Winterbarfußtreffen 2004 in Düsseldorf, 2. Tag (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 14.12.2004, 18:08 (vor 7228 Tagen)

Am Samstag, den 11.12.2004 wollten wir (Markus U., Lothar und ich) uns um 8.30 Uhr zum Frühstück in Scottis Inn treffen. Allerdings erwies es sich, daß Nicht-Hotel-Gäste kein Frühstück bekommen können, so mußten sie sich mit Kaffee begnügen. An der Haltestelle mußten wir ziemlich lange auf das Tram warten, wir spürten die Kälte. Die Temperatur dürfte morgens unter 0°C gewesen sein (vereiste Straßenbahnschwellen). Im Gegensatz zum Vortag zeigte sich die Sonne überhaupt nicht, es blieb neblig. Dann fuhren wir mit der Straßenbahn in die Altstadt. Um 10 Uhr "mußten" wir am Schloßturm (altes Düsseldorfer Wahrzeichen) sein, um allfällige "Nachzügler" dort zu treffen. Wir erreichten den Turm nur wenige Minuten später und fanden niemanden. Ich glaube nicht, daß dort jemand auf uns gewartet hat und wieder gegangen ist, bevor ankamen. Und wenn schon, dann tut es mir leid. Vom Fernsehturm (neues Düsseldorfer Wahrzeichen) war die Spitze nicht zu sehen. Also verzichteten wir auf eine Besichtigung. Wir gingen über nasse Pflastersteine zur Lambertuskirche mit dem schiefen Turm. Wir waren nicht die einzigen Barfüßer, sondern wir waren mit Engeln, Aposteln, Hirten usw. in guter Gesellschaft. Jedoch handelte es sich "nur" um Kunst. Da aber außer uns nie mehr als 2 andere Besucher gleichzeitig im Gotteshaus waren, waren auch die Barfüßer aus Fleisch und Blut immer in der Überzahl - bis wir draußen waren. Der Aufforderung auf einem Schild, sich ruhig zu verhalten, kamen wir nach, einem Schuhträger kann das einfach nicht gelingen, immer macht es "Klack, klack, klack, klack, klack!" Als nächste schritten wir zur barocken Andreaskirche, hier waren die lebendigen Schuhträger den lebendigen Barfüßern gegenüber in der Überzahl, bei Bildern und Statuen aber nicht.

Wir wandelten noch mehrfach durch Düsseldorfs Altstadtstraßen, wo es merkwürdige Blicke gab, speziell von Kindern. "Die haben ja keine Schuhe an!" "Es sind ja drei!" "Können die sich keine Schuhe leisten?" "Das sind exzentrische Millionäre!" "Denen hat man die Schuhe geklaut!" "Die haben bei der Wette verloren!" Viele Holländer waren ebenfalls in der Stadt. In einem Kaufhaus wurden wir nicht nur von Kunden, sondern auch von Verkäuferinnen aufmerksamer als "normale" Leute gemustert. Wer barfuß läuft, der klaut auch, daher muß man aufpassen. Markus benötigte noch ein Haarband, was derart klein ist, daß man es verschwinden lassen kann, ohne zu bezahlen. Aber Markus bezahlte. Er wollte zeigen, daß die landläufige Meinung, daß Barfüßer mehr klauen als Schuhträger, genauso falsch ist wie die Meinung, daß man vom Barfußlaufen Husten, Rheuma, Gicht, Blasenentzündung, Nierenentzündung, Fußpilz oder was auch immer bekommt. Aber kein Mensch wollte uns rausschmeißen. Trifft also doch zu, daß man in Düsseldorf alles mögliche tragen bzw. nicht tragen darf, solange man bezahlt?

Auch in einem Café, das wir hinterher aufsuchten, wurden wir freundlich bedient. Auch die edel mit Spiegel versehenen Toiletten befanden sich in einem Zustand, den jeder gefahrlos barfuß begehen kann. Die Toilette wurde auch nicht von einem alten Griesgram mit Mütze bewacht, sondern von einer jungen "Mohrin". Ihr schien meine Aufmachung zu gefallen, fragte jedoch, ob es nicht zu kalt ist. Kurz bevor wir gehen wollten, meldete sich noch ein anderer Mitarbeiter des Cafés. Er brachte einen Zeitungsausschnitt, der vom "halbnackten Mann von Benrath" handelte und fragte mich, ob ich derjenige sei. Er sah unser Hobby auch irgendwie positiv und wollte seiner Frau erzählen, daß er die Barfüßer getroffen hatte. Somit wußte er auch, daß nicht ich gelogen habe, sondern die Journalistin voreilig geschrieben hat.

