Rückblick auf 2005 (und die Highlights von 2004) (Hobby? Barfuß! 2)

Leo @, Saturday, 31.12.2005, 21:29 (vor 6842 Tagen)

Hallo,

leider gehöre ich nicht zum erlauchten Kreis der Stammposter. Deshalb schreib ich hier auch so wenig: Wenn ich abends könnte, darf ich nicht, und zu den "sicheren" Zeiten, wenn ungehindertes Posten für jeden (auch von "Jeans-Barfuß-Sandalen Busfahrern" und noch eindeutigeren Beiträgen) möglich ist, bin ich unterwegs oder auf der Arbeit, wo absolutes Privat-Surfverbot herrscht. Daher einige Erlebnisse erst jetzt.

Barfußfreundliche Schweiz:

Im September 2004 war ich eine Woche im Berner Oberland. Im 7. Anlauf und nach Empfehlung eines Kollegen wollte ich bei strahlendem Wetter dann trotz der extremst horrendesten Wahnsinnspreise dann doch mal auf das Jungfraujoch fahren: "Top Prices of Europe", so klingt mir der Werbespruch zumindest im Ohr; eine Woche Paß für alle Seilbahnen inklusive Aiguille du Midi in Chamonix war jedenfalls billiger als eine normale Fahrt aufs Jungfraujoch und zurück. Die ganzen Sonderangebote für Touristen rechneten sich alle nicht (das sonst sehr empfehlenswerte Railaway der SBB kam nicht infrage, da ich schon in Interlaken war), und so kaufte ich mir schließlich ein Halbtax-Abo (=BahnCard50 für die Schweiz), auf das es auch 50% für die Fahrt aufs Jungfraujoch (da waren es dann "nur" noch ca. CHF 86) und für alle sonstigen Bergbahnen gab es auch 50% Rabatt. Bis auf die ca. halbstündige Wanderung vom Jungfraujoch über’s Schneefeld zur benachbarten Hütte hab ich alles barfuß unternommen; die Eisgrotte war zugegebenermaßen tatsächlich etwas kalt... Nach einigen kleineren barfüßigen Wanderungen z.B. von Lauterbrunnen nach Wengen war die Krönung dann die Wanderung von Lauterbrunnen bis zum Schildhorn - barfuß allerdings nur bis zur Schildhornhütte. Für den letzten Rest bis zum Gipfel habe ich angesichts des vielen Schnees und des senkrechten Abgrundes dann doch Wanderschuhe angezogen. Die Kommentare unterwegs waren durchaus freundlich-anerkennend. In der einen Woche hatte ich das Geld fürs Halbtaxabo dann fast raus (bis auf CHF 2,40).

Dieses Jahr war ich einen Monat auf dem Campingplatz Auslikon der Gemeinde Wetzikon im Zürcher Oberland und habe mir mit einer Monatskarte zum Halbtaxabo (gültig in der gesamten Schweiz, inklusive Stadtverkehr in fast allen Orten) in Tagesausflügen die gesamte Schweiz angeschaut. In dem Monat gab es (außer mit dem Wetter) recht wenig Probleme, und Kommentare nur in der positiven Art: "Also im Sommer lauf ich auch barfuß, aber bei den Temperaturen..." Durch Zofingen bin ich zwar nur durchgefahren (und hab dabei an Michael mit seinen Horror-Beschreibungen der örtlichen Polizei gedacht), aber den Barfüßerplatz in Basel hab ich mir natürlich auch barfuß angeschaut - ohne dumme Fragen der Basler Polizei nach meinem Aufenthaltszweck. In der französchischsprachigen Schweiz bin ich zwar nur ein einziges Mal direkt angesprochen worden, aber es wurde wesentlich mehr hinter meinem Rücken über meine Barfüssigkeit getuschelt: "...pieds nus...!"( Im Tessin war das aber anscheinend allen total egal.) An der Kasse von Schloß Chillon bei Montreux (wohin ich von Lausanne-Ouchy mit Inlineskates fuhr) fragte mich die Kassiererin "Ist das nicht etwas beschwerlich hier?" - der Boden war ziemlich uneben - aber auf meine Antwort "einfacher als mit Inline Skates!" lachte sie dann nur und gab mir recht. Ach ja - und beim Besuch der Schokoladenfabrik Callebaut musste ich die Schuhe anziehen, obwohl sich fast alles hinter Glas abspielte. Als Trost konnte ich mich zum Schluß mit Pralinen und Schokolade voll stopfen. Auch bei der Besichtigung der Tunnelbaustelle in Sedrun musste ich mit dem Schutzhelm dann zumindest Sandalen anziehen.

