Lieber Harald!

Es mag manchen etwas buchhalterisch erscheinen, genaue Pläne für das Barfuß-Sein aufzustellen. Ich finde das überhaupt nicht. Barfuß-Vorsätze steigern die Vorfreude auf die Zeit auf nackten Sohlen und verstärken - wenn es soweit ist - den Anreiz, die Schuhe daheim zu lassen, wann immer es geht.
Es ist einfach wunderbar, irgendwann Mitte Januar, wenn der kalte Regen an die Scheibe plätschert, sich auszumalen, wo und wie lange man ab April barfuß sein wird. Es ist ein hervorragendes Mittel gegen Winter-Depression, Pläne für möglichst extensives Barfuß-Sein zu schmieden. Der Gedanke, ein halbes Jahr lang, vielleicht sogar länger, dem "sozialen Druck" (wie Du es treffend nennst) hartnäckig zu widerstehen. Und die anderen Widrigkeiten, die Du nennst (spitze Steine, Kälte), relativieren sich durch enthusiastisches Barfußlaufen ohnehin.
Unbeschreiblich ist die Aufregung, die sich einstellt, wenn es draußen wirklich wärmer wird und all die theoretischen Vorsätze den Praxistest bestehen müssen! Das ist eine Möglichkeit, den Genuss des Barfußlaufens weiter zu steigern.
Nochmal: es mag buchhalterisch anmuten, aber das Mitzählen von dauerbarfüßigen Zeitabschnitten hat echt seinen Reiz! Das mag auch darin begründet sein, dass wir doch alle irgendwie davon träumen, immer barfuß leben zu können. Ohne Kälte und ohne Zwänge. Das bewusste Erleben möglichst langer Zeit auf bloßen Sohlen nähert uns diesem Ziel gedanklich an. Immerhin: gedanklich. Denn dass wir diesen Traum in Mitteleuropa nicht ganz verwirklichen können, wissen wir.
Aber wie aufregend ist etwa Mitte September darum zu wissen: Ja, seit fünf Monaten habe ich nur - zum Beispiel - fünf mal kurz in Schuhe steigen müsssen (oder wollen). Fünf Monate barfuß! Tag und Nacht! Fast überall! Es ist prima, sich das vorzunehmen, es ist nahezu unbeschreiblich, das auch zu realisieren!
2003 wird jetzt mein zwölfter Barfußsommer, aber die wohlige Aufregung, die Euphorie, selbst gesteckte Ziele zu erreichen, macht mich Jahr für Jahr unvermindert glücklich!
Ich habe hier meine Vorsätze Ende März kundgetan. Da war ich schon voreilig barfuß. Die kurzzeitige Rückkehr des Winters hat mir leider einen kleinen Dämpfer versetzt. Seit Anfang April habe ich fünf Tage teilweise in Schuhen verbracht. Immerhin. Und seit vergangener Woche ist ja ohnehin echter Sommer!
Mein Ziel: barfuß bis Ende September. Bis dahin maximal weitere fünf Tage in Schuhen (inklusive zwei mündliche Prüfungen an der Uni und Großtantes 70. Geburtstag). Mal sehen, ob es klappt. Aber die Freude darauf lässt mich schon jetzt jauchzen!

Genießt den Sommer! Genießt den warmen Boden unter Euren Füßen!
Liebe Grüße
Lotsi