Aus einem Buch von Desmond Morris (1) (Hobby? Barfuß! 2)

georg, Wednesday, 06.02.2002, 20:08 (vor 8266 Tagen) @ Georg

Hallo zusammen,
auf meiner Festplatte schlummern schon länger - wie ich meine - interessante Auszüge aus dem Buch "Körpersignale" von Desmond Morris, München 1986, genauer aus dem Kapitel "Die Füße" S. 237 - 249.
Der Autor beginnt diesen Abschnitt des Buches wie folgt :
Es heißt, der Mensch steht allein, "weil er allein steht". Anders gesagt, der erste riesige Schritt der Menschheit war der erste Schritt auf zwei Beinen, den unsere Vorfahrengewagt haben. In dem Augenblick, als wir begannen, auf unseren Hinterbeinen zu gehen, befreiten wir unsere Vorderbeine, so dass sie sich zu zupackenden, manipulierenden Händen entwickeln konnten. Und mit diesen Werkzeuge herstellenden Händen haben wir die Welt erobert.

Logisch-evolutionärer Widerspruch: "Händigkeit" war die Voraussetzung, nicht die Folge der Habitualisierung des aufrechten Ganges.

>Daher schulden wir unseren Füßen großen Dank, und wir sollten sie als einen der wichtigsten Teile unseres Körpers ehren. Aber weit gefehlt im Gegenteil, wir misshandeln sie geradezu fürchterlich. Zwei Drittel ihres Lebens sperren wir sie in enge Ledergefängnisse ein, Wir zwingen sie, auf harten, ermüdenden Flächen zu gehen, und wir ignorieren ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden so lange, bis sie ernsthafte Schwierigkeiten haben und Schmerzsignale aussenden, die wir nicht länger unbeachtet lassen können.

Diesbezüglich gibt es von uns gewiss keinen Widerspruch! Es folgen nunmehr Erklärungsansätze:
Wir sehen, bildlich gesprochen, auf unsere Füße herab, vermutlich, weil wir tatsächlich auf sie herabsehen. Sie sind von unseren spezialisierten Sinnesorganen zu weit entfernt. Könnten wir sie so aus der Nähe betrachten wie unsere Hände, würden wir uns mehr um sie kümmern. Aber sie befinden sich am untersten Ende unseres Körpers, und die meiste Zeit verschwenden wir nicht einmal einen flüchtigen Gedanken an sie.
Diese Haltung wird von dem Gefühl begünstigt, dass ein Schaden an unseren Füßen nicht tödlich sein kann.

Warum benennt Desmond Morris das von ihm behauptete begünstigende Gefühl nicht explizit(=positiv)?

Selbst wenn eine Frau ihre hochhackigen Schuhe nach einem Einkaufsbummel fortschleudert und stöhnt: "Meine Füße bringen mich noch um!", glaubt sie nicht, was sie sagt.

Dass diese Äußerung, leicht dahin gesagt, einen wahren Kern hat, erläutert der Autor einsichtig :
Sicher, der Fuß ist kein lebenswichtiges Organ wie das Herz, die Lunge oder die Leber; aber schlecht behandelte Füße können die Lebenszeit genauso verkürzen wie ein Herzanfall.
Um dies zu verstehen, müssen wir einen Blick auf das Gehverhalten älterer Menschen werfen. Diejenigen, die ihre Füße jahrzehntelang schlecht behandelt haben, müssen sich im Alter im Schneckentempo und qualvoll humpelnd fortbewegen. Andere, die noch gehtüchtig sind, können lange gesunde Spaziergänge machen, und gerade diese haben sich als ungemein gesund und lebensverlängernd erwiesen. Befasst man sich eingehender mit jenen ungewöhnlichen Menschen, die ihr 90. Lebensjahr überschritten haben, zeigt sich, dass bemerkenswert viele von ihnen immer begeisterte Spaziergänger waren and oft Tag für Tag etliche Kilometer zurücklegten.