Gegessen hab ich angesichts der für Deutsche happigen Schweizer Preise immer bei Migros, Manor (Kaufhäuser) oder Marché und bis auf einen einzigen Hygiene-Einwand beim 4. Besuch durch einen um 11 Uhr noch nicht ausgelasteten Manor-Managers in der Zürcher Bahnhofstr. gab es auch hierbei keine Einwände gegen meine Barfüssigkeit. In allen Verkehrsmitteln gab es keine Probleme - außer einem zugegebenermaßen berechtigten von einem SBB-Schaffner im IC von Bern nach Zürich, der meinte ich sollte doch meine vom Barfußlaufen dreckigen Füße nicht auf den Sitz legen...(mach ich sonst auch nicht, aber an dem Tag war ich echt müde). Auch in manchen Lokalen, in denen man in Deutschland nicht ohne Schuhe rein darf, gab es höchsten eine Warnung vor Scherben, "aber wenn Sie unbedingt wollen..."

Kurz vor Ablauf des Halbtax-Abos hab ich mir dann noch eine Fahrt mit dem Glacier Express gegönnt (letzter Abschnitt der 6er-Tageskarte zum Halbtax + Übergang 1. Klasse + 12 CHF Reservierung inkl. Zuschlag) und dabei dann sogar das Essen im Speisewagen (was dann auch ohne Wein etwas in der Geldbörse schmerzte): Entweder ist meine Barfüssigkeit dabei tatsächlich niemand aufgefallen - oder es hat sich zumindest niemand mokiert.

Insgesamt empfinde ich die Schweiz somit als wesentlich barfüßfreundlicher als Deutschland.

Heilige Hallen Museen mit sich aufspielenden Wärtern

Ich kann einen Bericht bestätigen, dass Barfußlaufen in Spanien total ungewöhnlich ist. Im Lidl in Torremolinos durfte ich wenigstens noch gnädigerweise umgehend barfuß zur Kasse gehen, um die bisher getätigten Einkäufe zu zahlen (alles was ich wollte) und dann den Laden umgehend zu verlassen; aus der Festung in Málaga bin ich aber von einer arroganten jungen Museumswärterin mit dem entrüsteten Worten "Dies ist ein Museum!" rausgeworfen und auf kürzestem Weg zum Aufzug eskortiert worden, um sicherzustellen, dass ich das geheiligte Museum umgehend verlasse (nachdem ich 95% bereits barfuß gesehen hatte, was die anderen Wärter bis dahin nicht gestört hatte). Andererseits dufte ich die Alhambra in Granada ungehindert barfuß besuchen. Nur beim Betreten des Herzstücks, der Paläste, machte eine Wärterin anscheinend Anlauf zum Rausschmiß, wurde von Ihrer Kollegin aber beruhigt. Ich fühlte mich nicht angesprochen und machte schnell, dass ich weiterkam, d.h. rein, was dann auch ohne weitere Probleme gelang.

