Die Mängel des Artikels von Frau Petersen (Hobby? Barfuß! 2)

Frank (Student der Journalistik), Monday, 02.06.2003, 01:29 (vor 7790 Tagen) @ Lorenz

Sehr geehrter Herr Kerscher,

dass Sie als Angehöriger der Barfuß-Lobby von dem Artikel von Frau Petersen begeistert sind, ist kein Wunder. Journalistisch gesehen ist der Text von Frau Petersen aber eher bescheiden.

Denn:

1. Der Artikel ist absolut einseitig; die Autorin hat ausschließlich Pro-Barfuß-Argumente aufgeführt und nur Vertreter der Barfuß-Lobby zu Wort kommen lassen (= "Hofberichterstattung"). Gegenargumente hat sie völlig außer acht gelassen. Der Leser wird in eine bestimmte Richtung gelenkt und bekommt nicht die Chance, sich anhand von Contra-Barfuß-Argumenten, die die Autorin berücksichtigen hätte sollen, kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

2. Mehrere der in dem Artikel aufgestellten Thesen werden durch nichts belegt, weshalb der Leser nicht weiß, was von ihnen zu halten ist. Besonders negativ fallen diesbezüglich folgende Passagen des Textes auf (Zitat):

"Die Zeiten, in denen das Barfußlaufen einen eher zweifelhaften Ruf genoss, weil Hippies oder Studenten an unmöglichen Orten ohne Schuhe auftauchten, sind vorbei. Bloße Füße, so sie denn picobello gepflegt sind, können heute durchaus ausgehfein sein - was nicht heißt, dass man mit ihnen gleich in die Oper gehen sollte.

Trotzdem gibt es keinen Grund, sich seiner Füße zu schämen. Läuft man längere Zeit ohne Schuhe, erledigen sich auch Probleme wie Schweiß oder Fußpilz von selbst."

Der Leser bekommt hier den Eindruck, dass Frau Petersen einfach nur Ihre eigene Meinung wiedergibt. Dies darf sie hier aber nicht in dieser Form tun, da es sich bei dem Artikel nicht um einen Kommentar handelt, sondern um einen Bericht bzw. ein Feature, und in einem solchen muss man sich um eine objektive Berichterstattung bemühen. Der Leser kann Frau Petersens Aussagen nicht zureichend bewerten (sind sie übertrieben?/treffen sie genau zu?), weil Frau Petersen sie nicht begründet und den Leser somit nicht an Ihren Überlegungen teilhaben lässt.

3. Der Ursprung der These (Zitat) "Gerade in den letzten Jahren sind in Deutschland zahlreiche so genannte Barfußpfade entstanden" bleibt im Text ebenfalls unklar. Man bekommt den Eindruck, als habe sich Frau Petersen hier nur auf die Aussagen von Ihnen, Herr Kerscher, verlassen. Falls dies zutrifft, liegt eine unzureichende Quellenlage vor, da Sie als Vertreter der Barfuß-Lobby nicht neutral sind und eigene Interessen verfolgen, d.h., die Lage schönfärben könnten. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte Ihnen letzteres nicht unterstellen und glaube Ihrer Behauptung auch. Aber journalistisch gesehen spielt das keine Rolle, denn glauben heißt nicht wissen. Journalistisch korrekt hätte Frau Petersen gehandelt, wenn Sie die Informationen, die Sie von Ihnen bekommen hat, anhand einer unabhängigen zweiten Quelle überprüft hätte.

Falls Sie sich fragen, warum ich mir die Mühe mache, Ihnen das alles hier zu erzählen: Ich bin Journalistik-Student und trainiere derzeit als Vorbereitung auf ein Prüfungsgespräch bei jeder sich bietenden Gelegenheit mein Argumentationsvermögen. In diesem Sinne: Danke, dass Sie mir zugehört haben.


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