquerte dann den Fußgängersteg der Gäu-Eisenbahnbrücke, um kurze Zeit später auf den Planken der gedeckten Holzbrücke abermals die Aare zu überqueren. Als ich das Kopfsteinpflaster in der Altstadt unter die Füße nahm, starrten mich einige Leute, speziell Kinder, fassungslos an. Aber nicht mehr lange, denn bald hatte ich den Weg parallel zum Fluß Dünnern zu fassen. Teilweise zwar rauher Asphalt vor Industrieanlagen, teilweise aber auch nasses Gras, teilweise umgepflügter Acker, teilweise Matschwege, alles, was das Herz eines Barfüßers höher schlagen läßt. Wieder einmal gab ich mir nicht sonderlich Mühe, Schlammspritzer zu vermeiden. Zwar hasse auch ich schlammverspritzte Kleidung und nasse Hosensäume, aber ich war ja entsprechend vorbereitet. Leider erreichte ich bald eine Straße, auf der gerade ein paar Frauen laut schnatternd entlang gingen. Als eine mich sah, hörte augenblicklich das Geschnatter auf, eine sagte: "Ihhhh, der läuft ja barfuß!" Und eine andere: "Und Spaß scheint es ihm auch noch zu bringen!"

Ich durchschritt die Ortschaft Cappel, um dann dem Wanderweg bergauf in Richtung "Bornchrüz" zu folgen. Teilweise fieser Schotter, aber ich konnte meist auf Laub neben dem Weg aufweichen. Die letzten Meter waren verschneit, aber auch hier kam ich durch. Ein altes Ehepaar sah mich entgeistert an, als ich hier oben längs stapfte. Bergab war es teilweise sehr rutschig, Teilweise war der Mutterboden total weggewaschen, so das der nackte Fels (kein gewachsener Fels, sondern "verkittetes Geröll"), also nicht gerade barfußfreundlich. Aber auch hier lag teilweise Laub, aber ich trat vorsichtig zu, weil sich teilweise auch Brombeerranken darunter befanden. Dann ging es weiter auf dem Gras neben einem Weg, es folgte ein neu asphaltierter Feldweg hinunter in den Ortskern von Boningen.

Hier schien meine Barfüßigkeit nicht sonderlich aufzufallen. Dann folgte ein Schotterweg parallel zur Aare, aber dank Wiesen und Äckern kam ich auch hier gut voran. Etwa 200 Meter mußte ich das Trottoir an einer Verkehrsstraße benutzen, bevor der Weg hinunter zum Wehr führte. Und ausgerechnet auf diesem Wegstück kam das, was bei mir zwangsweise kommen mußte: Polizei! Die jungen Beamten sprangen aus dem Fahrzeug, verlangten meine Papiere. Ein Beamter sagte: "Es gingen Meldungen ein, daß hier ein verwirrter Mensch herumläuft!" Darauf entgegnete ich: "Seit wann ist man verwirrt, nur weil man eine kurze Hose, keine Mütze, kein Schuhe und keine Handschuhe trägt?" Als ich ihnen erzählte, wo ich gewesen war, waren sie nur noch erstaunt. Sie wünschten mir noch einen guten Sonntag. Auch wenn diese Beamten höflich blieben, so stimmt es mich doch nachdenklich, daß die Polizei derart schnell einen "Verbrecher" findet. Immer mehr komme ich zur Erkenntnis, daß die Schweiz ein Paradebeispiel für einen Überwachungsstaat ist.

Als ich zum Kraftwerk hinunterschritt, kamen mir etliche Leute mit Kindern entgegen. Da es hier windig war, waren speziell die Kinder winterlich vermummt, mit Handschuhen, Mützen, langen Hosen und selbstverständlich Schuhen. Große Glotzaugen waren die Folge. Ich überschritt jedoch nicht die Aare, sondern betrat noch eine Sandbank und watete auch ein Stück durchs Wasser. Leute am anderen Ufer schienen erstaunt zu sein. Nicht erstaunt war dagegen ein Schwanenpaar, das vermutlich noch nie was von Vogelgrippe gehört hat. In Schwanenkacke trat ich übrigens nicht hinein, weil keine da war!

Ich ging aareabwärts bis Aarburg, überquerte den Fluß und folgte dem Ufer bis zur Wiggermündung. Über matschige Feldwege und später Asphalt gelangte ich nach Zofingen. An der Vogelvoliere waren Eltern und ihre Kinder, offensichtlich indischer Abstammung. Von den Erwachsenen starrte mich keiner an, auch die Kinder blickten nur interessiert. Offensichtlich reagieren Inder diesbezüglich anders als Schweizer. In der Altstadt waren auch einige Familien, unter anderem schob ein Mädchen den Kinderwagen mit einem noch kleinerem Kind. Als die Mutter sah, daß ich keine Schuhe trug, sagte sie zur Tochter: "Paß auf! Fahr dem Mann nicht über die Füße!" Erst begriff die kleine nicht, dann aber sah sie den Grund und starrte mich mit großen Glotzaugen an. Sie wollte gar nicht weiter gehen.

