Barfüßiger Fahrradurlaub - 5. Etappe (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Thursday, 22.09.2005, 08:05 (vor 6943 Tagen)

Mittwoch, 7.9.2005: Ich hatte am Lahnufer bei Limburg im Schlafsack übernachtet. Morgens um 7.15 Uhr radelte ich weiter, bei etwas Bodennebel. Der kürzeste Weg Richtung Wiehl/Wahner Heide würde über Montabaur führen. Da ich einerseits aber nicht unter Zeitdruck stand, andererseits ein Radwanderwegweiser nach Bad Ems stand, entschloß ich mich, der Lahn Richtung Koblenz zu folgen. Bei der zu erwartenden Hitze hatte ich sowieso kein allzu großes Verlangen, auf steigungsreichen und/oder verkehrsreichen Straßen zu radeln. Auf dem Lahnradweg erhoffte ich mehr Schatten.

Zunächst aber konnte ich wegen Nebel kaum sehen. So geschah es, daß ich vor der Stadt Diez den Wegweiser übersah und prompt in die falsche Richtung fuhr, bei der kurvenreichen Lahn fällt eine Orientierung sowieso nicht leicht. Auch in Diez selbst verpaßte ich die richtige Abfahrt, so daß ich außerplanmäßig über einige Straßen der Stadt fuhr. Prompt erntete ich böse Worte von einer Fußgängerin. Aber nicht wegen meiner Barfüßigkeit, sondern weil ich, ohne es bemerkt zu haben, eine Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr!

Der nun folgende Weg an der Lahn, die sich hier in den Felsen geschnitten hat, entschädigte mich vollends: Beidseits des Flusse schroffe Felswände, aber noch Platz für einen Radweg. Ein Schild bei Balduinstein versprach aber nichts gutes: Der Weg wäre (noch) nicht durchgängig, alternative Wege über Holzappel wären steigungsreich, eine Bundesstraße wäre für Radfahrer gesperrt. Es werde empfohlen, die Bahn zwischen Balduinstein und Obernhof zu benutzen. Ich mag zwar gerne Eisenbahn fahren, und sicher wäre die Strecke http://images.google.ch/imgres?imgurl=http://www.people.freenet.de/Schupp-Igstadt/Dausenau216.jpg&imgrefurl=http://www.schupp-igstadt.de/Modellbau/VorbildDB/Streckenbeschreibung/VorbildDB-Strecke540.htm&h=308&w=207&sz=12&tbnid=pv_-IGPkd_cJ:&tbnh=112&tbnw=75&hl=de&start=14&prev=/images%3Fq%3Ddausenau%26svnum%3D10%26hl%3Dde%26lr%3D mit vorsintflutlichen Formsignalen und Telegrafenleitungen, aber modernen Triebzügen auch wirklich schön. Aber ein vollbeladenes Fahrrad mit der Bahn zu transportieren ist sicher kein Vergnügen. Also weiter geradelt.

Tatsächlich gab es einen Radweg am Fluß, der noch bis zu einem Wehr führte. Dann aber ging es nur noch über einen unbefestigten Weg bergauf. Ich stand vor der Wahl: Entweder zurück; oder versuchen, mit meinen vollbeladenen Tourenrad (kein Mountainbike) im kleinsten Gang versuchen, bergauf zu fahren; oder gleich versuchen, das vollbeladene Rad barfuß den steinigen Weg hochzuschieben. Ich entschied mich zunächst fürs Fahren, was sogar ging. Nach ca. zwei Dritteln des Weges mußte ich wegen eines Hindernisses absteigen, danach gelang mir bei der Steigung das Aufsteigen und Anfahren nicht mehr, also mußte ich schieben. Trotz der Steine ging es erstaunlich gut. Oder nicht erstaunlich? Steinige Wege sind nicht steinige Wege bzl. "Wohlgefühl" beim Barfußlaufen. Wenn ein Weg von Natur aus steinig ist, jedoch kaum benutzt wird, dann ist ein Weg nicht selten angenehm barfuß begehbar. Vermutlich weil Moose, Erdboden usw. das ganze etwas einebnen. Erst wenn Autos, Baumaschinen oder auch nur Mountainbikefahrer mit ihren Rädern die Wege zerschneiden, Steine aufwirbeln und irgendwo hinschleudern oder auch abgerundete Steine zerbrechen, so daß scharfe Kanten entstehen, dann macht dort barfußlaufen keinen Spaß mehr. Mein Weg war aber kaum benutzt worden, ich hatte Glück.

Trotzdem war ich froh, als ich oben war. Meine Arme waren vom Schieben erlahmt. Hier war wieder Asphalt, ich konnte fahren und befand mich im hochgelegenen Dorf Scheidt. Eine steil bergab führende Straße führte nach Laurenburg, das wieder tief am Lahnufer liegt. Nun waren meine Hände lahm vom Bremsen. Ich befand mich auf einer Bundesstraße, die erstaunlich leer war. Kein einziges Auto! Da bringt Radfahren Spaß, am besten natürlich barfuß. Ich erkannte vor mir eine vierköpfige Gruppe von Radfahrern, die auch einige Gepäck, wenn auch deutlich weniger als ich, dabei hatte. Da ich schneller fuhr, obwohl (oder gerade?) ich nicht wie die fett beschuht war hatte ich sie bald eingeholt. Nun sah ich auch den Grund, weshalb hier so wenig Verkehr war, eine Baustelle. Ich hörte noch, wie die anderen sich unterhielten und beschlossen, die Bauarbeiter zu fragen, ob es möglich wäre, mit den Rädern an den Baumaschinen vorbei zu schieben. Eine Frau tat es auch, ein Bauarbeiter meinte, es wäre möglich, aber auf eigene Gefahr. Es könnten Nägel und herumliegen und die Reifen beschädigen. So schoben sie die Räder über die Baustelle und ich folgte. Wir kamen noch an weiteren Bauarbeitern vorbei, die gerade Bier tranken. Einer sagte: "Ich habe schon vieles gesehen, aber noch nie, daß einer barfuß über die Baustelle geht." Eine andere Frau der Gruppe blickte erst erstaunt die Arbeiter an, dann drehte sie sich um und sagte: "Das ist keiner von uns!" Darauf erzählte ich, daß ich aus der Schweiz komme und in den Kölner Raum wollte und keine Schuhe dabei hatte. "Auch eine Idee! Und gesund ist das sicher auch", war die Antwort.

