Barfuß in Spanien (Hobby? Barfuß! 2)

Rainer_DO, Sunday, 08.06.2003, 22:53 (vor 7783 Tagen)

Hallo,

ich habe Georg im März/April versprochen, über meine Ausflüge nach Spanien zu berichten. Sorry, daß ich das jetzt erst schaffe ...

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Eine Barfußkultur gibt es in Spanien gans besonders nicht. Ich habe zwar --in Andalusien-- schon Spanier gesehen, die sich --nicht etwa weit abseits, sondern in größter Nähe zum Ort-- an anderen Touristen ein Beispiel nahmen und nackt das Strandleben genossen. Außerhalb der Strände hat der spanische Mann in der Regel jedoch mindestens Hemd, lange Hosen, Socken und Schuhe an. Kurze Hosen und bare Füße zeigen allenfalls kleine Kinder in der Nähe der elterlichen Wohnung.

Nach Spanien bin ic in den 80zigern auf der Suche nach Sonne, Strand und Meer gekommen. Später kamen Wanderreisen --in der Gruppe-- hinzu. Mehrfach waren Mitwanderer dabei, die recht gut Spanisch konnten. Inregendwann reichte es mir nicht mehr, ein paar Wörter wie Buenos días, Buenas tardes, ¡Dos cervezas, por favor! etc. zu können und ich beschloß, Spanisch zu lernen.

Aus diesem Grunde war ich bisher zweimal --2002/03-- allein in Spanien (Festland). 2002 reiste ich in Halbschuhen und zog sie so oft wie möglich aus, 2003 reißte ich barfuß und zog die wohlweißlich mitgenommenen Flip-Flops so selten wie möglich an.

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Hier nun meine Zusammenfassung:

In Spanien fällt man barfuß --selbst mit langen (!!!) Hosen-- in der Stadt mehr auf, als terxtilfrei an manchen Stränden. An letzteres haben sich manche Spanier (s.o.!) inzwischen gewöhnt, an ersteres bisher nicht so recht.

Sprache/n:
In den ausgesprochenen Touristenregionen können die Servicekräfte häufig die Sprachen Ihrer Gäste. Abseits sollte man nicht einmal erwarten, daß Englisch selbstverständlich ist. Ein paar Spanischkenntnisse --ich bin selbst weit davon entfernt, auch nur daran zu denken, perfekt zu sein ...-- helfen ungemein.

Fliegen:
Mit Lufthansa von z.B. D'dorf nach Madrid sind Schuhe unnötig. Niemand sagt etwas. Am Madrider Flughafen fallen dann schon die vielen irritierten Blicke auf. Aber Probleme gibt es deswegen nicht.

Uniformierte Wachen:
An einigen Stellen --s.u.!-- gibt es uniformierte Wachen. Kennzeichen sind, neben der Uniform, Schlagstock und Handschellen. Und wie in anderen Ländern auch sind diese Leute mal nett und zugänglich, mal ungenießbar und herrisch ...

Madrid versus andere Städte:
Viele Männer in Madrid tragen Business Dress, selbst sonntags beim Spaziergang im Park. Insofern fällt ein Barfüßiger natürlich besonders auf. Andererseits gibt es eine Menge hemdsärmeliger Leute, die es überhaupt nicht kümmert, ob jemand Schuhe trägt oder barfuß ist. Ich habe daher --gerne abseits der Touristenströme-- manche einfache Kneipe gefunden, in denen ich mich wohlfühlte. In anderen Städten Spaniens habe ich diesen Unterschied bisher so nicht gefunden. Ansonsten habe ich in Madrid noch drei Leute barfuß gesehen:
- Eine Gitana mit Gehstock an einer Kreuzung. Eine zweite --in Schuhen-- wartete auf Autos, um gegen Entgeld die Windschutzscheiben zu reinigen.
- Eine Frau, sitzend auf der Gran Vía, bettelnd
- Ein verwirrt wirkender Mann auf der Plaza mayor, Unverständliches brabbelnd
Entsprechend wird man aufgrund seiner Barfüßigkeit vermutlich von manchen Madrid-Bewohnern eingestuft. Ich hoffe, daß ich mit meinem Auftreten dazu beigetragen habe, dieses schiefe Bild zu korrigieren. Zumindest habe ich einige Menschen dort getroffen, die mich offen und herzlich begrüßt haben. Und wenn wirklich "Schuhe" gefordert werden, genügen Flip-Flops um diese Forderung zu erfüllen. Halbschuhe, Socken und was sonst noch zum Business Dress hehört, braucht's auch dann nicht ..