Da es später war als geplant und das Wetter immer noch neblig war, wanderten wir nicht über die Rheinpromenade nach Kaiserswerth, sondern benutzten die Stadtbahn. Mitten im heute zu Düsseldorf gehörenden Städtchen war Weihnachtsmarkt, den wir nun unsicher machten. Das Kopfsteinpflaster war immer noch kalt und naß, aber der Glühwein wärmte uns wenigstens von innen. Böse Kommentare gab es nicht, jedoch interessante Gespräche. Eine Frau schien von unserer Tätigkeit überzeugt zu sein. Als ein später zugetretener Mann uns fragte, sagte die Frau gleich: "Das kann ICH Ihnen erklären!" Wir bekamen auch noch jeder ein Stück Reibekuchen spendiert. Dann wanderten wir noch zur Pfalzruine, die man nicht betreten konnte und zur Stiftskirche. Über das Kopfsteinpflaster des historischen Städtchens barfüßerten wir zurück zur Haltestelle, die wegen Vereisungsgefahr stark gesplittet war und somit nicht unbedingt barfußfreundlich war. Aber die Rheinbahngesellschaft scheint es für wichtiger zu halten, daß beschuhte Fahrgäste nicht auf dem Bahnsteig ausrutschen und vor die Bahn geraten als daß barfüßige Fahrgäste ohne Probleme vorankommen. Als Minderheit hat man eben nichts zu melden - und in diesem Fall kann ich die Rheinbahn sogar verstehen.

Mit der Stadtbahn fuhren wir zum Aquazoo. Anders als in Amerika wurden wir eingelassen, einer von den Bediensteten empfand unser Verhalten sogar gut. Die Temperatur im Gebäude war recht hoch, so daß viele Besucher von der Möglichkeit Gebrauch machten, neben Taschen auch ihre Wintermäntel, Mützen usw. in der Garderobe einzuschließen. Auch ich ließ meine Jacke und meinen Rucksack (aber nicht mehr) im Schließfach. Aber niemand kam auf die Idee, auch die Winterstiefel einzuschließen und barfuß durchs Museum zu gehen. Dabei ist das Museum wirklich barfußfreundlich, besonders der Naßraum mit den Holzplanken. Wer da nicht barfuß läuft, ist selber schuld. Wir machten Leute auf die Möglichkeit des Schuhe einschließens aufmerksam, aber leider erst kurz vor dem Ausgang. Gerade im Winter wäre es doch sinnvoll, dort barfuß zu laufen statt mit fetten Winterstiefeln durch die "tropischen" Räume, im Sommer hat man (zumindest frau) sowieso leichtere Fußbekleidung an. Viele Kinder waren auch dort, viele waren erstaunt, oft hörte man das Wort "barfuß" aus irgendeinem Kindermund. Ein Mädchen hätte am liebsten auch die Stiefel ausgezogen, es läuft gemäß Gespräch mit der Mutter liebend gerne barfuß - im Sommer. Als ich gerade aus dem "Feuchtraum" kam, sagte ein Kind: "Der trägt ja eine Badehose und läuft barfuß." Und nach einer Pause: "Sogar drei ohne Schuhe!" Drollig fand ich auch, wie zwei Schwestern sich wunderten, dann verfiel die ältere in den Singsang: "Viel zu kalt - viel zu kalt - viel zu kalt!" Darauf setzte die jüngere auch ein und plapperte alles nach. Ich hatte den Eindruck, daß beide geeignet für den Kirchenchor waren, so harmonisch war das Zusammenspiel. Die jüngere Schwester plapperte das nach, was die ältere sagte. und die ältere sagte nur das, was ihr die Eltern eingetrichtert haben, nämlich daß es im Winter zu kalt zum Barfußlaufen sei. Ein Irrglaube, den 3 Barfüßer alleine nicht ausrotten können, selbst dann nicht, wenn sie es vormachen. Mir hat der Besuch des Aquazoos besonders gefallen. Dabei mußte ich feststellen, daß speziell Markus manche Tiere eklig findet, die ich ausgesprochen sympathisch finde (z.B. Kröten, Frösche, Nager, Käfer). Aber man darf halt unterschiedlicher Meinung sein. Markus und ich sind ja auch in anderen Dingen manchmal unterschiedlicher Meinung (dürfte wohl im Forum bekannt sein), haben aber neben dem Barfußlaufen auch eine Vorliebe für Straßenbahnen.