Auf dem letzten Wegstück nach Hause begegnete mir noch eine Arbeitskollegin. Ein öffentliches Thermometer zeigte +6°C an, als es kurz vor 18 Uhr war. Mein barfüßiger Sonntagsspaziergang war vorbei. Und es war sicher nicht mein letzter, trotz der Kontrolle durch die "Schroter".

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Guter Tip :)

FrankX, Stammposter, Monday, 20.02.2006, 21:08 (vor 6791 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Vielleicht solltest Du die Polizei vorher informieren, dass Du unterwegs bist, damit sie wissen, dass sie mit besorgten Anrufen rechnen müssen und die Leute beruhigen können und sie nicht immer vergeblich ausrücken müssen :)

Barfüssige Grüsse,

FrankX

Meldepflicht?

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 21.02.2006, 10:34 (vor 6790 Tagen) @ FrankX

Hallo Frank,

vielleicht werde ich weniger belästigt, wenn ich der Polizei jedes Mal mitteile, wenn ich barfuß unterwegs bin. Das geht vielleicht solange gut, bis zufällig gleichzeitig ein anderer Mensch barfuß gesichtet wird und die Polizei greift nicht ein, weil ich mich ja ordnungsgemäß angemeldet habe. Wenn der andere Barfüßer dann erfriert oder sonst wie zu Schaden kommt, wer ist dann Schuld?

Wenn ein Mensch eine bedingte Haftstrafe absitzen muß oder Hafturlaub hat, dann halte ich es noch für gerechtfertigt, sich bei der Polizei zu melden. Aber wenn der Staat so etwas von einem unbescholtenen freien Schweizer Bürger verlangt, wäre das eindeutig eine Menschenrechtsverletzung, ein Verstoß gegen die Genfer Konvention oder wer weiß nicht was. Irgendwie habe ich auch Mühe mit dem Gedanken, mich für eine Sache bei der Polizei zu melden, die eigentlich das natürlichste auf der Welt ist und in keinem Schweizer oder deutschen Gesetz als Straftat oder auch nur Ordnungswidrigkeit angegeben ist. Hier kann ich gleich an Manfred anknüpfen, der sich über die "Notwendigkeit" von Barfußparks wundert sowie über vergleichbare "Off-topic-Dinge". Angenommen, ich würde eine Barfußwanderung vorher der Polizei melden, dann könnte man das auch so interpretieren, daß ich ein schlechtes Gewissen habe und barfuß laufen für eine "eigentlich verbotene" Sache halte und nun um eine "Ausnahmegenehmigung" ersuche. Dabei soll doch barfußlaufen nicht auf "Reservate" beschränkt bleiben, sondern überall in der Öffentlichkeit ohne "Ausnahmegenehmigung", Bewilligungspflicht usw. kostenlos durchführbar sein, ohne wenn und aber!

Wenn ich jedes Mal bei der Polizei meine Barfußaktivität anmelde, verlangt sie vielleicht noch eine "Bearbeitungsgebühr". Im Einkassieren von Gebühren usw. sind Behörden ja nicht zimperlich, man denke nur an die "Laternengebühr". Und wieder ist eine lukrative Einnahmequelle gefunden. Dabei sollte man doch lieber die Schuhträger zur Kasse bitten! Davon gibt es mehr!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Meldepflicht?

FrankX, Stammposter, Tuesday, 21.02.2006, 13:23 (vor 6790 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Das war überigens ironisch und nicht ernst gemeint. Die Polizei sollte dich langsam kennen und die Leute fragen, ob der Mann kurze Hosen trägt. Dann wüssten sie sofort, dass du es bist.

Gruss,

FrankX

Meldepflicht?

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 21.02.2006, 16:53 (vor 6790 Tagen) @ FrankX

Hallo Frank,

ich habe Deinen "Tip" auch ironisch interpretiert. Vor ungefähr 1,5 Jahren hatten wir das Thema übrigens auch, damals hat mir den Vorschlag sogar ein Polizist gemacht. Es war Oktober. Ich berichtete hier darüber:
index.php?id=994242604

Und Du hast mich an diesem Tag auch gesehen:

index.php?id=994242630

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Barfüßiger Sonntagsspaziergang

Martin (Giessen), Stammposter, Tuesday, 21.02.2006, 14:43 (vor 6790 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael!

Vielen Dank für Deinen wiedereinmal so plastisch geschilderten Bericht, das man fast meint, neben Dir herzulaufen. Deine Wegbeschreibungen sind absolut Wanderführer-tauglich!
Bei Deiner sonntäglichen Begegnung mit der Polizei scheint mir aber (diesesmal) doch keine "Verbrecherjagd" vorgelegen zu haben. Du schreibst ja selber, die Anrufer hätten eine verwirrte Person gemeldet. Da kann man der Polizei doch sicher eine Fürsorgepflicht unterstellen. Schließlich schlug die sorge der Beamten während der kontrolle ja offenbar auch in Bewunderung über Deine "Leistung" um.

