Nach dem Barfußtreffen: Die Jagd geht weiter! (Hobby? Barfuß! 2)
Hi Michael!
Da hast Du ja noch allerhand erlebt.
Sonntag, 12.12.2004: Das Barfußtreffen in Düsseldorf war zu Ende. Aber ich war noch immer in Düsseldorf. Und ich war immer noch barfuß. Ich MUSSTE es auch sein. Ersteres, weil mein reservierter Zug erst in etwa 5 Stunden fahren würde. Und letzteres, weil ich keine Schuhe dabei hatte und die Läden geschlossen waren. Aber ich mußte nicht nur, ich WOLLTE auch. An der Haltestelle "Heinrich-Heine-Allee" schritt ich langsam die Treppe hinunter zur Stadtbahn. Ich wollte noch meine Tageskarte ausnutzen, um die Zeit bis zu meiner Abreise gegen 21 Uhr zu überbrücken. Während ich den Fahrplan studierte, hörte ich irgendwas glasartiges klirren. Vor zwei Jugendlichen lag eine zerbrochene Flasche, ringsherum eine Pfütze. Ein Mann vom Aufsichtspersonal ging auf die Jugendlichen zu. Bei dem Aufsichtspersonal handelt es sich nicht um Angestellte der Rheinbahn, sondern um Leute, die eigentlich arbeitslos wären und dank eines Beschäftigungsprogramms (von der Stadt finanziert, nicht von der Bahngesellschaft) sitzen sie nicht auf der Straße. Ihre Aufgabe ist es, in den Bahnen und auf den Haltestellen dafür zu sorgen, daß sich die Fahrgäste wohler fühlen. Im Prinzip keine schlechte Idee. Was macht nun dieser "Schwarze Sheriff"? Er geht langsam in Richtung "Tatort". Die Jugendlichen sahen ihn, streckten ihm die Zunge raus und stürmten dann die Treppe hoch. Der Aufseher aber ging über den Scherbenhaufen hinweg und steuerte direkt auf mich zu. In einem ekligen Ton herrschte er mich an: "Was machen sie denn hier?" Aufgrund seines Aussehens und seiner Aussprache schien es kein gebürtiger Deutscher zu sein, vielleicht war er arabischer Abstammung. "Ich warte auf die Bahn nach Eller, und ich habe sogar eine Tageskarte" war meine Antwort. "Herzeigen!" befahl er. Nach langem Mustern sagte er: "Merkwürdig! Die Fahrkarte ist gültig. Aber so dürfen Sie nicht weiterfahren!" Über sein Handy (oder Funkgerät) gab er was durch, ich mußte warten. Eine junge Frau, die das mitbekam, sagte: "Junger Mann, dieser Herr möchte mit der Bahn weiterfahren, Sie dürfen ihn doch nicht hier in der Kälte festhalten!" "Es fahren auch noch andere Bahnen. Und wenn Sie noch mehr sagen, halte ich Sie auch noch fest", drohte er. Endlich kam ein "richtiger" Rheinbahnangestellter die Treppe hinunter. Der Hilfssheriff rief ihm entgegen: "Dieser Mann läuft barfuß und trägt kurze Hosen. Das ist doch verboten." Der Rheinbahner entgegnete: "Ob das verboten ist oder nicht, das sehen wir oben im Büro." Eigentlich ist der schwarze Sheriff selber ein armes Schwein. Vermutlich wird er manches Mal geärgert. Nun hatten Jugendliche Scherben verursacht, und er hatte nicht den Mut (und vermutlich auch nicht die Möglichkeit), die Täter zu verfolgen. Nun hatte er mich, den wehrlosen Barfüßer als "Ersatz" auserkoren, um seinen Frust zu befriedigen. Solche Leute sind meines Erachtens für den Job völlig ungeeignet.
Der Rheinbahner führte mich ins Büro der Haltestelle. Ein anderer Mann, der sich dort aufhielt, sagte: "Die waren zu dritt barfuß in der Stadt. Ich könnte es nicht, find ich aber toll."
Immerhin hat jemand bemerkt, daß Du nicht die ganze Zeit allein warst, sondern daß es sich um ein Treffen zu dritt handelte.
Noch ein anderer sprach: "War da nicht irgendwas in der Zeitung? Oder im Fernsehen?" Der Rheinbahner sprach: "Es tut mir leid, ich habe schon die Polizei verständigt. Aber das dürfte reine Formsache sein." Während wir auf das Eintreffen der Polizei warteten, zeigte ich ihm noch Zeitungsausschnitte über meine "Verbrechen" in Benrath und in Aarau, worauf sich der Bähnler köstlich amüsierte. Dann kamen gleich zwei Polizisten, die mich baten, mit zur Polizeiwache direkt am Eingang der Haltestelle zu kommen. Auf Handschellen verzichteten sie übrigens. Vielleicht deswegen, weil sie glaubten, daß ich barfuß nicht schnell fliehen könnte? Wie üblich mußte ich auf der Wache Personalausweis zeigen, ich zeigte ihnen auch Zeitungsausschnitte und erzählte vom Barfußtreffen. Der Beamte ging in den Nachbarraum, wo offensichtlich seine Kollegen Pause machten. Plötzlich hörte ich ein lautes Lachen, so wie wenn einer einen Witz erzählt hätte. Dann kam der Polizist wieder heraus, ich war frei!