Ich erreichte die Stadt Nassau, kam an einem Turm vorbei, wo gerade eine Stadtführerin einer Touristengruppe etwas erzählte (In Hamburg heißt eine solche Person speziell bei einer Hafenrundfahrt wohl "He lücht"). Einige der Touristen glotzten mich erstaunt an, ebenso wie einige Leute in einem Cafe. Lange wollte ich mich hier nicht aufhalten, über die von Ulrich beschriebene provisorische Holzbrücke für Fußgänger und Radfahrer, die neben der wegen Bauarbeiten gesperrten Straßenbrücke aufgestellt war, "mußte" ich auch, weil der Radwanderweg hier das Lahnufer wechselte. Wenn man schon extra für Barfüßer den "roten Teppich" (ich glaube, es war eher ein grüner) auf der Brücke ausrollt, dann weiß ich das auch zu würdigen und schiebe mein Velo andächtig über den Steg, anstatt darüber zu fahren.

Vom Weg aus sah ich das hübsche Städtchen Dausenau [image], was mich bewog, kurzzeitig das Lahnufer zu wechseln. Dann erreichte ich Bad Ems. Irgendwie zeugen die Gebäude von Luxus, sind also für Leute gedacht, die in Geld schwimmen. Aber irgendwie haben diese Gebäude auch etwas ansprechendes, vermutlich weil sie schon älteren Datums sind. Das gilt natürlich nur fürs Vorbeigehen/-fahren, nicht für die Benutzung. Anders als in anderen Kurorten hatte ich nicht das Gefühl, daß ich als barfüßiger und kurz behoster Radfahrer angegiftet wurde, weder von Passanten, noch von Hotelbediensteten, wo ich vorbeifuhr bzw. -schob. Eines möchte ich noch erwähnen. In Bad Ems gibt es eine Zapfstelle für Mineralwasser, direkt ab Hahn, und ohne daß man eine Münze einwerfen muß. Wer hätte das gedacht. In anderen Kurorten versucht man doch, aus ALLEM Geld zu machen! Ich jedenfalls ersetzte meine gesamten Wasservorräte mit Bad Emser Mineralwasser direkt ab Hahn.

Weiter ging es lahnabwärts bis zur Mündung in den Rhein bei Lahnstein, wo ich eine länger Pause in der Nähe des Schiffsanlegers machte. Eine Gruppe Jugendlicher (Sportlergruppe?) verließ ein Schiff. Einer fragte, ob es nicht zu kalt sei (dabei war es über 25°C). Mir war es zu heiß. Beim Weiterfahren auf dem Rheinuferradweg wollte ich möglichst im Schatten bleiben. Ich hatte kein Verlangen, in Koblenz den Rhein zu überqueren, um in die Altstadt zu kommen. Oder ohne den Rhein zu überqueren die Festung Ehrenbreitstein hoch. Leider war der Radweg nicht durchgängig, ich mußte auf Straßen ausweichen. Über Neuwied kam ich auch an den Resten der schicksalsvollen Eisenbahnbrücke von Remagen vorbei. Dann erreichte ich die Endhaltestelle der Stadtbahn in Bad Honnef. Hier war ja mal Ausgangspunkt einer Barfußwanderung, an der ich allerdings nicht teilnahm. Und gerade hier saß auch eine barfüßige junge Frau, ihre Rollerblades standen neben ihr (Ihre Begleiterin saß daneben und hatte die Dinger anbehalten).

Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Ich folgte dem Radweg bis Bonn-Beuel, wo mir ein nur mit langer Hose bekleideter barfüßiger Mann auf dem unbeladenen Fahrrad entgegenkam. Ich überquerte den Rhein über die Kennedybrücke, die eine Baustelle war, radelte noch zum Poppelsdorfer Schloß (hier saßen einige Leute barfuß auf dem Rasen, jedoch mit Schuhen in Reichweite), während es eindunkelte. Auch schob ich das Rad noch durch verschiedene Straßen der Altstadt, ohne daß ich allzu viel Aufsehen erregte, es war ja noch warm.

Wo übernachten? Ganz klar, am Rhein. Es war sicher schon 23 Uhr, als ich meinen Schlafplatz fand, unweit der Konrad-Adenauer-Brücke, auf feinstem Sand, welch eine Wohltat für angestrengte Füße! Und das in einer Großstadt! Einige Straßenbahnen überquerten noch die Brücke, und die ganze Nacht über gab es ab und zu ein "Muckebicke - muckebicke - muckebicke" der vorbeifahrenden Schiffe. Wer es etwas romantisch mag, den stören derartige Geräusche beim Übernachten im Schlafsack nicht.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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