Die Krönung war jedoch im Paris im Centre Georges Pompidou: Der Sicherheitscheck ist für das Museum und die Bücherei identisch. Ich war fast eine Stunde unbehelligt barfuß in der Bücherei. Beim Verlassen der Bücherei darf man nicht auf dem gleichen Weg rausgehen (Einbahnregelung durch den Sicherheitscheck), sondern muß durch die VORHALLE des Museums mit den Museumskassen. Obwohl das Museum an sich schon geschlossen hatte, wurden die heiligen Kassenhallen des Museums noch durch Anstands-Checkposten überwacht, die mich ultimativ zum Anziehen meiner Schuhe aufforderten. (Dummerweise hatte ich die anfängliche Frage "Wo sind Ihre Schuhe?" wahrheitsgemäß beantwortet: "Im Rucksack".) Der Ausgang rückwärts durch den Sicherheitscheck wurde mir dann trotz Hinweis, die anderen wollten mich nicht barfuß auf dem offiziellem Weg rauslassen, auch verwehrt, und so musste ich tatsächlich für den Gang einmal quer durch die geheiligten Kassenhallen zum offiziellen Ausgang noch meine Sandalen hervorkramen, die ich dann zur Missbilligung der mich die ganzen Zeit misstrauisch beobachtenden Anstandswärter exakt auf der Türschwelle wieder auszog. Wer weiß, ohne Schuhe hätte ich dann wohl tatsächlich per Handy die örtliche Polizei zur Rettung herbeirufen müssen?

Barfuss im Flugzeug

Hierbei gibt es meist keine Probleme, obwohl ich nicht so oft fliege. Interessanterweise wird man in München von Sicherheitskräften, Ordnern oder Stewardessen der Lufthansa dann sofort auf Englisch angeredet und stößt auf großes Erstaunen, wenn man auf Deutsch antwortet: Barfüßige Australier, Neuseeländer, usw. sind sie also anscheinend gewohnt - aber ein barfüßiger Deutscher, traut sich ein Deutscher sowas??? Auch als ich mich am Münchner Flughafen einmal verlief und durch den Hintereingang in der Lobby des Hotel Kempinski landete, erklärte mir ein Portier ungefragt sehr freundlich und selbstverständlich auf Englisch, welcher Ausgang geöffnet sei, als er sah, wie ich barfuß Kurs auf eine geschlossene Tür nahm.

Allerdings ist es manchmal doch ratsam, zumindest Flipflops im Handgepäck zu haben: Auf dem Rückflug von Málaga erfolgte Einchecken und Sicherheitskontrolle unbeanstandet barfuß, aber beim Boarding weigerte sich dann die spanische Angestellte, mich barfuß an Bord zu lassen. So musste ich dann die letzten 30m in Flipflops zurücklegen. Im Flugzeug verschwanden die dann sofort wieder im Handgepäck- ohne weitere Beanstandungen.

Barfuss im Zug

Hab ich eigentlich kaum Probleme gehabt. Auch nicht im ICE, TGV oder AVE. Komischerweise fällt man in Langstreckenzügen barfuß sogar noch weniger auf, als in Nahverkehrszügen. In Koblenz hat mich der Aufsichtsbeamte mal aus den beizustellenden Wagen an den Nachtzug nach München (bis Bonn happiger CNL-Zuschlag, ab Koblenz zuschlagfrei in den dort angehängten Wagen) wieder rausgeholt, nachdem ich in diese am Nachbarbahnsteig schon eigenmächtig eingestiegen war. Ich musste dann wie alle anderen auf die Ankunft des Zuges aus Amsterdam warten, meine Barfüssigkeit wurde aber noch nicht einmal kommentiert und erst recht nicht als Grund für ein Hausverbot hochstilisiert, wie ja hier schon aus Koblenz berichtet wurde.

Barfuss in Jugendherbergen

Das ist voll akzeptiert, oft ist man, zumindest im Haus, auch nicht der Einzige.

Barfuss im Hotel

Wie hier auch schon mal berichtet, wurde auch mir mir die Essensteilnahme barfuß verweigert, und zwar in Benalmádena, direkt neben Torremolinos.


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