Treffen in Karlsruhe - ein Bericht (Ergänzung) (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Sunday, 09.12.2001, 22:47 (vor 8325 Tagen) @ Bernd A

Hi zusammen,

So gingen wir barfuß durch die Kaiserstraße auf der Suche nach einer geeigneten Kneipe zum Einkehren.
Die ersten verwunderten Ausrufe ließen bei ca. 2 Grad auch nicht lange auf sich warten. Eine jüngere Dame lief ein Weile neben uns her und fragte, ob wir ein Abhärtungstraining absolvieren "Nein, wir sind schon abgehärtet!" "Demostriert Ihr für etwas!" "Nein, wir demonstrieren für nichts!" "Ja, habt Ihr vielleicht schon einen Glühweinschock?" "Noch nicht...!" sie ging noch ein Stück neben uns her, dann blieb sie abrupt stehen. "Oh, jetzt bin ich ja viel zu weit gegangen, vor lauter-lauter. Hoffentlich krieg ich meine Straßenbahn noch!"

Es gab noch mehr verwunderte Ausrufe - von den ungläubig- erstaunten Blikken etlicher Passanten gar nicht zu reden. Erwähntsei noch folgende Episode: Als wir uns vor dem Schuhgeschäft "foot locker" für ein Gruppenbild aufstellten, brüllte jemand: "Da müßt ihr rein! Da müßt ihr euch Schuhe kaufen!" Das Geschäft war jedoch schon längst geschlossen. Das fiel auch dem Brüller auf, und er setzte hinzu: "Morgen früh müßt ihr euch Schuhe kaufern! Jetzt ist es zu spät für euch!" Außerdem ergab sich noch ein nettes Gespräch mit zwei jungen Männern, die sich einerseits sehr interessiert zeigten, andererseits aber klar durchblikken ließen, daß Barfußgehen für sie selbst niemals in Betracht käme.

Dessen unbeirrt gingen wir weiter zum "Ballermann" eine Kneipe bei der Uni, wo wir Platz, Speise und Trank fanden, gemütlich zusammensitzen konnten und uns barfüßige Anekdoten zu erzählen.
Später stieß dann auch Dominik noch zu uns (er hatte sich vorher telefonisch gemeldet).
Weder für das Personal noch für die Gäste des Lokals war es ein Problem, dass wir barfuß waren. Die Kellnerin fragte uns, ob wir eine Wette einlösen. Bei all dem interessanten Erzählen merkten wir gar nicht wie die Zeit verstrich und ehe wir uns versahen war es 23:45 und wir wussten, dass wir eigentlich noch 20-25 Minuten bis zur JH brauchen, die um 24 Uhr schließt. Also eilten Eva, Dirk und ich voraus, um Bescheid zu sagen, Eva und Dirk die letzten paar hundert Meter im Laufschritt, sie schafften es gerade noch. So kamen alle noch zu ihrer Unterkunft zurück. Wie verabredeten uns für 9:30 Uhr am Samstag morgen an gleicher Stelle.
Der Samstag Morgen war ziemlich frisch und die Wiesen von Rauhreif bedeckt. Bernd KA wollte ausschlafen und war nicht mit von der Partie, dafür aber Jürgen. Wir gingen zum den Schlossgarten und genossen das prickelnde Gefühl auf den rauhreifbedeckten Wiesen zu laufen, für den ein oder anderen war es etwas zu frisch. Lange hatten wir nicht Zeiten, denn wir wollten ja um 11 Uhr am Treffpunkt Pyramide sein. Beim Schloss fragte dann ein kleiner Junge seine total verblüfften Vater, ob man hier barfuß gehen kann. Da ein 3-jähriges Kind solch eine Frage nicht ohne Grund stellt, schaute sich der Papa nach allen Seiten um und traute wohl seinen Augen nicht, als er uns erblickte. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er darüber nachdachte wovon er wieviel am Vorabend getrunken hat...
Später begegnete uns dann ein anderer Familienvater mit seinen schon fast erwachsenen Töchtern. "Schaut Euch doch mal die Leute da an! Fällt Euch was auf?" "Was, nö!" "Fällt Euch nichts auf?!" "Nö!" Schaut sie Euch doch ganz genau an!" "Was, Ach..."!
Wir gingen weiter zur Pyramide, hätten uns aber nicht beeilen zu brauchen, denn dort am Treffpunkt wartete niemand auf uns.
Wir genehmigten uns einen Glühwein, dabei gab es ein interessantes Gespräch mit einer jungen Frau. Sie fand es sehr interessant, dass wir das machen, konnte sich aber selbst absolut nicht vorstellen, bei den herrschenden Temperaturen barfuß zu gehen.
Wir fuhren mit der Straßenbahn zur Endhaltestelle im Ortsteil Daxlanden und starten von dort aus eine Wanderung durch die Rheinauen. Nun war auch ich in meinem Barfußelement, bisher trug ich noch meine Treckingsandalen. Über Wiesen und Naturwege führte uns der Weg und bei Temperaturen von knapp über 0 blieb da so einiger Schlamm an unseren Füßen hängen.
Ich hatte meinen Fotoapparat dabei, zum Leidwesen der anderen. Bei dem herrlichen Winterwetter geriet ich nämlich in einen richtigen Fotografierrausch, dem ich nur schwer wieder zu entlocken war. Aber davon weiß auch meine Familie ein Lied zu singen...
Die anderen plagten inzwischen viel elementarere Probleme, sie hatten -- HUNGER!
Und bevor wir irgendwo einkehren, wollten sie sich auch irgendwo noch die "Schwarte" (wie es Markus U nannte) abwaschen. Dafür kam die Bootsanlegestelle der Kanusportler am Altrhein wie gerufen und 200 Meter weiter konnten wir dann reinen und nackten Fußes im Naturfreundehaus einkehren.

