Bericht über einen Schweizer Barfüßer (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Stammposter, Thursday, 11.03.2004, 18:09 (vor 7507 Tagen)

Hallo zusammen,
der folgende Pressefund von heute wird Euch sicher interessieren:

Nacktfüssig zu jeder Jahreszeit

Ob Sommer, ob Winter - der Burgdorfer Kabarettist und Radiomoderator Adrian Merz verzichtet auf das Schuhwerk. Pickelhart. «Man erlebt die Umwelt dabei wesentlich intensiver», lautet seine Bilanz.

Hans Herrmann

Letzten Sommer war er stets barfuss unterwegs. Das fiel nicht weiter auf, denn es war ja ein ausnehmend heisser Sommer. Als er aber mitten im Herbst immer noch barfuss durch Burgdorfs Gassen wandelte, fragte sich der eine und andere Passant, ob der junge Mann wohl nicht langsam friere. Der Winter kam, es wurde kalt, Schnee und Eis bedeckten zeitweise den Boden. Und noch immer schritt der Unentwegte barfuss einher. Jetzt wurde klar: Der Mann verzichtet definitiv auf schützendes und wärmendes Schuhwerk.

«Ich habe im Herbst ganz einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst, wieder in die Schuhe zu schlüpfen», sagt Adrian Merz lächelnd. «Und dann habe ichs halt durchgezogen. » Und nie gekneift? «Nie. » Eine Ausnahme mache er nur, wenn er als Akteur auf der Bühne stehe. Zum Image des Cabavari-Ensembles gehöre es nun einmal, gut angezogen zu sein - «und dazu braucht es Schuhe», erklärt der 30-jährige Burgdorfer Kabarettist, der bei Radio Emme auch als Moderator arbeitet. «Beim Snowboarden sind Schuhe übrigens auch unverzichtbar», schiebt er nach.

Pieksende Steinchen

Barfuss gehen muss auf die Dauer eine Qual sein, denkt der Laie. Adrian Merz weiss es unterdessen besser. «Man kann es bis zu einem gewissen Grad mental steuern», führt er aus. «Ich habe mir vorgenommen, mich von Glasscherben am Boden nicht schneiden zu lassen - und bis jetzt hat mich tatsächlich noch keine geschnitten, auch wenn ich versehentlich auf eine trat. » Unangenehm seien dagegen auf der Strasse festgefrorene Rollsplittsteinchen. «Die pieksen ganz schön. » Er habe nämlich trotz seiner ausgiebigen Barfussgängerei keine zentimeterdicke Hornhaut an den Fusssohlen. «Wahrscheinlich zwar eine dickere als andere Leute, aber sie verhindert nicht, dass ich nach wie vor alles spüre. »

Auch an die Kälte habe er sich erst gewöhnen müssen. «Wenn ich frühmorgens bei minus zehn Grad zum Bahnhof unterwegs bin, kriege ich nach wie vor kalte Füsse; dafür wärmen sie sich schneller als früher wieder auf, sobald ich im Zug sitze. » Auch sonst mache ihm Kälte nicht mehr viel aus. Er trage im Winter bloss ein langärmeliges T-Shirt und darüber ein Gilet. «Wenn es sehr kalt ist, stopfe ich das Shirt in die Hose, das ist die einzige Konzession an die Kälte. » Diesen Winter habe er sich noch kein einziges Mal erkältet.

Das Schneegefühl

Auf nacktem Fuss zu leben hat durchaus seine Vorteile. «Man verpasst sich dabei laufend eine Fussmassage, fühlt sich irgendwie wacher, angeregter», weiss Adrian Merz. Zudem erlebe man die Umwelt intensiver. «Wenn ich an einer Lärche vorbeikomme, die gerade ihre Nadeln hat fallen lassen, nehme ich das heute deutlicher wahr als früher - weil ich es jetzt eben an den Sohlen spüre. » Und wenn die feinkörnige Kiesschicht auf der Brüder-Schnell-Terrasse in Burgdorf eine drei Zentimeter dicke Schneeschicht habe, «geht es sich darauf angenehmer als auf jedem Teppich».

Wie reagieren die Leute auf den Nacktfüssigen? «Ich werde oft darauf angesprochen, und das durchaus im positiven Sinn», berichtet Merz. Er fügt schmunzelnd an: «Ich bin aber auch schon aus einer Beiz geflogen, aus dem ‹Rock ‘n' Eat› in Bern. » Und am letzten Markt in Burgdorf habe ihn einer angedonnert, ob es denn eigentlich noch gehe, sich bewusst dem Risiko des Krankwerdens auszusetzen, wo doch die Krankenkassenprämien immer mehr anstiegen. Merz nimmt derlei gelassen: «Diese Episode hat mich eher amüsiert. »

Wie kam er eigentlich auf das Barfusslaufen? Letzten Juni und Juli sei er hoch im kanadischen Norden auf einer Kajaktour gewesen und habe es einfach nicht geschafft, seine Schuhe irgendwann trocken zu kriegen, erzählt er. «Dabei rückte die Schuhproblematik bereits in mein Blickfeld. » Als Merz wieder zu Hause in Burgdorf war, gings gleich weiter: «In der ausgeprägten Sommerhitze versuchte ich es mit Sandalen, fühlte mich darin aber nicht wohl. » Also löste er das Problem, indem er auf Schuhe gleich ganz verzichtete. «Man kann das durchaus philosophisch sehen», sinniert er. «Unsere Welt ist so kompliziert geworden, dass einfache Lösungen durchaus ihre Verführungskraft haben. »

Wird Adrian Merz seine Füsse eines winterlich kalten Tages wieder in Schuhe kleiden? Er zuckt mit den Schultern. «Ich weiss es nicht. Barfuss gehen ist ja auch nicht etwas, das man sich einfach so vornimmt wie zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören. »

BZ-EM-Aufschlagseite, 11. März 2004 [bei BZ tippe ich auf Berner Zeitung ...]

Fundstelle: http://www.espace.ch/medien/archiv/details.asp?vID=390479&newspaper=bz

Das Schweizer Spezialvokabular erläutert uns hoffentlich Michael!
Mit Beiz und Gilet kannst Du für mich bitte schon einmal anfangen ...
Belesene Füße
Georg


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion