Ganz spontan... (Hobby? Barfuß! 2)
Also, ich zähle mich ja eigentlich nicht unter die
Barfüßer im engeren Sinn; höchstens mal heimlich und
verschämt abends im Dunkeln die anderthalb Kilometer
vom Büro nach Hause, auf dem kaum befahrenen Radweg.
(@!# Splitt! *@% Schnecken!)
Immerhin bin ich seit einiger Zeit barfuß in Sandalen
unterwegs - _das_ war anfangs vielleicht eine Überwindung,
es kam mir vor, als würde mir jeder auf die Zehen starren.
Dazu kommt noch, daß die Füße zunächst vom Eingesperrtsein
völlig bleich und entsprechend auffällig sind, man sie also
lieber verstecken möchte, weswegen sie keine Sonne bekommen,
weswegen sie völlig bleich...
Jedenfalls sind mir die Sandalen inzwischen ganz selbst-
verständlich geworden, und da am Feiertag letzter Woche
nicht nur schönes sondern gar heißes Wetter herrschte,
war ihre Wahl für den Trip in die Stadt ganz selbstver-
ständlich. Nach zwei Kinobesuchen, einem Abstecher zu
McDonalds und einem gründlich durchsuchten Museums-
Shop saß ich da nun im schattigen Hof des Deutschen
Museums in meine mitgebrachte Lektüre vertieft, und es
eilte überhaupt nicht, den Rückweg nach Hause anzutreten...
Trotz des Schattens war es reichlich warm, so daß mir
die Sandalen vielleicht etwas schwerer erschienen als
sie tatsächlich waren; jedenfalls - zwei kleine Schlenker,
da lagen sie nun, und ich konnte mich befreit wieder
meiner Lektüre widmen.
Als dann die Sonne sich gemächlich anschickte unterzu-
gehen, mußte ich doch langsam an den Heimweg denken,
wollte mich schon nach meinem Schuhwerk bücken, als mir
ein neuer, bisher so nie gekannter Gedanke kam: "Was
WILLST du eigentlich mit den Dingern?" Ich hatte mich
ohne sie die ganze Zeit über so wohl und friedlich gefühlt,
daß mir eine Beendigung dieses Zustands trotz der öffent-
lichen Situation plötzlich wie ein Sakrileg erschien. Und
eine neue revolutionäre Idee: "Ach was, jetzt probierst du's
einfach mal ohne. Die paar Meter bis zur nächsten S-Bahn
können so schlimm nicht sein. Da kannst du dann gleich auch
Rolltreppen und S-Bahnhof-Fliesen ausprobieren."
Bis ich dann aber aufgestanden war und die Sandalen an
den Gürtel geschnallt hatte, waren meine ungewollten Pläne
schon wieder ein paar Kreise weitergezogen: "WIESO eigent-
lich S-Bahn? Es ist doch so schönes Wetter hier oben,
in der Bahn hast du davon nichts, und nach fünf Minuten
ist eh schon wieder alles vorbei."
Also, kurz entschlossen Abmarsch zu Fuß Richtung Hauptbahnhof.
Über das Kopfsteinpflaster erst in eine Seitenstraße
(gucken die Passanten da vorne komisch?) und mit gestärktem
Mut - soweit alles gut gegangen - auf die belebtere Isar-
brücke. Komisch, alles voll normal, ich komme mir gar nicht
wie ein Aussätziger vor. Natürlich kann ich immer die
Hitze als Entschuldigung anführen. Aber wofür eigentlich
entschuldigen?? Weiter am vollbesetzten Straßencafe
vorbei - das plötzliche Kichern neben mir beziehe ich gar
nicht auf mich - und als ich mich durch die Menschentraube
vor dem Kino zwänge, ist meine einzige Sorge nur, daß mir
niemand auf die Zehen steigt.
Im Tal alles ganz normal, und dann die Fußgängerzone - kein
Mensch kümmert sich um mich, und ich fühle mich auch nicht
wesentlich anders als sonst, muß aber hier feststellen, daß
die bisher nie beachteten schmalen Kopfsteinpflasterstreifen
zwischen den glatten Platten recht angenehm sind. Hätte ich
mehr Zeit, würde ich tatsächlich bei dem kleinen Streichor-
chester eine Weile stehenbleiben, aber langsam muß ich doch
auf die Uhr schauen. Weiter zum Stachus, die Zeit langt nur
noch für ein kurzes peripheres Streifen der nassen Platten
am Brunnen, dann eine Rolltreppe runter, die nächste rauf,
und nur noch ein paar hundert Meter bis zum Hauptbahnhof.
Leider muß ich feststellen, daß meine Zeitplanung mich
diesmal getrogen hat: S-Bahn knapp verpaßt, anscheinend bin
ich barfuß doch merklich langsamer als sonst. Aber es
pressiert ja nicht. In der Bahnhofshalle die Rolltreppe
zweimal runter und wieder rauf gefahren - grad extra
(im Spiegel über der Rolltreppe kann man sich dabei sogar
selber zuschauen). Dann doch runter in den S-Bahnhof, einen
etwas abgelegeneren Sitzplatz gesucht und die Lektüre wieder
herausgezogen. Die beiden jungen Damen, die sich neben mich
setzen, stören mich gar nicht, und als sie sich gegenseitig
fotografieren, bin ich vielleicht auch mit drauf - was solls.
Schließlich kommt die S-Bahn, ich suche mir einen Platz wie
sonst auch; am Stachus und Marienplatz steigen noch reichlich
Leute zu, so daß die Bahn recht gut besetzt ist, aber ich
fühle mich fast wie zu Hause.
Im Laufe der nächsten halben Stunde wird der Wagen nach und
nach wieder leerer, und als das verliebte Pärchen, das sich
nebenan gegenübersitzt, endlich keine Sitznachbarn mehr hat,
streift sie doch tatsächlich die Turnschuhe ab und legt ihm
die blanken Füße in den Schoß, um ihm Gelegenheit zu geben,
ihr seine Zuneigung zu demonstrieren. Ich hätte schon lachen
mögen, das gibts ja sonst nicht, und dann ausgerechnet heute...
Ich habe mich aber diskret in meine Lektüre vertieft.
Schließlich war mein Reiseziel erreicht, und dort hab ich
den Tag auch noch konsequent zu Ende gebracht: barfuß bis
zur Haustür, wobei mir die hereingebrochene Dunkelheit
zweifellos etwas Schutz vor etwaigen Bekannten bot. Die
Eisdiele hatte leider wegen der Verspätung schon zu, sonst
hätte ich mich da glatt auch noch hineingewagt.
Die insgesamt nicht ganz unerhebliche Strecke ging auch
ganz ohne Blasen ab - das nächtliche Training macht sich
doch bezahlt ;)
Fazit: eigentlich ein Non-Event :) Keine Schweißperlen
auf der Stirn, keine Magenkrämpfe, letztlich ein fast
ganz normaler Abstecher in die Stadt. Wahrscheinlich deshalb,
weil's spontan aus einer Wohlfühlsituation heraus entstand
und ich mir vorher gar keine Gedanken darüber gemacht habe,
was schiefgehen könnte, wem ich begegnen könnte; weil ich
auch nicht das Gefühl hatte, mir etwas beweisen zu müssen.
Und auch daß ich ein ellenlanges Posting darüber tippe,
ist der Banalität des Anlasses eigentlich gar nicht ange-
messen. Aber sei's drum; man muß sich ja auch mal aktiv
am Forum beteiligen, gell?
Zum überzeugten Barfüßer hat's mich noch nicht gemacht, die
Ästhetik der schwarzen Sohlen kann ich nicht recht nachvoll-
ziehen. Und man sollte vielleicht auch eine andere Hose
anhaben als die langen Jeans, in denen man barfüßig wohl
aussieht wie jemand, der gerade im Pyjama aus dem Schlaf-
zimmer kommt und verzweifelt seine Pantoffeln sucht. :)