Auf´s Glatteis geführt (nach Kälberwerder) (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Ulrich,
schönen Dank für Deinen gelungenen Bericht. Ich kann richtig neidisch werden. In der Schweiz gibt es zwar auch einige große Seen und Flüsse, aber die frieren so gut wie nie zu. Und wenn schon, dann ist es gleich so kalt, daß barfuß laufen keinen Spaß mehr bringt.
Gleichzeitig ärgere ich mich, daß ich nicht schon früher barfuß lief. Während meiner Studienzeit in Oldenburg wohnte ich etwa 200 Meter von einer kleinen Kieskuhle entfernt, die ich im Sommer zum Baden nutzte. Es kam eigentlich nur selten vor, daß diese Kuhle gefror, aber es kam vor. Dann waren Schlittschuhläufer darauf zu finden, und ich befuhr die Eisfläche mit die Fahrrad, wenn ich zur Uni wollte bzw. davon kam (was eine Abkürzung von etwa 40 Metern bedeutete). Wenn dann nach einer längeren Kälteperiode die Lufttemperatur auf ca. 0°C angestiegen wäre, hätte ich barfuß das Eis betreten können, die Schuhe hätte ich gleich zu Hause lassen können. Vertane Chance, heul!
Manchmal radelte ich auch zum Bornhorster See am anderen Ende Oldenburgs, um auch dort die Eisfläche zu beradeln. Dieser See wäre zu weit weg gewesen, um bei ca. 0°C ohne Schuhe dorthin zu radeln, ich hätte also barfuß dorthin wandern müssen oder "Herrn Pekols" Omnibusflotte in Anspruch nehmen müssen. Vertane Chance, heul!
Während meiner Oldenburg-Zeit reiste ich noch öfters übers Wochenende zu meinen Eltern. In Hamburg rollte der Zug über die Lombardsbrücke, meistens war die Alster eisfrei. Wenn sich aber Schlittschuhläufer auf der Alster tummelten (was selten vor kam, aber es kam mal vor), dann wußte ich, daß ich, soweit das Wetter es zuließ, an diesem Wochenende mit dem Fahrrad von Rellingen nach Hamburg fahren würde, um die Alster zu beradeln. Ausgangspunkt war der Jungfernstieg. Manchmal (aber nicht immer) war es sogar möglich, unter der Lombardsbrücke durchzukommen. Wenn nicht, dann unterquerte ich sie zu Land, um dann weiter auf dem Eis der Außenalster zu radeln. Auf die Idee, die Alster barfuß zu betreten, wäre ich nie gekommen. Schon als fett beschuhter und behandschuhter, jedoch unbemützter Radfahrer war ich ein Exot unter den Eisbesuchern, als Barfußläufer (oder gar als barfüßiger Radfahrer) hätte ich wohl Ärger mit der Obrigkeit bekommen. Aber sicher wäre es bei ca. 0°C möglich, unter Zuhilfenahme des HVV bis zum Jungfernstieg, Hauptbahnhof, Dammtor oder sonst einer S- oder U-Bahnhaltestelle zu reisen, ohne überhaupt Schuhe dabei zu haben. Theoretisch zumindest, in der Praxis würde ich wohl frühestens dann die Schuhe ausziehen, wenn ich vom Elternhaus aus nicht mehr zu sehen bin. (Von meinen zweirädrigen Eisexkursionen auf der Alster wissen meine Eltern übrigens bis heute nichts). Vertane Chance, heul!
Die Aare kenne ich nur ohne Eis, wohl aber habe ich ein altes Foto gesehen, wie sich Eisschollen vor dem damals neuen (und heute abgerissenen und durch einen Neubau ersetzten) Wasserkraftwerk Ruppoldingen auftürmten und sogar das Wehr bedrohten. Damals war es aber arschkalt. Obwohl zu der damaligen Zeit für viele Leute Schuhe noch Luxus bedeuteten, waren auf dem Foto keine barfüßigen Kinder zu erkennen, alle waren dick vermummt, etwa so wie Kinder heute an einem Tag im März bei +10°C vermummt sind. Auch ohne die lausige Kälte wäre es sicher gefährlich gewesen, sich barfuß über aufgetürmte Eisschollen über einem Fließgewässer zu bewegen.
Seitdem ich in der Schweiz lebe, war weder der Vierwaldstätter See, noch der Bieler See, noch der Zürichsee zugefroren. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob während der letzten 17 Jahre der Hallwiler See eine tragfähige Eisfläche hatte. Einmal hörte ich im Radio, daß der Pfäffiker See zum Betreten freigegeben war und sogar ein Kleinflugzeug auf der Eisfläche landete (der Pilot wurde allerdings gebüßt, weil der See nicht als Landeplatz freigegeben war). In der Hoffnung, daß der Hallwiler See eine ähnliche Eisdecke hätte, radelte ich dorthin. Es war übrigens nach langer Kälteperiode plötzlich auf +10°C angestiegen, also einer Temperatur, bei der ich heute ohne Skrupel barfuß radeln würde. Damals aber beschränkte ich mich auf nicht übermäßig winterliche Behosung. Ich wurde enttäuscht: Keine Spur Eis auf dem Hallwiler See. Aber meine Enttäuschung legte sich schnell. Es war auch angenehm, mein Rad am Seeufer abzustellen und bei mildem Wetter zu Fuß den See zu umrunden. Da barfuß für mich damals noch ein Fremdwort war, vermißte ich auch nichts zu meinem Glück. Nichts heul!
Du schriebst:
"Barfuß war es ausgesprochen rutschig. Ich konnte nicht so schnell vorankommen, wie ich wollte, da ich sehr vorsichtig ging. Stellenweise waren raue Bereiche mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, auf der es sich wesentlich besser gehen ließ."
Das habe ich auch festgestellt, als ich am letzten Wochenende barfuß über vereiste Schotterwege ging. Feldwege in einem nicht ganz topfebenen Land weisen im Gegensatz zu überfrorenen Gewässern häufiger "eisglatte Schrägen" auf. Dafür ist die Gefahr geringer, daß einem wilde Eisläufer mit ihren Kufen die Zehen abfahren. Von derartigen Unfällen habe ich allerdings noch nie etwas gehört, wohl aber, daß Eisläufer auf der Eisbahn gestürzten Personen über die Finger fuhren.
Viele Grüße
Michael aus Zofingen