Da der Weg sehr schlammig war, sahen meine Füße entsprechend aus - und mit schlammtriefenden Füßen möchte ich nicht versuchen, ein Lokal zu betreten. Das Füßewaschen an der Bootsanlegestelle war daher auch wegen der Wassertemperatur sehr angenehm. Ich mußte dabei allerdings vorsichtig sein, da die Treppe sehr glitschig war.

Die Wirtin hatte für unser Tun nur eine plausible Erklärung: "Die müssen doch krank sein!" Ich fragte sie: "Etwas zum Essen bekommen wir hier aber?" "Ja, klar, natürlich!" Und dieses Essen war dann auch ganz gut und weil es so gemütlich war, haben wir uns wieder mit der Zeit vertan und mussten uns sehr beeilen, die Straßenbahn zu erreichen, die von hier nur einmal pro Stunde verkehrt.

In dieser Straßenbahn gab es dann viele verblüffte Gesichter, eine ältere Italienerin machte das Kreuzzeichen, andere konnte es überhaupt nicht fassen

Die Italienerin entdeckte zuerst meine, dann Dirks nackte Füße. als sie dann noch weitere nackte Fußpaare um sich herum bemerkte, bekreuzigte sie sich vor Schreck. Weniger nett war die Reaktion eines jungen Mannes zur selben Zeit, der uns schlichtweg "den Vogel zeigte".
Als wir ausstiegen, begegneten uns maßlos erstaunte Blikke - eine ganze Gruppe barfüßiger Menschen mitten im Dezember auf dem Karlsruher Weihnachtsmarkte - gibts sowas?