Wie unsinnig dieses Argument ist, ist daran erkennbar, daß die Menschen früherer Jahrtausende und Jahrhunderte, die barfuß gingen, keine höhere Lebenserwartung hatten als ein durchschnittlicher Schuheträger heutzutage. Eher geringere![/i]

Das entspannte Spazieren gehen ist eine ideale Übung für den ganzen Körper [...] Die Füße lieben sanfte und hassen ruckartige Bewegungen.

Sanfte Bewegungen - wir wissen aus Erfahrung, dass dies barfuß viel besser funktioniert als mit festen, oft unbeweglich - steifen Gewichten an den Füßen :
Jedes Mal, wenn der Fuß während der Fortbewegung den Boden berührt, erhält er, auch wenn wir noch so weich auftreten, einen Stoß. Man schätzt, dass die Füße im Lauf eines durchschnittlichen Lebens mit mäßiger körperlicher Bewegung über zehn Millionen mal den Boden berühren. Der erste Moment eines jeden Bodenkontakts besteht aus dem Aufprall der Ferse und ihrer stoßdämpfenden Wirkung. Diese wichtige Funktion nehmen wir als völlig selbstverständlich hin [...]
Einen Sekundenbruchteil nach diesem ersten Bodenkontakt hat der Fuß die Rollen gewechselt. Aus dem Stoßdämpfer wird jetzt eine feste Stütze für das bewegliche Körpergewicht. Durch die Zehen wird er schließlich zu einem antreibenden Organ, das den Körper vorwärts schnellt. Dieser dreifache Vorgang erfolgt bei jedem Schritt, den wir tun.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, hat der Fuß eine äußerst komplizierte Struktur. Er besteht aus 26 Knochen, 114 Bändern und 20 Muskeln. Leonardo da Vinci nannte ihn ein "Meisterwerk der Mechanik" und wenn man bedenkt, welchen besonderen Balanceakt der Fuß für unseren einzigartigen, aufrecht stehenden Körper ausführen muss, kann man ihm nur recht geben.
Stellen Sie sich zum Beispiel eine kompakte, lebensgroße, stehende Schaufensterpuppe vor [...], ein solches Ding würde an einem Hang aufgestellt werden. Es würde sofort umkippen. Wir sind jedoch bemerkenswert behände, weil unsere Füße in jeder Sekunde der menschlichen Bewegung zahllose Botschaften aussenden und empfangen, die Tausende von kleineren Muskeleinstellungen auslösen, damit wir stets das Gleichgewicht halten können. Selbst wenn wir still stehen und scheinbar nichts tun, arbeiten die Füße und veranlassen winzige, subtile und fast unmerkliche Veränderungen in unserer Haltung.

Und es wird auf Anhieb klar, weshalb Schuhe dabei nur hinderlich wirken und die natürlichen Fähigkeiten be-, ja verhindern können !
Dass Füße Schweiß produzieren, empfinden wir vorzugsweise als lästig. Der Autor stellt auch zu diesem Thema aufschlussreiche Erwägungen an :
Nicht verloren haben wir unsere Fähigkeit, mit den Füßen Duftsignale zu hinterlassen. Australische Ureinwohner können angeblich Menschen am Geruch ihrer Fußabdrücke identifizieren, und dies sogar noch einige Zeit, nachdem sie vorübergegangen sind. In solchen Fällen waren die Vorübergehenden natürlich barfuß.

Lob der Kultur! Ein Glück, daß ich zwecks Informationsgewinnung nicht mehr an Fußabdrücken
riechen und auch keine Angst vor Skorpionstacheln und Schlangenbissen haben muß, sondern mir mein Wissen größtenteils geistig erwerbe.

Lieber GuruI: Unter Ethologen ist auch bekannt, daß Küssen sich vom tierischen Kußfüttern des Neugeborenen durch das Muttertier ableitet.
Ich hoffe, du denkst beim nächsten Kuß deiner Frau daran!

Wie immer, der dich schätzende georg

P.S. Hast du Desmond Morris auf einem Bild, in einem Film oder Interview jemals barfuß gesehen?


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