Nachdem wir fast "rausgeschmissen" wurden (nicht wegen Barfüßigkeit, sondern weil die Museumsmitarbeiter Feierabend haben wollten), kam uns der Boden recht kalt vor. Mit der Stadtbahn fuhren wir in die Altstadt. Wir wanderten noch durch die Gassen, da das indische Restaurant, das wir vorgesehen hatten, erst in einer Viertelstunde öffnen würde. Wieder die üblichen Bemerkungen und noch mehr erstarrende Blicke. Im Restaurant hatten wir Pech. Angeblich war alles reserviert, obwohl nicht auf allen Tischen entsprechende Schilder standen. Hing es mit unserer Aufmachung zusammen? Mit der Bahn steuerten wir ein anderes Restaurant an, daß uns sehr gefiel. Wir waren dort zwar die einzigen Barfüßer aus Fleisch und Blut, aber auf Bildern usw. waren auch hier die Barfüßer in der Überzahl. Die Gäste, die später das Lokal betraten, bemerkten unsere Barfüßigkeit meistens nicht oder erst, als wir das Lokal verließen. Wer vermutet denn schon, wenn anständige Leute an einem Tisch sitzen und über anständige Dinge reden, daß sie ihre Füße nicht "anständig" verhüllen?

Danach gingen wir noch zum "Uerigen", wo wir uns noch ein paar Altbier genehmigten. Wenn ich mich danach noch barfuß ans Steuer gesetzt hätte und von der Polizei kontrolliert worden wäre (passiert mir ja häufig), dann wäre ich den Führerschein losgeworden. Aber nicht wegen barfüßigem Fahren, sondern "nur" wegen der Promille. Aber niemand von uns mußte fahren. Der Abend war ganz lustig, den meisten fiel unsere Barfüßigkeit erst auf, als wir zur Straßenbahn gingen. Wir kamen wieder an einer Eisbahn vorbei. Diesmal waren andere Leute widerrechtlich drauf, allerdings mit Schuhen. War diesmal etwa kein Bewachungsscherge da? Also rauf, barfuß! Aber die Freude dauerte nicht lange: Der "Blödmann" fing an zu schimpfen, so daß wir abermals das Weite zu suchen mußten.

An der Straßenbahnhaltestelle trennten sich unsere Wege. Diesmal konnte ich nicht mal bis zum Karolingerplatz fahren, es fuhr nur noch ein Tram auf einem anderen Linienweg zum Bilker Bahnhof. Das Tram fuhr eine Haltestelle vor einem belebten Lokal, wartete dort (planmäßig) längere Zeit. Soll durch den längeren Halt angedeutet werden, daß die Leute sich auf den Heimweg machen müssen, wenn sie noch die Dienste der Rheinbahn in Anspruch nehmen wollen? Etliche Jugendliche stiegen ein, es gab abfällige Bemerkungen zu meiner Barfüßigkeit. Andauernd hörte man irgendwas klirren, obwohl es vielerorts nicht so scherbenreich war in Düsseldorf. Dann setzte sich das Tram in Bewegung. Ich fuhr soweit es ging, dann ging es barfuß durch die Nacht. Eine Frau, die dieselbe Bahn benutzt hatte, fragte, ob mir irgendwas zugestoßen sei. Als ich sie aber aufklärte, war sie zufrieden. Als ich mein Zimmer aufsuchte, verließen wieder einige Bargäste den Inn, diesmal ohne Kommentar zu mir. Ich war müde, hatte einen schweren Kopf. Sofort schlief ich ein.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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