Am Weihnachtsmarkt stiegen wir aus und nun gab es das Bad in der Menge. "Schau doch nicht diesen Freeks nach!" schimpfte ein ziemlich fertiger Typ seine ebenso fertige Partnerin an. Beide waren unüberseebar dem "Tippel-Milieu" zuzuordnen. Für den ein oder anderen war das ständige Angequatschtwerden ja ganz lustig, für mich nicht. Inzwischen längst wieder beschuht (mit Sandalen) setzte ich mich in die nächste Straßenbahn, um noch einige private Erledigungen zusammen mit meiner Frau zu tätigen. Danach musste ich ja auf die Weihnachtsfeier meines Arbeitsgebers, die leider von einem schlimmen Unfall überschattet war, aber das gehört ja nicht hier her.
Was die anderen am Abend noch erlebten, erzählen sie am besten selbst.

Das will ich nun tun. An der Pyramide wurden wir von zwei jungen Mädchen angesprochen, die sich ausgiebig über unseren "barfüßigen Lebensstil erkundigten und recht angetan waren - sie machten auch Gruppenfotos von uns. Nachdem wir über den Weihnachtsmarkt geschlendert waren, gingen wir noch kurz in ein Kaufhaus. Hier wurde Lothar angeschnauzt: "Wenn ich euer Chef wäre, tät ich euch alle entlassen!" Auf der Straße rief ein kleiner Junge: "Papa, guck mal, die sind alle barfuß! Darf ich auch barfuß?" Wieder in der Jugendherberge angekommen, trennten wir uns. Eva, Markus Schmidt und Dominik ruhten sich aus, während Dirk, Lothar, Soeren und ich uns aufmachten, um in die Sauna zu gehen. Der Besuch der Sauna war sehr erholsam, und ich fand es toll, auch sowas mal in Verbindung mit einem Barfußtreffen zu machen. Am Ende des Saunabesuches passierte jedoch etwas unangenehmes. Als wir bei der Umkleidekabine ankamen, lag diese voller Glasscherben! Was war geschehen? Eine Wasserflasche war explodiert und hatte einen kleinen Jungen am Bein verletzt. Das Wehgeschrei des Jungen war noch aus dem Sanitätsraum, wo er verarztet wurde, zu vernehmen. Nach einigen Minuten kam dann der Bademeister und kehrte die Scherben weg, so daß wir uns ankleiden konnten. Auch vor der Badeanstalt war inzwischen fast der gesamte Boden mit Glasscherben bedeckt, und wir mußten entsprechend vorsichtig sein.
Auf dem Rückweg zur Jugendherberge begegneten wir nochmal den Mädchen, die an der Pyramide mit uns ins Gespräch gekommen waren: "Da sind die geilen Typen wieder!" Schließlich wurden Dirk und ich noch von einem Mann angesprochen: "Soll ich euch verraten, wo der nächste Puff ist? Ihr habt ja mächtig Hitze!" Dann entdeckte er Lothar und sagte: "Da kommt ja noch einer von der Sorte!" "Schau, wir gehen barfuß und sind zu dritt", entgegnete Dirk kühl, "und du trägst Schuhe und bist ganz alleine. Also bist du der Außenseiter!"
In der Jugendherberge trafen wir alle wieder zusammen und gingen dann auf Nahrungssuche. Das war nicht einfach, weil etliche Futterplätze schon hoffnungslos besetzt waren. Als wir in ein mexicanisches Restaurant kamen, wurde dort gerade rein Tisch frei. Bevor wir ihn erreicht hatten, wurden wir jedoch von einem arroganten Kellner ziemlich übel abgekanzelt: Wir hätten dort gar nicht alle Platz, und er müsse sich erstmal erkundigen, ob der Tisch nicht reserviert sei und ob das so in Ordnung gehe. Da dieses Vehalten für uns eindeutig nicht in Ordnung ging, verließen wir dieses Restaurant und gingen statt dessen in das angrenzende chinesische Restaurant. Dort gab es genügend Platz, lekkeres Essen zu erschwinglichen Preisen und eine sehr freundliche chinesische Bedienung, welche freilich sehr verwundert darüber war, daß wir im Winter barfuß gingen.