Museen und andere Kulturstätten [museos y monumentos]:
In Spanien gibt es eine Ministeriumsvorschrift, nach der der Besuch von Museen und anderen Kulturstätten ohne Schuhe bzw. ohne Hemd nicht gestattet ist. Erfahren habe ich das erst, nachdem ich versucht habe, den Prado barfuß zu betreten. Besonders abstrus war, daß man mich zuerst hineinließ --es gibt Kontrollen mit Scannern für Personen und Taschen wie am Flughafen--, um mich dann anschließend wegen meiner Barfüßigkeit wieder hinauszuwerfen. Meine spanischen Begleiter konnten --trotz ihrer Sprachkenntnisse-- auch nichts ausrichten. Andere Besucher kamen mit quietschbunten Hemden, kurzen Hosen und offenen Sandaletten ungeschoren hinein. Aber mit dunklem Hemd, dunklen langen Hosen, aber eben barfuß mußte ich wieder gehen. In Sevilla habe ich es 'mal geschafft, in die Gartenanlagen barfuß zu kommen und d'rinbleiben zu dürfen. An der Kasse haben sie nicht aufgepaßt, die uniformierten Wachen im Innern haben es nicht mitbekommen. Auf die Giralda hingegen durfte ich nicht. In Garachico, Teneriffa, habe ich in einem örtlichen Museum dann aufgrund dieser Erfahrungen 'mal gefragt, ob ich auch barfuß hineindürfe. Die Reaktion: 1.) Erstaunen; 2.) Klar, warum nicht!? [Vermutlich dachte der Kassierer: "Diese Touristen stellen aber komische Fragen ..."]

Metro in Madrid:
An einigen Metro-Bahnhöfen (p.e.: Aeropuerto, Nuevos Ministerios) gibt es Uniformierte Wachen. Einmal wurde ich mit einem freundlichen Augenzwickern gebeten, vorsichtig zu sein. Ein anderes 'mal scharf darauf hingewiesenm, daß ich Schuhe tragen müsse. Als ich es wagte, erst nach dem Grund zu fragen, hätte mich dieser Mensch beinahet aus dem Metro-Zug gewiesen. Er gab erst Ruhe, als ich die Flip-Flops auspackte und anzog. Ansonsten kann man sorglos barfuß die Metro benutzen. Einmal habe ich auch ein junges Paar gesehen, zwar beschuht und bestrumpft, aber er dafür ohne Hemd ...

Züge/Bahnhöfe:
Mal kümmerte es keinen, mal wurde ich --in Atocha [Bahnhof im Süden von Madrid]-- aufgefordert, Schuhe anzuziehen. Halt jemand, der sich wichtig machen wollte, dachte ich. Ein anderes Mal --in Chamartín [Bahnhof im Norden von Madrid]-- wollte ich nur einen Blick auf den Fahrplan werfen. Gleich kam ein Uniformierter auf mich zu. Ich erklärte ihm meinen Wunsch. Er war sehr freundlich. Sein Tenor "Mir ist das egal, aber die Leute kucken ...". Ich durfte den Fahrplan inspizieren und trollte mich dann wieder. Er hatte sein Gesicht gewahrt, ohne deswegen gleich den "Bullermann" herauszukehren. Will man tatsächlich mit dem Zug reisen, sollte man daher zumindest Flip-Flops dabei haben ...

