Hi Ihr!

Mit brennenden Sohlen bin ich soeben vom Kirchentag in Berlin zurückgekehrt, und meine Euphorie ist dermaßen überbordend, dass ich Euch noch mitten in der Nacht kurz berichten muss.
Organisierte Frömmelei ist mir etwas suspekt, obgleich ich als (einigermaßen aktive) mittelfränkische Protestantin natürlich etliche Kinderbibelwochen, evangelische Jugendfreizeiten und auch Kirchentage absolviert habe. Das Fest in Berlin allerdings war schlicht gesagt phänomenal! Die ideale Verbindung von Spiritualität, kritischer Diesseitsgewandheit und purer Lebensfreude. Ohne jede Frömmelei - und gerade deshalb ein Fest ganz im Sinne Christi!
Es ist möglich, eine prüfende Sicht auf die Welt zu wagen, ohne in Betroffenheit zu erstarren, Probleme zu vergegenwärtigen und sich dennoch in gemeinschaftlichem Glück zu wiegen. Ja, das ist ohne Schizophrenie möglich. Das habe ich in Berlin erfahren.
Bevor ich hier zu einer Predigt ansetze, sei erwähnt, dass ich noch nie so viele barfüßige Menschen in einer Menge gesehen habe (höchstens auf dem Chiemsee Reggae Summer, aber da ist das Publikum ja weniger gemischt). Barfußlaufen hat einfach gepasst zu diesem grandiosen Fest! Nicht nur wegen des wunderbaren Wetters. Es war Ausdruck der Stimmung dieses Kirchentages. Ich habe Menschen jeden Alters und jeden Profils barfuß gehen sehen. Eben und gerade nicht den klischeebehafteten Typ "engagierte junge Gemeindehelferin, die mal eben die Jesuslatschen wegpackt". Es haben sich so viele mitreißen lassen. Ganz und gar unbekümmert, losgelöst von Alltag und Konventionen. Ich habe noch nie eine Massenveranstaltung erlebt, wo Barfußlaufen dermaßen gesellschaftsfähig war. Überhaupt keine blöden Blicke, ganz im Gegenteil - nackte Füße passten einfach, gehörten dazu!
Sicher haben viele eben mal ihre Jesuslatschen weggepackt - aber immerhin! Ich habe Leute barfuß gesehen, die mich in einem anderen Zusammenhang (z.B. daheim im Supermarkt) eher schräg anschauen würden. Einfach wunderbar!
Mitunter war es fast zu heiß zum Barfußlaufen. Ich bin schon ohne Schuhe angereist. Habe die Dinger nie vermisst. Es war kein Problem, da es auch nachts überaus angenehm war, barfuß zu sein. Streng genommen war es nur nachts wirklich ganz angenehm. Tagsüber kochte der Boden Berlins - vor Hitze und vor Freude.
Ich bin so euphorisch! Und es ist erst Anfang Juni! Vor uns liegen noch vier Monate unbeschwerten Dauerbarfußlaufens. Genießt es!
Ihr sollt ein Segen sein
Liebe Grüße
Lotsi