Barfuß tanzen (Hobby? Barfuß! 2)

Harald 2, Thursday, 10.01.2002, 11:38 (vor 8359 Tagen) @ Lotsi

Tanzen ist eine wunderschöne Sache, barfuß tanzen ist am allerschönsten, es ist, finde ich, die intensivste Steigerung, die Kür des Barfußlaufens: auf baren Füßen gelingt Körperbewegung viel freier, ungezwungener, das Gespür für den Untergrund (beim Tanzen ja nicht unwichtig) wird enorm gesteigert - wird zum Genuss!
Wie halten es denn die Herren damit?
Liebe Grüße
Lotsi

Das spricht auch mir aus der Seele! Dabei bin ich ein ziemlicher "Spätzünder" in Sachen Tanzen. Mit 17 war ich einmal in einem Tanzschulkurs. Es war eine ziemlich "Alt-Wienerisch" konservative Angelegenheit, mit Kravatte und weißen Handschuhen und so. Ich bin zwar halbwegs regelmäßig hingegangen, aber nur, um nachher mit meinen Freunden ins Kaffeehaus zu gehen. Gelernt hab ich echt so gut wie nichts dabei. Deshalb kann ich auch bis heute nicht "nach Regeln tanzen" und drück mich auf Hochzeiten, so gut es geht. Wenn's sein muss, hab ich dann meinen Spass mit den Tanzpartnerinnen (oder sie mit mir), aber mit Tanzen hat das nicht viel zu tun.
Die Hochzeiten meiner Freunde sind im allgemeinen nicht so ganz traditionell-konservativ. Barfuß dort aufzukreuzen kann ich mir aber doch nicht vorstellen, zu später Stunde die Schuhe ausziehen eventuell schon. Auch, wenn ich es noch nie gemacht habe und barfuß mit Anzug schon eher lächerlich finde. (Ist aber eh schon fast egal. Irgendwie hab ich immer das Gefühl, in einem Anzug eine skurrile Figur irgendwo zwischen Firmling und Mafioso abzugeben...)
Tanzen in der Disco war früher auch nicht so ganz das meine, hab ich aber schon immer gemacht. Der Kick kam dann, als ich mutig genug war, das barfuß zu tun. Es war eine völlig neue Art, meinen Körper zu erleben. Später kam meine Leidenschaft für afrikanische Musik. Und dabei ist Tanzen (oder auch Trommeln) mit Schuhen so ähnlich, wie mit Sonnenbrille ins Kino zu gehen.
Die letzte Neuentdeckung hab ich vor ein paar Tagen gemacht. Ich war zum ersten Mal bei einer alten "alternativem" Tanzabend, bei dem Schuhe und Rauch verpönt sind. Ich hab vorher gefühlt, dass das etwas für mich sein könnte, war aber doch auch skeptisch. Doch dann war ich einfach begeistert! Weil die Leute sooo nett waren, weil wir Barfuß-TänzerInnen einmal in der Mehrheit waren (und die anderen nur Socken getragen haben), weil ich erfahren habe, dass es in Wien jede Menge Veranstaltungen dieser Art gibt.
Von diesem Tanzabend erfahren habe ich in der recht witzig gemachten Wiener Zeitung "Augustin", die von Obdachlosen in der Stadt verkauft wird. Ein Auszug aus dem Beitrag von Christa Neubauer:

"Tanzen - aber wirklich
Unlängst bei einem Firmengeburtstag gewesen. Immer wieder sehnsüchtig auf die kleine verlassene Tanzfläche mit Buntlicht und Nebel geschielt. Mehr oder weniger vergeblich. Der DJ erweckte mütterliche Gefühle, die Musik, die er spielte, großmütterliche. (Des hätt's zu meiner Zeit net geb'n.)
Einige Tage später steckt mir ein Freund ein kleines Stück Papier zu. "Falls du wieder einmal gscheit tanzen willst." Wissend, dass ich mich auf ihn verlassen kann, wage ich mich am folgenden Samstagabend ins "Barada" beim Westbahnhof. Tagsüber ein Tanzstudio, verwandelt es sich jeden ersten Samstag im Monat in die Kulisse für ein Tanzevent der anderen Art.
Das Barada versteht sich als eine rauch- und schuhfreie Zone. Disco-Aufmachung ist hier nicht gefragt, die meisten tanzen in bequemer, sportlicher Kleidung, barfuß. Man "spürt sich so besser", wie ein Gast es ausdrückt.
Im Tanzsaal kontrastieren Parkettboden, Kristallluster und Vorhangbahnen aus Brokat mit der formalistischen Wandmalerei und den vielen Kerzen, die sich entlang der Tanzfläche finden. Eine Wand ist versiegelt, aber nur wenige Tänzer/innen nutzen die Möglichkeit der Selbstbeobachtung.
Sie geben sich der Musik hin, lassen sich zu unterschiedlichsten Ausdrucksformen inspirieren und genießen die Atmosphäre.
...
Es ist unmöglich, hier nicht zu tanzen. Es geht auch nicht ums Tanzenkönnen, sondern ums Tanzenwollen. Jeder Teilnehmer am Tanzfest ist willkommen, wie immer er oder sie seinen oder ihren Ausdruck findet."


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