When in Rome, do as the Romans do:
Selbst meine Begleiter hatten im Prado --s.o.!-- zwar gefaucht, zeigten sich jedoch, als ich sie aufgrund einer Einladung zu Hause --barfuß halt-- besuchte, irritiert, und waren sichtlich erleichtert, als ich bei einem zweiten Besuch Flip-Flops trug.

Einkaufen:
In Spanien gibt es genau eine Kaufhauskette --El Corte Inglés [Der englische Schnitt]: Als ich versuchte, barfuß einzutreten, wurde ich von einer Dame freundlich darauf hingewiesen, daß ich ohne Schuhe nicht eintreten dürfe. Immerhin keine Uniform, aber dafür höfliches Auftreten. Und die männlichen Angestellten tragen ausnahmslos Business Dress. Ich habe auch einige Geschäfte gesehen, die uniformierte Wachen im Eingangsbereich postiert haben. In anderen Geschäften war meine Barfüßigkeit überhaupt kein Thema.

Sauberkeit/Glasscherben:
Da die Spanier grundsätzlich nur beschuht auf die Straße gehen, achten sie auch nicht auf Verschmutzung und Glasscherben. Gleichwohl ist das Thema Umwelt und Sauberkeit aktuell. In Madrid gibt es Werbekampagnen ["Madrid, limpio y verde", "Madrid, sauber und rein"; "Madrid limpio es capital", "Das saubere Madrid ist die Haupsache" bzw. "Madrid ist eine saubere Hauptstadt"]. Ich kann das nur bestätigen. Die Straßen von Madrid sind sehr sauber, es gibt nur wenig Glasscherben. Man sieht häufig Reinigungstrupps. Andere Städte [z.B. Toledo, Sevilla] waren so mit Glasscherben "verseucht", daß ich froh war, Schuhe dabei zu haben. In Salamanca und Córdoba habe ich dafür meine Schuhe mehr an den Händen als an den Füßen getragen ...

Hotels/Restaurants/Bars:
Barfuß im Hotel geht durchaus. Im Zweifel muß man den Angestellten erklären, daß man 'raus auf die Straße will und nicht die Absicht hat, dort Schuhe tragen zu wollen. In Hotel-Restaurants würde nach allen Erfahrungen damit rechnen, daß man ohne Schuhe abgewiesen wird. In einfachen Restaurants und Bars --ich bevorzuge diese ihnehin wegen ihrer auch sonst angenehm zwanglosen Athmosphäre!-- ist Barfüßigkeit kein Thema, ggf. kucken spanische Gäste etwas irritiert. Im allgemeinen würde ich jedoch --bei noch unbekannten Orten-- damit rechnen, entweder mitgebrachtete Flip-Flops um des lieben Friedens willen nach Aufforderung anzuziehen oder auf den Besuch zu verzichten.

Kino:
Keine Probleme. Ich war in Puerto de la Cruz, Teneriffa, und in Madrid mehrfach barfuß im Kino. Manchmal gibt es eine Bemerkung ["¡¡¡Descalzo!!!" - "Barfuß!!!"] von anderen Gästen wie auf der Straße auch.

Theater:
Keine eigene Erfahrung bisher. Vgl. "Hotels/Restaurants/Bars"! Ich würde mich jedoch überhaupt nicht wundern, falls zu einer Aufführung von z.B. Modernem Tanztheater barfüßige Besucher abgewiesen würden, selbst wenn die Tänzer auf der Bühne barfuß agieren.

Barfüßige Grüße aus Dortmund

Ráiner

P.S.: Wär' 'ne spannende Frage, ob z.B. Shakira außerhalb der Bühne auch barfuß ist und dies auch in Hotel-Restaurants und insbesondere bei Auenthalten in Spanien und Lateinamerika auch durchhält. Wenn ja, vielleicht nur dank Star- und Frauenbonus ... :-))


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