Barfüßiger Weihnachtsmarktbesuch in Zofingen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 05.12.2005, 13:26 (vor 6869 Tagen)

Samstag, 3.12.2005: Nach einer fast dreistündigen Radtour (ich berichtete) schloß ich mein Velo vor dem "Stadthaus Hintere Hauptgasse" in der Zofinger Altstadt ab. Es war ca. 3°C warm und ich war "selbstverständlich" barfuß. Und genauso selbstverständlich hatte ich meine Barfüßigkeit gegen oben verlängert. Da ich nur zum Weihnachtsmarkt und nicht in eine russisch-orthodoxe Kirche wollte, dürfte beides wohl gleichermaßen "erlaubt" oder "verboten" sein. Doch was war das? Ein Polizeiauto kam mir entgegen, hatte etwa einer die Mohrerei in der Toilette bemerkt und mich als "verdächtige Person" verpfiffen? Nein! Das Polizeiauto bog vorher links ab, um nach 30 Metern vor einer Garage zu halten: Ein Beamter stieg aus, öffnete das Garagentor, das Auto fuhr hinein. Ich stand so hinter meinem Velo, daß man von der Garage meine Aufmachung, solange man nicht gezielt danach sucht, nicht mitbekommen würde. Als der "Toröffner" gerade hinter dem Tor verschwand, hüpfte ich schnell zur Seite, bevor er wieder hervorkommen konnte. Ich war aus der "Schußlinie". Gerettet!

Durch eine andere Seitenstraße gelangte ich zum Markt. An einer Stelle lagen Tannenzweige im Weg, oder waren es Fichtenzweige? Leicht zu unterscheiden: Wenn man kein Fakir ist und barfuß hinübergeht und "Aua!" ruft oder sonst wie das Gesicht verzieht, dann waren es Fichten. Bei Tannen dagegen sagen höchstens "die anderen" aua. Als ich hinüberging, hörte ich nur ein "Nein!", während mich einige Leute mit großen Glotzaugen anstarrten. Einer fragte mich: "Immer noch in kurzen Hosen und barfuß?" "Ersteres stimmt, letzteres aber nicht IMMER NOCH, sondern SCHON WIEDER!" war meine Antwort.

Wie schon häufiger beobachtet, fiel meine Aufmachung im Gedränge nicht auf, zumindest bei Erwachsenen. Kinder dagegen bekommen das eher mit, da ihre Gesichter tiefer sind. Meistens starren sie dann erst nach unter, dann mir ins Gesicht, dann in Richtung Eltern. Dann entweder Sprachlosigkeit oder die üblichen Sprüche: "Barfuß!" "Will der baden?" "Gaaaaaanz blutt!" "Blutte Hose!" Ein weinendes Kind hörte auf zu weinen, als es mich sah.

Wenn ich aber an einen Ort kam, der nicht voll von Menschen war, wurde meine zwar witterungs-, jedoch nicht kalenderkonforme Aufmachung auch von Erwachsenen registriert, etwa so: "Ein hitziger Siech!" "Das ist aber SEHR schräg!" "Das habe ich ja noch nie gesehen!" "Der Ärmste!" "Brrrrrrrrrrrrrrrrr!" Zwei junge Frauen fragten mich, ob alles in Ordnung war, was ich bejahte. Eine fragte mich, ob ich das immer mache, was ich aber mit den Worten "Nicht am Arbeitsplatz, nur in der Freizeit!" entschärfte. Ich hörte auch, wie ein Kind vor Kälte jammerte, worauf die Mutter sagte: "Du frierst? Sieh dir den an!" Anstatt so zu reden hätte die Mutter lieber ihr Kind nicht an dicke Wintermäntel, Mützen, Handschuhe, lange Hosen und fette Winterstiefel gewöhnen sollen.

Irgendwie taten mir die Kinder leid, die von den Eltern übermäßig winterlich verpackt werden und dann anfällig gegen Erkältungskrankheiten werden. Ebenso leid taten mir zwei "Eisbären" in ihren dicken Pelzen sowie der fett beschuhte Weihnachtsmann und ein ebensolcher "Schmutzli". Nur diese Leute haben ihren "Job" freiwillig übernommen und haben irgendwann Feierabend, aber die Kinder müssen es noch jahrelang durchstehen, bis sind selber davon überzeugt sind.

Wenn den Weihnachtsmarkt in einem kleinen spießigen Städtchen wie Zofingen besucht, also in einer Stadt, in der man auch wohnt und in der sich der Arbeitsplatz befindet, dann ist die "Gefahr" groß, daß man dort auch mal einen Arbeitskollegen trifft. So kam es, daß auch ich bei meinem barfüßigen Weihnachtsmarktbesuch von Arbeitskollegen "erwischt" wurde. Zum einen war es die Sekretärin des Personalchefs, dann eine Sachbearbeiterin, dann ein Laborant. Keiner von denen schien irgendwie überrascht zu sein. Dann war da aber noch ein Chemiker, der einen Rollstuhl vor sich herschob, im Rollstuhl saß ein älterer Mann (etwa der Vater?) Der Mann im Rollstuhl machte ein böses Gesicht und mein Arbeitskollege schien (bewußt?) in eine andere Richtung zu blicken. Ob ihm meine Barfüßigkeit in Gegenwart des gehbehinderten Menschen peinlich war? Auch schienen mich einige gesehen zu haben, die ich nicht gesehen hatte. Jedenfalls sagte heute morgen einer zu mir, seine Mitarbeiterin hätte mich barfuß auf dem Weihnachtsmarkt gesehen. Dabei sagte er, daß er zwischen +22 und +25°C barfuß laufe, ansonsten wäre es ihm zu kalt oder zu heiß. Demnach unterscheiden wir uns kaum voneinander. Auch bei mir gibt es eine obere und eine untere Temperaturgrenze, die ich noch nicht genau ausgelotet habe. Ich weiß nur, daß die Temperaturspanne bei mir geringfügig breiter ist. Arbeitskollegen, die mich barfuß im Winter erwischen, stören mich nicht. Und auf "liebe" Verwandte brauche ich anders als Ulrich oder Andi auch keine Rücksicht nehmen, die tauchen nicht ohne Ankündigung aus dem Nichts auf. Die schlimmsten Angstgegner haben mich diesmal auch in Ruhe gelassen.

Scherben gab es kaum in der Altstadt, nur ein paar in Gassen, in denen es keine Stände gab. So kam ich ohne Verletzung durch. Ich ging zum Fahrrad und radelte nach Hause, was ohne Schwierigkeiten barfuß ging, trotz des starken Windes. Aber wenn man über eine Stunde über kühles Altstadtpflaster geschritten ist, dann hat man noch genügend Wärmereserven für knapp 1 km Radfahren. Somit endete mein barfüßiger Weihnachtsmarkt in Zofingen, der zweite überhaupt. Und beide Male in Zofingen (und ganz anders als in Düsseldorf) war ich der einzige Weihnachtsmarktbesucher ohne Schuhe ODER in kurzen Hosen. Alle anderen Leute waren fett beschuht und auch sonst winterlich vermummt. Aber ehrlich gesagt, sooooo überraschend ist das auch wieder nicht!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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