Wir trafen uns wieder heute morgen, gestern war abends noch Don aus Mannheim zu uns gestoßen, heute kam auch Lorenz noch dazu. Um es vorweg zu nehmen, mir war es heute für barfuß viel zu kalt, ich schaffte gerade mal 5 Minuten, vielleicht waren es auch 10, mehr aber nicht. Tapfer durchgehalten haben die anderen. Wir fuhren mit der Straßenbahn nach Durlach und wanderten die über 400 Stufen zum Turmberg hinauf, da ging die Pumpe auf Hochtouren. Und weil wir nicht genug hatten, stiegen wir auch noch auf den Turm der alten Burg aus dem 11.Jahrhundert. Dort oben blies uns ein kräftiger Nordwind um die Ohren und ließ uns die ca. 0 Grad als deutlich kälter empfinden. Die Aussicht hielt sich wegen des starken Dunstes in Grenzen, über das Karlsruher Stadtgebiet hinaus konnte man nicht viel erkennen. Bei klarem Wetter reicht der Blick bis nach Heidelberg, Speyer oder zu den Vogesen.
Mit der Seilbahn fuhren wir wieder nach Durlach hinunter und zum Abschiedsessen machten wie einen Ausflug in den Hafen von Havanna/Kuba!
Klar, natürlich nicht wirklich, aber im Restaurant Cubanita fühlt man sich in eine Hafenkneipe in Havanna versetzt und es gibt exotische Spezialitäten, zu erschwinglichen Preisen. Und barfuß war auch kein Thema.

Auf dem Rückwege von Durlach kamen wir noch mit einer frau ins Gespräch. Diese meinte: "Wenn ich nur einen einzigen hätte barfuß gehen sehen, hätte ich ihn für einen Spinner gehalten. Da ihr aber eine ganze Gruppe seid, dachte ich: 'Da muß mehr dahinter stekken.'"
Sie bekam ausführlich Auskunft über unser Forum, und Lorenz drückte Ihr ein Flyer in die Hand.

Dann ging es auf den Rückweg zur JH und der hätte doch etwas besser ausfallen können! Zunächst war es Don, dem wir eine Wunde verpflastern mussten, Dirk trat sich später auch noch eine Scherbe rein und auch Eva erwischte es noch. Aber auch sie konnte von erfahrenen Barfüßern fachgerecht versorgt werden.

Dieser kleine Vorfall war Anti- Werbung für uns. Die Gesichter zweier Leute, die gerade vorübergingen, als Eva verarztet wurde, sprachen Bände.

Lothar hatte sich schon im Cubanita verletzt, als er auf einer Stufe ausgerutscht war. Aber alles nicht schlimmes.

Wie gesagt, mir war es heute zu kalt für barfuß, die anderen hielten tapfer durch und waren während des gesamten Treffens ohne Schuhe. Das hat mich echt beeindruckt. Selbst für mich fast unfassbar.
Zum Schluss gab es noch ein geniales Abschiedsfoto: Wie wenn die Stadt Karlsruhe uns erwartet hätte, ließ sie an vielen Stellen Plakate aufhängen mit der Aufschrift:
ZIEHT EUERE SCHUH' AUS

Darunter das gelbe Ortseingangsschild von Karlsruhe und einige nutzlose Schuhe.
Das Plakat wirbt für eine saubere Stadt und wurde vom Amt für Abfallwirtschaft verteilt.
Wir jedenfalls hielten uns an die Aufforderung und hielten nicht nur die Stadt sauber.
Das Foto von 9 barfüßigen Menschen vor diesem Plakat wir bestimmt bald hier im Forum zu sehen sein!

Dieses Treffen war sehr gelungen und für mich das bisher schönste von allen (aber ich hoffe doch, daß es das nicht bleibt?). Der Termin für das Sommertreffen in Bamberg steht jedenfalls schon fest: Fronleichnam. Doch auch das Wintertreffen soll zu einer festen Einrichtung werden!

Fröhliche Barfußgrüße,
Markus U.


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