Italienischunterricht (Hobby? Barfuß! 2)

Jörg (Hanna) ⌂, Saturday, 16.02.2002, 16:12 (vor 8322 Tagen) @ Federico

Hallo Fredericio,

es freut mich und vor allem Georg, der sich ja die ganze Arbeit mit dem "Best-Of" macht, wenn die Beiträge dort auch Monate und Jahre später noch Leser finden. Wie Du schon richtig geschrieben hast, ist das "Best-Of" genau dafür gedacht!

Allerdings stammen die folgenden Zitate...

Jörg freute sich nämlich, dass er überhaupt unauffällig und problemlos am Gardasee spazieren gegangen ist und, ich zitiere: "Überhaupt war die [...] Reaktion am Gardasee überraschend positiv, das heißt, es gab überhaupt keine Reaktion. Weder beim Einkaufen in [...] Supermärkten oder etwa beim Betreten von Museen hatte ich irgendwelche Probleme. Es gab von Seiten der Einheimischen noch nicht einmal überraschte oder schockierte Blicke. Offensichtlich ist die Bevölkerung dort angesichts der Touristenströme einiges gewohnt."
Ausdrücklich spielte Jörg auf die wenig eleganten "dickbäuchigen" Touristen an, an denen sich die italienische Bevölkerung gewöhnt habe.

...nicht aus meinem Beitrag, sondern aus Bernds! Von mir hast Du richtig zitiert:

Doch weiter: "Das wichtigste zuerst: Barfußlaufen am Gardasee ist wie barfußlaufen in (Ober-) Bayern, da der See fest in deutscher bzw. bayerischer Hand ist... Auffallfaktor daher sehr gering!"

Eigentlich, als Italiener, der genau aus der Garda-Gegend herkommt, finde ich, mit Verlaub, eher unlogisch und ein bisschen lächerlich, dass Jörgs positive Erfahrungen in meinem Land nicht wegen einer offenen Mentalität der Einheimischen sondern Frucht der italienischen Tourismus-Gewöhntheit oder der hohen Anzahl der deutschen bzw. bayrischen Touristen sein sollten. [...] Ich finde, das liegt doch an unserer einigen Kultur und nicht mit dem Tourismus zu tun. Würde der Tourismus wirklich unser Lebensstil beeinflussen, dann würden auch die Italiener eine Menge Bier und Würstel verzehren; das ist aber noch nicht geschehen.
Also, ich korrigiere: "dank der modernen italienischen Mentalität sind die meisten italienischen Uraubsorte alle barfuß-freundlich"!

Da Du mich falsch zitiert hast, können sich diese Überlegungen natürlich auch nicht auf meinen Beitrag beziehen. Allerdings wird die These, wonach der deutsche (Massen-) Tourismus die Gardaseeregion beeinflußt hat, durchaus auch in meinem Beitrag aufgestellt, denn:

Jörg bemerkt außerdem: "Die meisten dieser Städte wurden mittlerweile vom Autodurchgangsverkehr befreit und mit Fußgängerzonen versehen. Dadurch sind sie barfuß gut begehbar und auch relativ sauber, auf der anderen Seite auch steriler, touristischer und mit weniger italienischem Flair (keine knatternden Vespas). Überhaupt ist der Gardasee bzw. die Orte drum herum noch viel deutscher geworden...”
[...]
Die knatternden Vespas haben eigentlich die kleinen norditalienischen und "relativ sauberen" Städte und Gegenden niemals sinnbildlich dargestellt (Ferrara, mittelalterliche Stadt am Fluss Po ist, zum Beispiel, als die Stadt mit den meisten Fahrräder Europas dafür bekannt - dazu seht: http://www.italia-individual.de/Emilia/info/ferrara/ferrara2.htm).
Doch immer prägt sich in unserer Einbildung die eher außergewöhnliche und pittoreskeste Darstellung eines Landes bzw. eines Volkes, so verbinden die Deutschen mit Italien immer nur Süditalien; alles andere muss nicht typisch dieses Landes oder "deutscher" geworden sein.

Tja, leider war ich noch nicht in Süditalien, das Bild der "knatternden Vespas" hat sich vielmehr durch diverse Italien-Urlaube in Norditalien während meiner Kindheit (zwischen 5. und 15. Lebensjahr) eingeprägt und aus dieser Zeit kannte ich auch noch diverste Gardaseeorte. Daß diese Orte heute nicht auch ohne Touristen zu ansehnlichen Fußgängerzonen gekommen wären, kann natürlich schon sein. Vielleicht ist es nur eine Frage der Perspektive: Für einen Norditaliener sind die wenigen knatternden Vespas nichts gegenüber die vielen im Süden?

Ja, es stimmt schon, dass es in Deutschland generell mehr Barfüßigen als in Italien zu sehen sind. Bei den Italienern ist das aber, meiner Meinung nach, eher auf eine blöde ständige Sucht nach Eleganz zurückzuführen. Das norditalienische Wirtschaftswunder, das in der Nachkriegszeit Italien auf einmal zur fünften Macht der Welt geführt hat, hat leider folglich, vor allem im Norden des Landes, ein sehr starkes Konsumdenken beigetragen, nach dem das Geld einen Wert zu zeigen und die Kleidung bzw. Firmenkleidung ein Zeichen des Reichtum bzw. des "Geil-Seins", insbesondere unter meinen jugendlichen Gleichaltrigen geworden ist. Von Bestandteil einer Volkstradition hat sich die Kleidung in ein Erkennungszeichen einer gewissen Gruppe verwandelt, nicht zuletzt mit dem Umweg über eine immer stärkere "Nikeskultur". Schuhe können auf diese "wesentliche" Rolle nicht verzichten: Ja, je mehr sie gekostet haben, desto geiler man wird! Ja vielleicht bilden sie Pendant zu dem super-geilen T-Shirt, das für das neue super-geile Lokal auf der Strand gekauft wurde! So weit ich sehe, hat sich in Deutschland so eine Denkweise, dank einem größeren generellen Sparsamkeits- und Bescheidenheitsgefühl der Deutschen glücklicherweise viel weniger durchgesetzt - und hoffentlich wird es noch länger so bleiben!

Da muß ich leider widersprechen. Zwar hast Du Recht, daß elegante Kleidung und Schuhe (vor allem italienische Schuhe sind ja weltweit begehrt) in Italien einen höheren Stellenwert haben als in Deutschland, allerdings nimmt auch hier das Markenbewußtsein vor allem bei Jugendlichen oft schon groteske Züge an. Die Globalisierung des Konsumrausches und das Anheizen desselben durch die Werbeindustrie ist in der westlichen Welt leider schon sehr weit fortgeschritten. Nicht nur (labile) Jugendliche können sich dem Konsumdruck immer seltener entziehen...

Ich hoffe, ihr seid für diese Überlegungen nicht zu böse auf mich, und dass ihr an nächstem Sommer mal wieder zum Garda-See und drum herum zu Besuch kommt! Dafür freue ich mich über - besonders jugendliche - Kontakte!

Meine Freundin war zum ersten Mal in Italien und am Gardasee und hat sich geradezu in ihn verliebt, will sogar italienisch lernen! Wir kommen also auf jeden Fall wieder. In diesem Jahr steht aber erstmal der Lago Maggiore auf dem Programm, wieder mit dem befreundetem Pärchen und wieder mit kleinem Barfuß-Bericht von mir.

Ciao und Arrivederci,
Jörg

[image] Barfuß-Berichte vom Gardasee im Best-Of


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