Als aktiver Notarzt habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder erleben müssen, wie tatsächlich verwirrte Menschen sich verlaufen und sehr häufig dann wegen der Unterkühlung ein wirklich lebensbedrohliches Problem bekommen. Tatsächlich fallen diese Menschen unseren sonst ziemlich teilnahmslosen Mitbürgern auf, weil ihre Kleidung nicht an Zeit / Ort / Witterung angepasst ist.

Unterstellen wir doch heute mal Deinen Eidgenossen und den Beamten nur die humansten Absichten ;-)

Viele Grüße aus Hessen

Martin

Barfüßiger Sonntagsspaziergang

Vesa Local @, Stammposter, Wednesday, 22.02.2006, 08:34 (vor 6789 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi, Michael!

Ich finde es toll, daß Du so erfolgreich gegen die allgemeine(!) 'hauptsache-(wärmer-als-kuschelig-)warm'-Tendenz angehst! :-)

Barfuß bis unter den Nullpunkt: Für mich mittlerweile 'Ok', wenn es nicht 'neblig' und windig ist.
(Ich habe vor einigen Tagen die Kraft der Sonne auf meiner Haut gespürt: Der Frühling kommt! Oder...?)
Dazu kurze Hosen und - was hattest Du 'obenrum' an? Da kann ich nicht mithalten. (Oder doch? Keine Ahnung, denn ich habe es bisher noch nicht probiert. Ich vermute aber: "Nein.")

"Ihhhh, der läuft ja barfuß!" Und eine andere: "Und Spaß scheint es ihm auch noch zu bringen!"

[ironie an] Tja, und das ist ja nun etwas ganz schlimmes! [ironie aus]

Wurde diese Erkenntnis von den 'Schnattergänsen' denn auch umgesetzt?
Nöööö...

Viele Grüße
Vesa Local

Barfüßiger Sonntagsspaziergang

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Thursday, 23.02.2006, 10:56 (vor 6788 Tagen) @ Vesa Local

"Ich finde es toll, daß Du so erfolgreich gegen die allgemeine(!) 'hauptsache-(wärmer-als-kuschelig-)warm'-Tendenz angehst! :-)
Barfuß bis unter den Nullpunkt: Für mich mittlerweile 'Ok', wenn es nicht 'neblig' und windig ist.
(Ich habe vor einigen Tagen die Kraft der Sonne auf meiner Haut gespürt: Der Frühling kommt! Oder...?)
Dazu kurze Hosen und - was hattest Du 'obenrum' an? Da kann ich nicht mithalten."

Hallo Vesa Local ,

ohne Jacke (andere würden das als "Sommerjacke" bezeichnen, aber wozu braucht man im Sommer bei trocknem Wetter eine Jacke?) ging es auch bei mir nicht.

Meistens ist es ja so, daß Leute, die bei vergleichsweise tiefen Temperaturen barfuß laufen, auch an anderen Körperteilen eher weniger kälteempfindlich sind als Leute, denen es bei tiefen Temperaturen zum Barfußlaufen zu kalt ist. Allerdings spielt auch das Training eine Rolle. Wenn ich früher etwa an einen Badesee fuhr und ich dort ankam, wenn es für den Aufenthalt in der Badehose noch zu kalt war und ich ein T-Shirt benötigte, dann mußte ich auch noch Schuhe anbehalten, weil es barfuß zu kalt war. Heute kann ich barfuß laufen, wenn es mir ohne Jacke zu kalt ist. Aber es ist mir noch nicht gelungen, bei Temperaturen barfuß zu laufen, wenn es mir in kurzen Hosen zu kalt ist. Vielleicht gelingt es mir irgendwann einmal, ohne daß ich in Sachen anderer Kleidung kälteempfindlicher werde.

Während der Unizeit kannte ich einen, der auch im Winter ohne Handschuhe und in Sandalen ohne Socken auf dem Fahrrad zur Uni kam, aber bei tiefer Temperatur eine Mütze benötigte, auch im Sommer trug er eine lange Hose. Da an der Uni noch kein "Dienstkleidungszwang" bestand, kam es vor, daß ich im Sommer bei Temperaturen über 15°C kurze Hosen trug, aber immer Schuhe und Socken (ich schäme mich deswegen noch heute, jaul). Im Winter aber waren für mich Handschuhe "überlebenswichtig". Er wunderte sich daß ich im Winter ohne Mütze auskam und im Sommer ohne lange Hosen, und ich wunderte mich, daß er weder Handschuhe, noch Socken benötigte.

Alles Gewöhnungssache!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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