Obgleich ich im Winter nicht selten barfuß in der Düsseldorfer Innenstadt unterwegs bin und auch die Stadtbahn benutze, ist mir etwas Derartiges noch nicht widerfahren, und auch Dir ergeht es anscheinend nur so, wenn Du allein unterwegs bist, denn am Samstag gereiten wir in der Stadtbahn "nur" in eine ganz normale Fahrscheinkontrolle, und nachdem wir ordnungsgemäße Fahrkarten vorweisen konnten, geschah nichts weiter, und am Sonntag fuhr ich nach dem Barfußtreffen unbehelligt mit der Straßenbahn nach Ratingen, ohne daß jemand von meiner Barfüßigkeit besonders Notiz genommen hätte, während man bei Dir ein derartiges völlig unnötiges Brimborium veranstaltet.
Mit der Stadtbahn kam ich nun doch nach Eller, wo ich durch den historischen Ortskern wanderte.
Eller ist ein sehr schöner Stadtteil; mein Vater ist dort (in der Gumbertstraße, wo die Straßenbahn entlang fährt) geboren und aufgewachsen.
An der Heinrich-Heine-Allee bestieg ich eine Straßenbahn, die südwärts fuhr. Am Karolingerplatz stieg ich aus, um zum Hauptbahnhof zu fahren.
Bei dieser Straßenbahn kann sich nur um die Linie 706 handeln.
Das nächste Tram, das von "meinem" Bahnsteig abfuhr, war nicht meins. Ein ca. 30-jähriges Pärchen stieg aus, und der Mann fragte mich: "Junger Mann, ist es nicht ein bißchen kalt? Barfuß im Winter?" Ich verneinte. Als sie sich entfernten, hörte ich sie noch verständnislos lachen. Dann kam meine Bahn, die Linie 707. Dieses war die erste Rheinbahnlinie, die ich in Düsseldorf benutzte, und es sollte auch die letzte sein.
Am Hauptbahnhof die üblichen Blicke. Die Jugendlichen, die am Freitag bereits vor der Modellbahnanlage lungerten, lungerten schon wieder dort: "Der schon wieder!" hörte ich einen rufen.
Offenbar sorgte Deine "unwinterliche" Kleidung für einen gewissen Wiedererkennungswert, was angesichts eines nur dreitägigen Aufenthalts in einer Stadt von der Größe Düsseldorfs sehr beachtlich ist.
Ich ging zum Bahnsteig, von dem mein Zug nach Köln fahren sollte (es war ein Regionalexpreß mit Halt in Benrath, den ich eingeplant hatte, da ich nicht sicher war, ob das Barfußtreffen in Benrath endet oder am Hauptbahnhof). Wegen einer Weichenpanne in Dortmund gab es erhebliche Verzögerungen, auch mein Zug kam 15 Minuten zu spät. Somit gab ich auch noch der Bahnpolizei eine Chance, mich zu kontrollieren. Und prompt kamen sie auch die Treppe hoch. Die erste Frage war: "Waren sie nicht schon am Freitag hier auf dem Bahnhof?" "Ja, aber bald werde ich Düsseldorf wieder verlassen. Der "Grünrock" wollte noch meinen Ausweis und meine Fahrkarte sehen, dann fragte er: "Zofingen, wo liegt denn das?" "In der Schweiz zwischen Basel und Luzern!" "Haben Sie denn Schuhe und eine lange Hose im Gepäck?" "Nein! Und dieses Wochenende waren wir sogar zu dritt barfuß in Düsseldorf!" Äußerst ungewöhnlich, aber nicht verboten!" Er wünschte mir noch eine gute Heimfahrt. Der Zug kam bald. Als er abfuhr, verließ der letzte Barfüßer die Landeshauptstadt.
Solltest Du nächsten Winter wieder nach Düsseldorf kommen (ich würde mich freuen), wird man sich vermutlich noch an Dich erinnern und Dich in Ruhe lassen - oder Du wirst berühmt und vollends "groß rauskommen" - eine gewisse mediale Aufmerksamkeit ist Dir ja bereits zuteil geworden.
In Köln mußte ich in einen Intercity umsteigen, dieser hatte noch mehr Verspätung, so daß ich noch durch die Halle wandeln konnte, die etwas wärmer war als der Bahnsteig. Den Bahnhof wollte ich jedoch nicht verlassen. Ich kann zwar sagen, daß es in Düsseldorf im Dezember weniger Penner und Frauen mit aufgedunsenen Gesichtern, dafür mehr Polizisten gibt als in Köln Ende Oktober, aber einen direkten Vergleich kann ich nicht anstellen. Als ich vor der Krippe in der Halle stand (die meisten Krippenfiguren waren barfuß), näherte sich eine Frau mit "rotem Deckel". Sie hatte zwar kein aufgedunsenes Gesicht, erinnerte mich aber in ihrer Erscheinung an eine ältere russische Agentin in einem James-Bond-Film. Da dieses aber kein Film ist, kam sie nicht auf mich zu, um dann die vordere Schuhkappe zu entfernen und mich mit der freigelegten, vergifteten Metallspitze in den A.... zu treten, um mich, den barfüßigen Feind ein für alle Mal ins jenseits zu befördern. Sie herrschte mich an: "Wie laufen Sie herum!" "Das ist doch nicht verboten!" "Aber fast! Was sollen die Leute sagen? Wir haben doch keinen Hochsommer. Eigentlich müßte ich Sie auffordern, den Bahnhof zu verlassen." "Das werde ich auch. Aber nicht durch den Haupteingang, sondern mit dem Zug. Und ich hätte ihn auch schon verlassen, wenn die deutschen Züge genauso pünktlich und zuverlässig wären wie die bei uns in der Schweiz!" Grimmig verließ sie den Platz. Und ich ging irgendwann auf den Bahnsteig, um den Intercity zu besteigen.
Ja, was sollen die Leute nur sagen? Sie sollen Dich für Deinen Mut bewundern!
Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.