nochmal zu "barfuß im Museum" (Hobby? Barfuß! 2)

Gast, Friday, 20.08.2004, 14:53 (vor 7345 Tagen)

Hallo!

Ich habe etwas gezögert, hier einen Beitrag zu schreiben, da ich mich nicht als "Barfüßer" bezeichne und nur ab und zu, im Sommer, barfuß gehe - So geschehen vor etwa einer Woche in Berlin. Es war ein heißer Tag. Ich besuchte das Historische Museum Unter den Linden wegen einer Ausstellung über den Ersten Weltkrieg, auf die ich sehr gespannt war. In der Ausstellung sagte mir ein Ordner, ich dürfe hier nicht barfuß gehen, müsse also die Ausstellung verlassen; dies stehe so in der Hausordnung. In diesem Moment packte mich die Experimentierlust. Ich war bereits im Museum. Wie lange würden die Ordner durchhalten? Ich bestritt das Verbot und verlangte die Hausordnung zu sehen. Tatsächlich besorgte man eine, aber erwartungsgemäß enthielt sie nichts zum konkreten Fall. Trotzdem forderten mich die Ordner mit Hinweis auf ihr Hausrecht auf, die Ausstellung zu verlassen. Ich tat dies nicht, sondern sagte immer nur: "Und jetzt lassen sie mich bitte die Ausstellung besuchen." Der Beamte erklärte mir: "ohne Schuhe werden Sie die Ausstellung nicht besuchen." Im Verlauf des Gesprächs bat ich darum, einen Vorgesetzten zu sprechen. Man sagte mir, es sei am Sonntag keiner erreichbar. Nach einiger Zeit des Diskutierens drohte man mir: "Es hat ja keinen Sinn mit Ihnen. Wir holen jetzt den Sicherheitsdienst, und der ruft dann die Polizei und entfernt Sie". Ich sagte daraufhin, daß ich kéine Gewalt wolle, und nunmehr die Ausstellung sehen wolle. Ein Ordner telefonierte. Es erschien eine weitere Person, in "Zivil". Diese Person ließ sich das Problem schildern und hielt daraufhin offenbar Rücksprache mit einem Chef (es waren also doch Vorgesetzte erreichbar). Dies dauerte etwa zehn Minuten. Daraufhin sagte die Person in Zivil kurz, ohne eine Miene zu verziehen, zur Verblüffung der uniformierten Ordner: "Er kann die Ausstellung besuchen."
Das ganze dauerte schätzungsweise eine Dreiviertelstunde, ich habe es hier verkürzt dargestellt.

Das Experiment war sehr lehrreich, weil es die These bestätigt: Wer den längeren Atem hat und sich nicht einschüchtern läßt, gewinnt fast immer (nicht nur in solchen doch eigentlich nebensächlichen Fällen!). Interessant ist, daß es hierbei auf Argumente überhaupt nicht ankommt; man muß muß nur immer höflich und freundlich bleiben, auch wenn es oft zum Repertoire des Gegners gehört, subtil deine Zurechnungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen ("ich würde Ihnen ja gerne noch mal was sagen, aber ich tue es nicht").

Selbstverständlich schaden nackte Füße dem Parkett weniger als Schuhe - aber hier geht es letztlich, man soll sich da nicht täuschen, ausschließlich um ästhetische Vorurteile, man könnte auch schärfer sagen: um Idoleogie, wie immer bei "Mode" und "Kleidung", auch zum Beispiel bei Architektur. Die sogenannten sachlichen Argumente werden immer in den Dienst der jeweiligen ästhetischen bzw. ideologischen Anschauung gestellt. Und ist es umgekehrt - bei den Gründen für das Barfußlaufen - nicht ein wenig genauso?

Freundliche Grüße


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